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Banken positionieren sich bei Dividenden, Boni gegen die EU-Aufsichten

Die größten europäischen Banken vermitteln nicht unbedingt den Eindruck, dass Europa in einer sich verschlimmernden Pandemie steckt, denn die Corona-Rückstellungen für das 3. Quartal 2020 waren stark rückläufig.

“Ein Unternehmen wie unseres muss in der Lage sein, konkurrenzfähige Performance zu honorieren,” sagte Deutsche Bank-Finanzvorstand James von Moltke (Bild) in einem Interview mit Bloomberg TV.
“Ein Unternehmen wie unseres muss in der Lage sein, konkurrenzfähige Performance zu honorieren,” sagte Deutsche Bank-Finanzvorstand James von Moltke (Bild) in einem Interview mit Bloomberg TV.© Deutsche Bank

Im dritten Quartal haben zehn der größten Banken der Region das geringste Volumen an Rückstellungen für zweifelhafte Kredite seit Beginn der Coronavirus-Pandemie gebildet - insgesamt 8,6 Milliarden US-Dollar, ein Fünftel der Risikovorsorge von 39,8 Milliarden US-Dollar im ersten Halbjah, wie Bloomberg News zu berichten weiß. Gleichzeitig führen Banken wie Spaniens Banco Santander ihre Finanzstärke als Argument an, um die Aufsichtsbehörden zu bewegen, wieder Dividendenzahlungen zu erlauben. Häuser wie die Deutsche Bank sprechen sich für größere Bonuszahlungen für Anleihehändler aus, die Super-Erträge eingefahren haben.

Banken auf Konfrontationskurs mit ihren Aufsichten
Der von europäischen Banken angeschlagene Ton steht in starkem Kontrast zu der sich verschlechternden Lage bei den Corona-Neuinfektionen und Beschränkungen, die mehr wirtschaftliche Belastungen mit sich bringen könnten. Die Forderungen der Banken kommen zu einem Zeitpunkt, wo mit dem Geld der Steuerzahler die Auswirkungen der Lockdowns abgemildert werden, die Unternehmen in die Pleite treiben und Millionen Beschäftigte arbeitslos machen können. Angesichts dieser Diskrepanz riskieren die Banker einen Kollisionskurs mit den Aufsichtsbehörden.

Flexibilität bei Regeln für NLPs und Dividenden, Boni? Das passt nicht zusammen!
“Wir befinden uns in einer sehr negativen Lage voller Unsicherheit und jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, das Dividendenverbot aufzuheben”, sagt Antonella Sciarrone Alibrandi, Professorin an der Università Cattolica del Sacro Cuore in Mailand im Talk mit Bloomberg. “Es gibt einen gewissen Widerspruch, wenn die Banken Flexibilität bei den Regeln und den Rückstellungen für notleidende Kredite (Non-Performing Loans - NPLs) fordern, gleichzeitig aber die Zahlungen von Dividenden und großen Boni wieder aufnehmen wollen.”

Banken erhielten beispiellose Erleichterungen durch die Aufsichtsbehörden
Dies setzte Kapital für die Absorption von Verlusten oder für die Finanzierung von Krediten frei. Am Donnerstag erinnerte EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Banken daran, dass die Erleichterungen an Bedingungen geknüpft seien. Die Kreditinstitute müssten helfen, alle Sektoren der Wirtschaft zu finanzieren und nicht nur die großen Unternehmen, sagte sie. Die EZB-Chefin verwies auf die sich verschlechternde Lage in der Region. Sie warnte, dass einige Banken Unternehmen Darlehen zu weniger günstigen Bedingungen herausreichten und dass höhere Risikoeinschätzungen die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe belasten könnten.

Kreditversorgung auch der KMUs als EZB-Ziel
“Kreditrisiko hat derzeit oberste Priorität”, sagte EZB-Bankenaufsichtschef Andrea Enria auf einer Konferenz am Mittwoch. Er riet den Banken, nicht bis zu einer Verschlechterung der Lage zu warten, um Kunden zu ermitteln, die Finanzschwierigkeiten bekommen könnten. “Es ist eine Frage, wann und nicht ob sich die Aktiva-Qualität der Banken in dieser Krise verschlechtern wird”, sagte der Gouverneuer der spanischen Notenbank, Pablo Hernandez De Cos.

Boomende Märkte
Großbanken-Händler nutzen die höhere Volatilität infolge der Pandemie für Erträge in Q3

Bankenargumentation
Die europäischen Banken führen an, dass sie ihre Aufgabe erfüllen und dass Aufseher, die sie bestrafen wollen, die Lage verschlimmern könnten, da sie das Vertrauen der Anleger untergraben. “Seit Beginn der Pandemie haben wir die Kreditvergabe ausgeweitet, wir stellen umfassend Liquidität zur Verfügung”, sagte der Santander-CEO Jose Antonio Alvarez gegenüber Analysten auf einer Telefonkonferenz am Mittwoch. “Wir erzielen weiterhin Ergebnisse und auf dieser Basis bitten wir die EZB, uns die Ausschüttung von Dividenden zu erlauben.”

Angelsachsen und Schweizer betonen finanzielle Solidität
Barclays, Standard Chartered und HSBC Holdings haben auch ihre finanzielle Solidität angeführt als Argument für eine Wiederaufnahme von Ausschüttungen im nächsten Jahr. Die Schweizer Banken UBS Group und Credit Suisse Group wollen 2021 die Erträge für die Aktionäre erhöhen und haben Rückkäufe im Gesamtvolumen von mehr als 3,0 Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt.

Überprüfung der Ausschüttungsverbote zum Jahresende
Die EZB und die Bank of England werden voraussichtlich Ende des Jahres ihre de-facto-Dividendenverbote überprüfen. Die führenden Schweizer Banken haben es einfacher und dürfen in diesem Jahr ihre Ausschüttungen auf zwei aufteilen.

Kritische Stimmen
“Die Banken sehen derzeit extrem gut aus, weil die Regierungen die größten Belastungen aus der Krise abfedern”, sagte Jörg de Vries-Hippen, CIO von Allianz Global Investors, in einem Bloomberg TV-Interview am Donnerstag. “Ich wäre an Stelle der Politik oder der EZB extrem vorsichtig, diesen Weg einzuschlagen und ihnen bereits jetzt Dividendenzahlungen zu erlauben, selbst wenn sie sich dies wünschen.”

Boni-Frage: EZB will nur mäßige Zahlungen akzeptieren
Bonuszahlungen machen zwar einen geringeren Anteil der Kapitalabflüsse der Banken aus als Dividenden, doch die Performance-Prämien sind seit 2008 umstritten. Die EZB hat deutlich gemacht, von den Banken im Euroraum bei der variablen Vergütung eine extreme Mäßigung zu erwarten, um Kapital zu erhalten. Die Wertpapierhäuser könnten somit auf einen Konfrontationskurs mit den Aufsichtsbehörden zusteuern. Die Deutsche Bank hat am Mittwoch mitgeteilt, dass sie Gelder zur Seite gelegt hat, um Bonuszahlungen im Rahmen ihrer ausgezeichneten Handels-Performance zu zahlen. Thomas Gottstein, der CEO der Credit Suisse, hat die höheren Vergütungsrückstellungen der Bank auf einer Telefonkonferenz mit Journalisten verteidigt und gesagt, dass sie “ein Gleichgewicht zwischen einer leistungsabhängigen Vergütung und dem allgemeinen Covid-19-Umfeld herstellen muss.” (kb)

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