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Wie Investoren von der Rückkehr der US-Industriepolitik profitieren

Das Comeback der US-Industriepolitik respektive die Förderung von Zukunftstechnologien sorgen nicht nur für einen fiskalischen Stimulus und macht die USA unabhängiger von anderen Ländern, sondern verschafft Investoren auch interessante Opportunitäten.

Norman Villamin, Union Bancaire Privée (UBP)
Norman Villamin, Union Bancaire Privée (UBP)© Union Bancaire Privée

Die Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft im Jahr 2023 hat viele überrascht und wurde weitgehend dem amerikanischen Verbraucher zugeschrieben. „Wenig Beachtung fand in diesem Zusammenhang jedoch die US-Regierung selbst. Deren Haushaltsdefizit stieg bis Ende Juni auf 8,5 Prozent des BIP an. Ein Jahr zuvor waren es noch 3,8 Prozent“, darauf weist Norman Villamin, Group Chief Strategist der Schweizer UBP, hin. Der rasante Anstieg des Haushaltsdefizits sei dieses Mal nicht auf Steuersenkungen zurückzuführen. Vielmehr gehe auf Kosten einer Reihe von Gesetzen, die 2021-22 verabschiedet wurden: der Infrastructure Investment and Jobs Act, der Chips and Science Act und schließlich der Inflation Reduction Act (IRA). Das schreibt der UBP-Stratege in einer "Institutional Money" exklusiv vorliegenden Analyse.

Industrialisierung 2.0
Die Gesetze haben Villamin zufolge nicht nur die Wirtschaft fiskalpolitisch unterstützt, sondern erstmals seit Ende des Kalten Krieges den Grundstein für eine neue und weitreichende US-Industriepolitik gelegt, mit der die US-Wirtschaft ihr industrielles Fundament aus dem 20. Jahrhundert gegen eine Infrastruktur für das 21. Jahrhundert auf der Basis von erneuerbaren Energien auswechseln kann. „Investoren sollten im Blick behalten, dass die Initiative nicht nur einen US-amerikanischen, sondern einen globalen Investitionszyklus in Gang setzen wird“, führt der Stratege aus. „Neben dem Bestreben, die Pariser Klimaziele zu erreichen, wollen sie sich damit einen Teil jener Wertschöpfungsketten sichern, welche in den kommenden Jahrzehnten die Grundlage der Weltwirtschaft bilden werden.“

Planungssicherheit für langfristige Investitionen
Allein durch das Inflationsbekämpfungsgesetz wurden fast 400 Milliarden US-Dollar an grünen Finanzierungen und Steuergutschriften zugesagt. Das Volumen der privaten Projekte, die bereits im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes mobilisiert wurden, lassen vermuten, dass in den kommenden zehn Jahren fast sechs Prozent des US-BIP an Ausgaben mobilisiert werden könnten.

„Das Programm besticht durch seine Fähigkeit und die Bereitschaft, langfristige Finanzierungen und Steuergutschriften in einem Segment bereitzustellen, das zugegebenermaßen von langfristiger Ungewissheit geprägt ist. Diese Zusicherungen sind es, die das Risiko von Projekten verringern, welche zu Beginn durch hohe Kosten gekennzeichnet sind und sich erst nach mehreren Jahrzehnten amortisieren“, erläutert der Chefstratege.

Ebenso wichtig sei, dass es Investitionsanreize in der gesamten grünen Wertschöpfungskette schafft, indem es die Entwicklung inländischer Produktionskapazitäten, Übertragungs- und Verteilungskapazitäten sowie die Nachfrage der Endverbraucher fördere. Die Gesetzgebung biete nicht nur steuerliche und finanzielle Anreize, um die Entwicklung der Wertschöpfungskette zu fördern, sondern stelle auch die Nachfrage sicher, indem sie Emissionsgrenzwerte für Kraftwerke und Kraftfahrzeuge festlegt, die eine Substitution in diesen Sektoren zugunsten erneuerbarer Energien erzwingen.

Nachahmung und Wettbewerb
„Die Gesetzgebung ist zweifellos ein Katalysator für den US-Markt, um ihn aus seinem Dornröschenschlaf in Sachen Klimaschutz zu wecken. Sie hat aber auch andere Länder dazu gebracht, mit der amerikanischen finanziellen Unterstützung und der Veränderung der Kapitalkosten gleichzuziehen, um ähnliche Investitionen anzuziehen und zu fördern. Damit hat sich das, was ein Katalysator für einen US-zentrischen Investitionszyklus gewesen wäre, zu einen globalen Investitionszyklus gewandelt“, betont Villamin.

Trotz ihrer offensichtlichen Klimaziele ziele die neue amerikanische Industriepolitik auch darauf ab, den fast 90-prozentigen Marktanteil, den China und Asien an der derzeitigen Wertschöpfungskette für saubere Energie haben, zu verringern.

Das dürfte China in seinem ohnehin schon beträchtlichen Engagement für die Energiewende zweifellos noch bestärken, seinen Innovations- und Kostenvorsprung zu verteidigen. China nutzt diese beherrschende Stellung, um eine stärkere Offshore-Präsenz aufzubauen, indem es Partnerschaften mit Rohstoffproduzenten eingeht und mit chinesischem Fachwissen mehr Verarbeitungskapazitäten aufbaut und sich dabei Rohstoffe sichert.

Mehrjähriger Investitionszyklus
China investiert weiter, um seinen weltweiten Vorsprung zu halten. Die neue US-Industriepolitik sorgt dafür, dass auch die westlichen Industrieländer ihrem Beispiel folgen. Villamin sagt: „Damit ist nun ein Katalysator vorhanden, der die Versprechungen in Bezug auf die globale Energiewende in breit gefächerte Investitionen in der Realwirtschaft verwandelt. Wenn sich dieser mehrjährige Investitionszyklus nun materialisiert, eröffnen sich dadurch Chancen für Investoren.“

Sie sollten sich dabei auf direkte Nutznießer dieser Investitionen konzentrieren. Aktien von Unternehmen an den Dreh- und Angelpunkten der Wertschöpfungskette für die globale Energiewende dürften sich dabei durch Preissetzungsmacht und Margenstabilität auszeichnen. (aa)

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