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Wachstumsmarkt indische Staatsanleihen: Indexaufnahme kommt offenbar

Die Aufnahme indischer Staatsanleihen in den wichtigen JPM GBI-EM Global Diversified Index steht wohl bevor, meint Volker Kurr, Head of Europe, Institutional, bei Legal & General Investment Management (LGIM).

Volker Kurr, Head of Europe, Institutional, bei Legal & General Investment Management (LGIM)
Volker Kurr, Head of Europe, Institutional, bei Legal & General Investment Management (LGIM)© Legal & General IM

Indien ist mit mehr als 1,4 Milliarden Menschen der bevölkerungsreichste Staat der Welt – entweder heute schon oder jedenfalls in Kürze. Die größte Demokratie der Welt rangiert als Volkswirtschaft global an der fünften Stelle. Der Internationale Währungsfonds hat für 2023 ein Wirtschaftswachstum um 6,1 Prozent prognostiziert. "Ein Grund für die positive Entwicklung dürften die Spannungen zwischen China und dem Westen sein. Wegen seiner Größe ist nur Indien in der Lage, eine Alternative zu China zu bieten", analysiert Volker Kurr, Head of Europe, Institutional, bei Legal & General Investment Management (LGIM).

Öffnung des Anleihe-Marktes
Lange hat sich der Subkontinent wirtschaftlich abgeschottet. Quoten und komplizierte technische Abläufe behinderten den Erwerb von indischen Staatsanleihen (India Government Bonds, IGB) durch Investoren aus dem Ausland. "Der Anteil ausländischer Anleger beträgt rund zwei Prozent, das ist im internationalen Vergleich ein extrem niedriger Wert; konstatiert Kurr. "Aber Indien hat in den letzten Jahren Schritte zur Öffnung des Anleihemarkts unternommen. Die Reserve Bank of India führte März 2020 das „Fully Accessible Route“ (FAR)-Programm ein. Seitdem können Ausländer indische Staatsanleihen in lokaler Währung ohne Restriktionen erwerben. Die Notenbank gab bekannt, dass alle Emissionen von Staatsanleihen mit Laufzeiten von fünf, zehn oder 30 Jahren die Voraussetzungen für das FAR-Programm erfüllen; im Juli 2022 wurde dies auf Neuemissionen von Anleihen mit sieben- und 14-jähriger Laufzeit ausgeweitet."

Aufnahme in Flaggschiff-Indizes…
J.P. Morgan sieht nun offenbar die Zeit gekommen, IGBs (Indian Government Bonds) in ihren Flaggschiff-Index „Global Bond Index – Emerging Market Global Diversified“ (JPM GBI-EM Global Diversified) aufzunehmen. Viel spricht dafür, dass der schon für letztes Jahr erwartete Schritt nun erfolgt. Der Index bildet als Benchmark ein verwaltetes Vermögen von rund 220 Milliarden US-Dollar ab. Indien wäre nach China das zweitgrößte Land im Index. Die IGBs werden voraussichtlich zehn Prozent des Index ausmachen, die maximal zulässige Gewichtung, und so mit China gleichauf liegen.

Watchlist-Aufnahme als Voraussetzung
Vor der Aufnahme wird ein Land von J.P. Morgan in einer Watch List geführt. China wurde im Juni 2017 gelistet, die Aufnahme wurde im September 2019 angekündigt. Der Einbezug selbst erfolgte in monatlichen Ein-Prozent-Schritten ab Februar 2020. Indien befindet sich seit Januar 2020 auf der Watch List. Bei einem erwarteten Indexanteil von zehn Prozent und damit zehn monatlichen Ein-Prozent-Schritten wäre bei einem mit China vergleichbaren Ablauf könnte die Aufnahme Ende 2024/Anfang 2025 abgeschlossen werden.

… und die Folgen
Die Auswirkungen wären beachtlich und dürften zu Kapitalzuflüssen in der Größenordnung von 25 Milliarden US-Dollar führen, so Kurr weiter.

