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Uwe Burkert/LBBW: "Lebt denn der alte Freihandel noch…?"

Der von diversen Seiten verstärkt seit der Pandemie zu hörende Abgesang auf Freihandel und „Globalisierung“ könnte sich als verfrüht erweisen. Oder die Situation grundsätzlich verkennen, meint Uwe Burkert, Chefvolkswirt und Leiter Research bei der LBBW.

Uwe Burkert, Chefvolkswirt und Leiter Research der LBBW, sagt: "Die
Globalisierung wird meines Erachtens anders, aber nicht zurückgedreht."
Uwe Burkert, Chefvolkswirt und Leiter Research der LBBW, sagt: "Die
Globalisierung wird meines Erachtens anders, aber nicht zurückgedreht."© LBBW

"Sicher wird sich vieles ändern", analysiert Uwe Burkert. "Aber die internationale Arbeitsteilung
hat bei allen Problemen, die sie mit sich bringt, so durchschlagende Vorteile für Unternehmen und Konsumenten in Industrie und Schwellenländern, dass sie durch nichts zu ersetzen ist. Die Geschwindigkeit, mit der gerade die globalen Lieferketten instandgesetzt wurden, ist frappierend. Wären diese rein national organisiert gewesen, wäre im Verlauf der Pandemie
die Wirtschaft einiger Länder, die in einen längeren „Shutdown“ gerieten, zeitweise in Schwierigkeiten geraten, ausreichende Gütermengen bereitzustellen, um die Bevölkerung - auch medizinisch - zu versorgen. Auch die rasanten Fortschritte bei der Entwicklung eines Impfstoffes wären ohne globale Vernetzung undenkbar. Eine kluge internationale Zulieferstrategie ist die beste Diversifizierung gegen nationale wie globale Risiken."

Die Regional Comprehensive Economic Partnership (RECP)
Mit ihrer Unterschrift am 15. November in Hanoi haben inmitten der dynamischsten Wachstumsregion der Welt 15 asiatisch-pazifische Staaten nun eine der größten Freihandelszonen der Welt ins Leben gerufen. Mit den 10 ASEAN-Staaten, China, Japan,
Südkorea, Australien und Neuseeland umfasst die RCEP 2,2 Milliarden Menschen, 30 Prozent des Welt-BIP und 28 Prozent des Welthandels. Neben einem Abbau von Zöllen um 92 Prozent sieht das Abkommen Liberalisierungen im Handel mit Dienstleistungen vor, die
Regelung technischer Standards, den Schutz geistigen Eigentums und vieles mehr. Die RCEP wird den pazifischen Handel weiter beleben und mittelfristig einen messbaren Beitrag zur
Überwindung der Pandemiefolgen leisten.

Noch kein Binnenmarkt und kein politisches Projekt
"Die RCEP hat nicht das Niveau eines Binnenmarktes. Aber auch die EU hat klein angefangen. Ist der erste Schritt gemacht und zeigen sich die Vorteile der Kooperation, kann die RCEP zu einer zunehmenden wirtschaftlichen Integration der Region führen", merkt Uwe Burkert an.

Die Teilnehmerstaaten sind dabei „unideologisch“
Eine Überfrachtung der rein wirtschaftlichen Kooperation mit Vorstellungen bezüglich einer künftigen politischen Einheit gibt es nicht.

Asien übernimmt Führung – Europa sollte am Ball bleiben
Für Europa ist es nun umso wichtiger, eigene Strukturprobleme zu adressieren, um weiterhin offensiv mit der asiatisch-pazifischen Herausforderung umgehen zu können. Burkert dazu: "Eine Abschottungspolitik á la Trump würde uns erheblich schaden. Wohin Isolationismus
führt, zeigt z.B. die Abschottung Chinas von der frühen Neuzeit bis zum Tod Maos, in der das Land wirtschaftlich so ins Hintertreffen geriet, dass es von einer der reichsten zu einer
der ärmsten Nationen der Welt durchgereicht wurde. Erst die Öffnung 1978 brachte wieder Wohlstand." (kb)

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