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Vontobel zum Potential von Smart Farming in Zeiten von Dürren

Trotz des erst kürzlich unter Vermittlung der Türkei und der UNO mit Russland geschlossenen Abkommen ist die Ukraine in ihren landwirtschaftlichen Produktions- und Exportkapazitäten stark eingeschränkt. Dies befeuert nicht nur die Inflation, sondern gefährdet die Ernährungssicherheit von Millionen.

Farm der Zukunft
Farm der Zukunft© kinwun / stock.adobe.com

"Die Sorge vor einer Verknappung von Nahrungsmitteln und möglichen sozialen Unruhen ist durchaus berechtigt, schließlich ist der Arabische Frühling, der im Dezember 2010 seinen Anfang nahm und in etlichen Staaten im Nahen Osten und Nordafrika für eine Reihe von politischen und sozialen Unruhen geführt hat, vor allem auch auf den Unmut der Bevölkerung über die massiv gestiegenen Lebensmittelpreise zurückzuführen. In diesem Kontext sind die jüngsten Entwicklungen der Nahrungsmittelpreise besorgniserregend, zumal bereits heute rund 2,3 Milliarden Menschen, also etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung, unter mangelnder Ernährung leiden", weiß Elena Tedesco, Portfoliomanagerin bei Vontobel. Sie und ihre Kollegin Analystin Almasa Cormehic, haben sich Spezial-Know How betreffend Smart Farming angeeignet.

Gesunde Ernährung braucht eine produktive, gesunde Umwelt
Um den zusätzlichen Ernährungsbedarf der Weltbevölkerung zu stillen, die gemäß UNO bis 2050 auf rund 9,7 Milliarden Menschen anwachsen soll, muss die Nahrungsmittelproduktion um etwa 70 Prozent steigen. Gleichzeitig stehen die Landwirte vor alten und neuen Herausforderungen: die begrenzte Verfügbarkeit von Ackerland, der steigende Bedarf an Frischwasser, sinkende Ernteerträge und der Verlust der Artenvielfalt. Zunehmende Wetterextreme verschärfen die Situation zusätzlich. Doch ähnlich wie bei den internationalen Bemühungen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung gibt es bereits Initiativen, um Landwirtschaftsbetriebe nachhaltiger aufzustellen und auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Schwerpunkte sind hierbei eine Abkehr von Monokulturen und Pestiziden, eine deutliche Verringerung des Einsatzes von Antibiotika bei Tieren sowie der Einsatz von technologischen Lösungen, die man häufig unter dem Begriff „Smart Farming“ zusammenfasst.

Was Smart Farming wirklich bedeutet
Darunter versteht man eine ganze Reihe umweltfreundlicher und datengestützter Anbaumethoden wie „Precision Agriculture“ (datengestützte Überwachung von Feldern zur frühzeitigen Erkennung von Anomalien wie Krankheiten und zum gezielten Einsatz von Düngemitteln oder Pestiziden), „Vertical Farming“ (Pflanzen, die in Regalen angebaut werden) oder „Aquakulturen“ (Fischfarmen).

An die 20 Prozent Wachstum dieses Marktes pro Jahr
Nach Schätzungen von BIS Research wird der globale Markt für „Smart Farming“ in diesem Jahr ein Volumen von rund 23 Milliarden US-Dollar erreichen, bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 19,3 Prozent seit 2017. Die am schnellsten wachsenden Segmente sind Lösungen für die Überwachung und das Management von Viehbeständen sowie „Indoor Farming“ mit Wachstumsraten von jeweils 19,5 und 19,4 Prozent.

Fünf weitere Teilbereiche des Sektors dürften ebenso erfolgsversprechend sein
- Digitale Landwirtschaft
: Landwirte setzen zunehmend auf spezifische Daten, Sensoren und Robotik zur Steigerung ihrer Erträge. Der Einsatz von Satellitentechnik in den weiten Ebenen des Mittleren Westens der USA ist inzwischen Standard. Big Data eröffnet neue Möglichkeiten für die Einzelkornsaat sowie präzisere Düngungs- und Bewässerungsmethoden.

- Kulturpflanzenforschung, Pflanzen- und Tierwissenschaften: Das Ziel ist es, die Widerstandsfähigkeit von (Nutz-)pflanzen und Viehbeständen gegenüber Krankheiten oder dem Klimawandel zu steigern. Genforschung kann dazu beitragen, spezifische Stärken und Schwächen zu identifizieren, und damit (Nutz-)Pflanzen oder Tiere so zu züchten, dass sie ihre genetische Vielfalt erhalten oder ihre genetische Qualität verbessern.

- Landwirtschaft in kontrollierter Umgebung: Pflanzen werden in Innenräumen angebaut, wo sich Einflussfaktoren wie Wasser, Licht, Temperatur, Feuchtigkeit und Nährstoffkonzentration kontrollieren lassen. Ein Beispiel hierfür ist die vertikale Landwirtschaft, welche die Lebensmittelproduktion in der Nähe von oder in Städten ermöglicht.

- Gesundheit von Tier und Mensch: Die Vorrausetzung für einen gesünderen Lebenswandel sind gesunde Nutztiere. Dafür sind Lösungen wichtig, die Krankheiten verhindern, die Behandlung kranker Tiere verbessern und den Ausbruch von Krankheiten unter Kontrolle behalten. Für Menschen, die auf Fleisch verzichten, entwickeln sind zunehmend Lebensmittel aus pflanzlichen Proteinen mit kontinuierlichen Geschmacksverbesserungen als Alternative.