Bei J.P. Morgan wird es wohl nicht bleiben
Indien stehe seit Jahren auf der Beobachtungsliste von weiteren Indexanbietern wie Bloomberg und FTSE Russell, weiß Kurr. "Im Oktober wird der jährliche Bloomberg Index-Council abgehalten und wohl über eine Aufnahme Indiens in den Global Aggregate Index und lokale Schwellenländer-Indizes sprechen. Die Einbeziehung in den Global Aggregate Index dürfte einen weiteren Mittelzustrom von rund 15 Milliarden Dollar nach sich ziehen. Bis 2030 könnte damit die Quote ausländischer Beteiligungen bei IGBs auf rund neun Prozent steigen."

Auch FTSE prüfe in diesem Monat, ob Indien in den gewichtigen FTSE WGBI (World Government Bond)-Index integriert werden soll. Da FTSE aber für ein eher zögerliches Verhalten bekannt sei, sei in dieser Runde wohl noch eine Ablehnung zu erwarten.

Geschätzte Gewichtungen und Zeitpläne für die Aufnahme von Indien in Indizes von Morgan Stanley und JPM

Quelle: LGIM

Diversifikation durch IGB
In einem Portfolio können IGB zur Diversifikation beitragen, denn die Anleihemärkte der meisten Industrienationen sind positiv korreliert. Kurr führt aus: "Bei IGB war die Korrelation zu diesen Märkten in den letzten zehn Jahren nur sehr schwach oder sogar negativ. Auch die Korrelation zu anderen Schwellenländer-Märkten ist gering. Indien ist zudem weniger als andere Schwellenländer anfällig für globale Risikostimmungen. Dies ist eine Folge der Abkapselungspolitik, die eine engere Verflechtung Indiens mit der Welt- und der Weltfinanzwirtschaft verhinderte. Ein weiterer Grund liegt in der besonderen Wirtschaftsstruktur Indiens. Die Rohstoffausfuhr ist nur von untergeordneter Bedeutung. Dagegen exportiert das Land in großem Ausmaß Dienstleistungen, vor allem im IT-Bereich."

Risiko-/Ertrags-Zusammenhang bei Emerging Markets Staatsanleihen
Die folgende Grafik zeigt die Renditen und das damit verbundene Risiko von Schwellenländer-Staatsanleihen, gemessen am Maximum Drawdown, im Zeitraum von 2017 bis Juni 2023. Je größer der Kreis, desto stabiler die Rendite, gemessen in Volatilität.

Quelle: Bloomberg, J.P. Morgan, LGIM

Jetzt einsteigen oder noch warten?
Aus Sicht von Volker Kurr könnte es für Anleger interessant sein, noch vor der Index-Aufnahme Indiens und damit vor dem großen Geldzufluss in IGBs zu investieren. "Die vermehrte Nachfrage nach den Anleihen in Folge des Einbezugs in die Indizes dürfte zu einem Renditerückgang – also einem Kursanstieg – führen, wie es schon zuvor bei China der Fall war. Vorstellbar ist eine Verringerung der Rendite in einem Bereich von 30 bis 40 oder sogar 50 Basispunkten."

Gute Basisdaten
Die Anleihen aus dem FAR-Programm wiesen zuletzt eine durchschnittliche Rendite von über sieben Prozent auf. Indien verfügt mit einer Bonitätsnote von BBB- über Investment-Grade-Status. Die Volatilität und der bisherige maximale Drawdown der IGB bewegten sich ungefähr auf dem Level der USA und China, also Emittenten mit höherem Rating und niedrigeren Renditen.

Indien ist ein Non-Defaulter
Kurr: "Seit der Gründung der RBI 1935 ist keine indische Staatsanleihe ausgefallen. Mit etwa 550 Milliarden US-Dollar verfügt das Land über die viertgrößten Devisenreserven der Welt und die zweitgrößten aller Schwellenländer, nach China."

Trotz eines für ein Schwellenland erheblichen Schuldenstands gilt Indien als verhältnismäßig krisensicher. Die Staatsverschuldung ist in den letzten zwei Jahren von 89 Prozent des BIP auf 83 Prozent gesunken. Zudem ist Indien fast ausschließlich im Inland verschuldet. (kb)


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