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Wie der Technologiesektor von Chinas Digitalisierung profitiert

Mit besonderem Fokus auf China analysiert Julie Dickson, Investment Director bei Capital Group, den Technologiesektor sowie die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf diesen. Zudem gibt sie einen Überblick, welche Trends der Digitalisierung sich weiter intensivieren.

Julie Dickson, Investment Director bei der Capital Group
Julie Dickson, Investment Director bei der Capital Group© Capital Group

„Eine Folge von COVID-19 war die Disruption der Technologiebranche. Ihren Anfang nahm diese in China, als insbesondere die Lieferketten für Hardware in Schwierigkeiten gerieten. Nachdem die chinesische Wirtschaft dann in großen Teilen wieder die Arbeit aufnehmen konnte, weitete sich die Pandemie global aus. Heute steht die Technologiebranche angesichts einer globalen Rezession vor noch größeren Problemen – nämlich einem weltweiten Nachfrageschock, insbesondere bei verbraucherbezogenen Produkten“, analysiert Julie Dickson, Investment Director bei Capital Group.

Verzögerte Markteinführungen
Trotz dieser Nachfrageentwicklungen seien bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine großen Auswirkungen auf die Halbleiterindustrie festzustellen. Dickson weiter: "Aufgrund der langen Vorlaufzeit bei der Produktion rechnen wir damit, dass die Folgen sich erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 zeigen werden. Auch die Markteinführung neuer Produkte, wie etwa neuer Mobiltelefone, könnte sich aufgrund von Lockdowns und Reiseverboten verzögern.“

Corona als Trendbeschleuniger
Im Internet- und Softwaresektor hat COVID-19 einige bereits in den letzten fünf bis zehn Jahren aufgekommene Trends beschleunigt. Dazu gehöre etwa die Akzeptanz von E-Commerce-Angeboten, die Lieferung von Lebensmitteln sowie eine gestiegene Nutzungsdauer von Online-Videoplattformen, weiß Dickson. "Auch die Einführung cloudbasierter Dienste zählt dazu. Diese verstärkten Entwicklungen werden voraussichtlich auch die Nachfrage nach Rechenzentren ankurbeln, was sich wiederum positiv auf die Nachfrage nach Halbleitern auswirken wird. Möglicherweise werden sie auch dazu beitragen, die Anwendungsmöglichkeiten für Verbraucher zu verbessern.“

Nachfrage nach Halbleitern wächst, Internetnutzung verstärkt sich
Viele chinesische Internetfirmen haben seit Ausbruch des Coronavirus ihre Nutzerzahlen deutlich steigern können – so nutzt etwa die ältere Generation, die bisher noch nicht online eingekauft hat, zunehmend E-Commerce-Lösungen. Stark von Werbeeinnahmen abhängige Internetfirmen hätten wiederum negative Effekte gespürt – insbesondere, weil kleine und mittlere Unternehmen, die wichtige Werber auf ihren Plattformen sind, deutliche Einbußen verzeichnen mussten, sagt die Expertin.

Livestreaming als wichtigster gegenwärtiger Trend bei E-Commerce
Der wichtigste Trend im E-Commerce in China ist aktuell das Livestreaming. Zukünftig wird sich diese Entwicklung wahrscheinlich auch auf andere Länder in Südostasien übertragen. In China war Livestreaming bereits vor COVID-19 populär, wurde während des Lockdowns allerdings noch stärker von Onlinehändlern eingesetzt. Dickson führt aus: "Durch Livestreaming wird die Zeit zwischen einem ersten Kauf-Stimulus und dem tatsächlichen Erwerb deutlich verkürzt – teilweise beträgt sie nur fünf bis zehn Minuten. In der traditionellen Customer Journey dauerte dieser Prozess von Werbung, über die Suche nach einem Produkt in Geschäften, bis hin zum Kauf erheblich länger.“

Mobiles Bezahlen nimmt weiter zu, könnte Exportschlager in Asien werden
„Ein weiterer Effekt von COVID-19 ist, dass die Relevanz des mobilen Bezahlens durch die chinesische Regierung zunehmend anerkannt wird. Diese ist nun verstärkt bestrebt, die Technologien ihrer einheimischen Firmen in andere aufstrebende Länder Asiens zu exportieren – zumal Geldscheine inzwischen als potenzielle Quelle für die Übertragung von COVID-19 angesehen werden.“

Cloud-Geschäft nimmt stark zu
Bei Cloud-Lösungen war China in der Vergangenheit deutlich zurückhaltender als die USA. Zwar wuchsen ausgewählte Cloud-Plattformen rasant, dies war allerdings in erster Linie auf Start-ups und Internetfirmen zurückzuführen und nicht etwa auf traditionelle Unternehmen wie in den USA. COVID-19 hat diese Situation grundlegend verändert. "Unternehmen erkennen jetzt, dass Cloud-Plattformen die Lösung für mobiles Arbeit sind", sagt Dickson. "Hatten in der Vergangenheit noch viele Unternehmen gezögert, ihre arbeitsintensiven Geschäftsprozesse entsprechend umzustellen, befassen sie sich nun zunehmend mit dieser Transformation. In China gibt es daher nach wie vor enorme Möglichkeiten für die Bereiche E-Commerce und Cloud Computing.“

M&A in Richtung Europa und USA wird für chinesische Firmen schwieriger werden
„Für globale Technologieunternehmen, die in ihren lokalen Märkten bereits stark sind und das Nutzerverhalten geprägt haben, wird es herausfordernd sein, in China Fuss zu fassen", glaubt Dickson. "Zeitgleich haben einige chinesische Unternehmen globale Ambitionen, während andere besser positioniert sind, um sich an aufstrebende Märkte zu richten. Sehr wahrscheinlich wird zukünftig die Unsicherheit wachsen, ob chinesische Technologiekonzerne Unternehmen in Europa und den USA erwerben wollen.“ (kb)

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