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| Regulierung

Aktuarvereinigung empfiehlt Senkung des Höchstzinses auf 0,25 Prozent

Wenn es nach der Deutschen Aktuarvereinigung geht, dann sollte der Höchstrechnungszins für Neuverträge in der Lebensversicherung auf nur noch 0,25 Prozent abgesenkt werden. Aber nicht nur das: Die Experten empfehlen auch eine Abkehr von der 100-Prozent-Beitragsgarantie.

Dr. Guido Bader: "Produkte mit einer 100-Prozent-Beitragsgarantie sind in der heutigen Negativzinswelt aktuariell nicht mehr sinnvoll."
Dr. Guido Bader: "Produkte mit einer 100-Prozent-Beitragsgarantie sind in der heutigen Negativzinswelt aktuariell nicht mehr sinnvoll."© DAV e.V.

In Anbetracht des 2020 erneut gesunkenen Zinsniveaus und der hohen Unsicherheit der weiteren Kapitalmarktentwicklung empfiehlt die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) dem Bundesfinanzministerium, den Höchstrechnungszins für Neuverträge in der Lebensversicherung zum 1. Januar 2022 auf 0,25 Prozent zu senken. Seit 2017 liegt dieser Wert bei 0,9 Prozent. "Der Höchstrechnungszins ist unverändert ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der handelsrechtlichen Zinsverpflichtungen", erläutert DAV-Vorstandsvorsitzender Guido Bader die Notwendigkeit dieser vom Bundesfinanzministerium festgelegten Orientierungsgröße. Für die Unternehmen und ihre verantwortlichen Aktuare sei diese politische Vorgabe die entscheidende Richtschnur für die unternehmensspezifische Festlegung des jeweiligen Garantie- und Rechnungszinses.

Die DAV plädiert dafür, zusammen mit der Absenkung des Höchstrechnungszinses auch den vollständigen Beitragserhalt bei der Riesterrente sowie der Beitragszusage mit Mindestleistung in der betrieblichen Altersversorgung (BZML) zu reformieren und die Garantien abzusenken. "Denn Produkte mit einer 100-Prozent-Beitragsgarantie sind in der heutigen Negativzinswelt aktuariell nicht mehr sinnvoll", so Bader, "denn sie verengen die Spielräume für eine Kapitalanlage im Sinne der Versicherten." Ein solches Reformpaket trägt nach Überzeugungen der DAV auf der einen Seite dem Sicherheitsbedürfnis der Deutschen Rechnung und ermöglicht es auf der anderen Seite den Versicherern, die Kundengelder in chancenreichere Anlageformen wie Immobilien, Infrastrukturprojekte oder Aktien zu investieren.

Chancenkomponente für Versicherte immer wichtiger
Diese Chancenkomponente wird nach DAV-Analysen für die Versicherten künftig immer wichtiger. Denn seit Beginn der Corona-Pandemie sind die bereits zuvor äußerst niedrigen Kapitalmarktzinsen noch einmal um 20 bis 50 Basispunkte gesunken. Neben der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung lassen laut DAV die billionenschweren Ankaufprogramme der Zentralbanken weiterhin niedrige Zinsen für Rentenpapiere erwarten. "Obwohl die Versicherer ihre Kapitalanlagen in den vergangenen Jahren bereits auf das anhaltende Niedrigzinsumfeld angepasst haben, spiegeln sich die jüngsten Kapitalmarktverwerfungen unweigerlich in den Kapitalanlageergebnissen der Unternehmen wider", begründet Bader die DAV-Empfehlung. Zudem habe die EZB kürzlich angekündigt, sie sehe Spielraum für weitere Zinssenkungen.

Aufgrund der Komplexität des notwendigen Reformprojekts für die Unternehmen sollten die politischen Entscheidungsträger unbedingt bereits im Laufe des ersten Quartals 2021 eine Entscheidung treffen, damit eine geordnete Umsetzung zum Jahreswechsel 2021/2022 erfolgen könne. "Denn diese tiefgreifenden Veränderungen erfordern eine Neukalkulation der gesamten Produktpalette", weist Bader auf die notwendige Vorlaufzeit hin. In der Vergangenheit hätten die Unternehmen allein für die Umstellung des Höchstrechnungszinses je nach Größe und Produktbreite 1.000 bis 5.000 Personentage investieren müssen.

Der Hintergrund zur Herleitung des Höchstrechnungszinses
Wie im Vorjahr berücksichtigt die DAV-Empfehlung zum Höchstrechnungszins die künftig realistisch am Kapitalmarkt erzielbaren Renditen der Lebensversicherungsunternehmen für neu abgeschlossene Verträge. Um diese zu berechnen, wurde ein repräsentatives Neuanlageportfolio eines Lebensversicherers mit konservativer Kapitalanlagestrategie modelliert. Dieses besteht im Wesentlichen aus Staatsanleihen, staatlich garantierten Anleihen, besicherten Anleihen und Unternehmensanleihen sowie zu einem geringen Anteil aus Substanzwerten wie Aktien und Immobilien. Für diesen zweiten Teil wurde ein Bewertungsansatz analog zum Vorgehen der Produktinformationsstelle Altersvorsorge (PIA) gewählt.

Unter Annahme verschiedener Zinsentwicklungen wurden die aus diesem Anlageportfolio abgeleiteten Durchschnittsrenditen in die Zukunft projiziert. Zur Glättung wurde das arithmetische Mittel dieser Renditen über jeweils fünf Jahre gebildet. "Zusätzlich wurde ein 40-prozentiger Abschlag als Sicherheitspuffer eingerechnet, so wie ihn der Gesetzgeber bis zur Einführung des europäischen Versicherungsaufsichtsregimes Solvency II gefordert hat", erläutert Bader das Vorgehen. Auch wenn diese Vorgabe an den Höchstrechnungszins inzwischen entfallen sei, setzt die DAV diesen Sicherheitsabschlag weiterhin in ihren Analysen an. Um ein ausreichendes Sicherheitsniveau zu gewährleisten, wurde zudem beschlossen, dass auch in Tiefzinsphasen der Sicherheitsabschlag immer mindestens 0,4 Prozentpunkte betragen muss. (hh)

Redaktioneller Hinweis: In der aktuellen Printausgabe 4/2020 von "Institutional Money" gibt es einen interessanten Beitrag zu diesem Thema. Nachzulesen ab Seite 270f oder online im E-Magazin HIER.

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