- Optimierte Lieferketten für Lebensmittel: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO schätzt, dass 30 Prozent der weltweit für den menschlichen Bedarf produzierten Lebensmittel aufgrund ineffizienter Produktion und logistischer Probleme innerhalb der Lieferkette verloren gehen oder im Abfall landen. Außerdem werden viele Lebensmittel, die noch zum Verzehr geeignet sind, weggeworfen oder verderben wegen schlechter Lagerhaltung. Solche Probleme können künftig durch Abfallverfolgungssysteme gelöst werden.

Neue Technologien fördern Ertragssteigerungen und Umweltschutz
Bereits heute bieten viele Unternehmen der Smart Farming-Industrie interessante Ansätze, die Anleger im Auge behalten sollten: Hierzu gehört DSM, ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen, das in den Bereichen Gesundheit und Ernährung von Mensch und Tier sowie pflanzlichen Lebensmittelzutaten tätig ist. Das Unternehmen überwacht Gebiete mit hohem Biodiversitätswert in der Umgebung seiner Standorte (27 Prozent aller Produktionsstandorte grenzen an ausgewiesene Schutzgebiete) und beschafft über anerkannte Zertifizierungssysteme kontroverse Rohstoffe wie Palmölderivate, Holzwerkstoffe, Fischöle und Zucker. Zum Produktportfolio gehört beispielsweise Veramaris, ein natürliches Algenöl, das reich an Omega-3-Fettsäuren ist und kleinere Fische aus Wildfang ersetzen kann. So erspart eine Tonne des Tierfutters auf Algenbasis den Fang von rund 60 Tonnen Wildfisch für die Herstellung von Lachsfutter und schützt so die Artenvielfalt in den Ozeanen. Außerdem trägt DSM zur Reduzierung von Tiernahrungsabfällen bei: Der spezielle Konservierungsstoff VevoVitall bekämpft die Bildung von Pilzen und Hefen im Tierfutter und reduziert damit das Risiko von Salmonellen, Verdauungsstörungen und E.coli-Bakterien für die Tiere.

Weite Beispiele
Deere & Co
ist der weltweit größte Landmaschinenhersteller, der Traktoren und andere landwirtschaftliche Geräte mit Softwareanwendungen anbietet. Die Geräte liefern Landwirte eine Fülle von Daten, mit denen Anomalien wie Pflanzenkrankheiten frühzeitig erkannt und mit denen gezielten Einsatz von Düngemittel oder Pestizide bekämpft werden können. Damit können Landwirte ihre Produktivität und Nachhaltigkeit gezielt steigern, ohne die Umwelt über Gebühr zu belasten. Produktionssteigerungen und eine Lösung des Fachkräftemangels versprechen auch autonome Traktoren, die potentiell 24 Stunden am Tag eingesetzt werden können. Durch die Verbindung von Automatisierung und Analytik kann zudem jede Pflanze auf dem Feld individuell bewertet und über notwendige Maßnahmen auf Mikroebene entschieden werden. Das erhöht die Präzision und verringert gleichzeitig negative Umweltauswirkungen.

Zoetis ist ein führendes Unternehmen im Bereich Tiergesundheit für Nutz- und Heimtiere, das in mehr als 100 Ländern vertreten ist. Im Segmente der Nutztiere konzentriert sich das Unternehmen auf Lösungen in Bereichen wie Präzisionsviehhaltung, Management von Infektionskrankheiten, Lebensmittelsicherheit und Tierschutz, wobei auch ökologisch nachhaltige Praktiken berücksichtigt werden. Dazu bietet das Unternehmen Medikamente, Impfstoffe, Diagnostika, Gentests, biologische Hilfsmittel und Instrumente für die Präzisionsviehzucht an. Diese unterstützen Landwirte, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere individuell zu maximieren. Im Jahr 2018 hat Zoetis einen Anbieter von Ohrmarken-Überwachungssystemen für Milchkühe, Smartbow, übernommen. Mittels dieser Technologie können Landwirte den Standort der Tiere sowie deren Brunst- und Wiederkauverhalten besser überwachen. Die Daten dienen der Analyse und der Verbesserung der reproduktiven Gesundheit, aber auch zur Erkennung von Stress und Krankheiten, um frühzeitig einzugreifen.

Fazit
"Zur Stabilisierung der globalen Ernährungssicherheit und zum Schutz der Artenvielfalt spielen pflanzenbasierte Ernährungsinnovationen eine immer bedeutendere Rolle. Anleger, die in solche Unternehmen investieren, leisten damit einen wirkungsvollen Beitrag zur Weiterentwicklung von Lösungsansätzen, mit denen Ernteerträge gesteigert, Lebensmittelverluste reduziert sowie Waldflächen und Biodiversität gezielter geschützt werden können. Da die Landwirtschaft in der Vergangenheit zu einem der größten Verursacher von Treibhausgasemissionen zählte, sind solche Lösungen für mehr Umweltverträglichkeit in der Lebensmittelkette entscheidende Wegweiser in eine nachhaltigere Zukunft", so die beiden Vontobel-Expertinnen. (kb)

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