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Signa: Abwertung von 60 Prozent...

Da Rene Benkos Signa viele Immobilien "sportlich" bewertet hat, könnte nach Einschätzung von Marktbeobachtern nunmehr ein brutaler Kater folgen, der auch hiesigen Banken Kopfweh bereiten könnte.

© Achira22 / stock.adobe.com

Das Upper West am Westberliner Breitscheidplatz nahe der Gedächtniskirche und des Bahnhofs Zoo ist eine von vielen glitzernden Trophäen im Portfolio von René Benkos Edel-Sparte Signa Prime Selection. Der ambitionierte Wert, mit dem das Bürohochhaus in den Büchern steht, verdeutlicht laut einem Bloomberg-Bericht den Kater, der bei der Sanierung des Immobilienimperiums den Beteiligten droht.

Mit 45-facher Miete bewertet
Trotz der Turbulenzen auf den Gewerbeimmobilienmärkten, die durch das Ende der Ära des billigen Geldes ausgelöst wurden, wurde der 35-stöckige Turm Ende letzten Jahres immer noch mit mehr als 700 Millionen Euro bewertet, wie aus einem Bericht des Maklers Jones Lang LaSalle vom April hervorgeht, der Bloomberg News vorliegt. Das ist das 45-fache der Mieteinnahmen des Gebäudes - heute sind eher Multiplikatoren in den Zwanzigern marktüblich.

“Eine aktuelle Bewertung für Signa würde sehr wahrscheinlich zu einem Rückgang von etwa einem Drittel führen”, sagt Peter Papadakos, Chef der Europa-Analyse beim Immobilien-Spezialisten Green Street Advisors.

Abschlag von 60 Prozent
Differenzen zwischen Buchwerten und dem, was tatsächlich am Markt erzielt werden kann, sind in einem boomenden Markt nicht von Belang. Doch wenn die Gläubiger Schlange stehen und ihr Geld zurückbekommen wollen, sind Notverkäufe eine reale Möglichkeit. Und dann steht selbst hinter den wertvollsten Liegenschaften ein Fragezeichen: Die Financial Times berichtete am Freitag, dass die damals schon klamme Signa in diesem Frühjahr einen 50-prozentigen-Anteil am Berliner KaDeWe nur für 300 Millionen Euro verkaufen konnte - das wäre ein Abschlag von 60 Prozent auf dem Buchwert, der für das ganze Haus bei um die 1,5 Milliarden Euro stand.

In diesem Fall könnte ein Realitätscheck sogar einige der Kredite gefährden, die auf den Liegenschaften der Signa Prime lasten. Transaktionen wie diese könnten auch den Gesamtmarkt beeinträchtigen und das Preisniveau insgesamt auf eine Abwärtsspirale setzen, schreibt Bloomberg des Weiteren.

Benkos Investoren im Überblick

Deutschland ist Epizentrum
Der Absturz der Signa-Gruppe, der mit der Insolvenzanmeldung der zentralen Signa Holding vor wenigen Tagen einen ersten Höhepunkt erreichte, verdeutlicht die Position Deutschlands als Epizentrum der europäischen Gewerbeimmobilienkrise. Österreich war für die meist in Wien oder Innsbruck gemeldeten Signa-Firmen schon vor Jahren zu klein geworden, und die meisten ihrer Vermögenswerte stehen beim großen Nachbarn im Norden, dessen Immobilienmarkt noch vor kurzem als sicherer Hafen für Geld aus aller Welt galt.

Als die Zinsen auf dem Tiefststand waren, sorgten wachsende Wirtschaft und schwache Neubautätigkeit für einen raschen Anstieg der Mieten, während die Mietrenditen mit den Zinsen in den Keller rasselten. Zusammen mit billigem Geld im Überschuss verleitete dies Investoren wie Benko dazu, die Immobilienwerte in immer lichtere Höhen zu treiben.

Die deutschen Banken, die von der Immobilienkrise während der Finanzkrise 2008 weniger stark betroffen waren, kurbelten das Geschäft mit an. Laut einer Studie der Bayes Business School vergaben deutsche Kreditinstitute routinemäßig Kredite für Gewerbeimmobilien in Höhe von bis zu 80 Prozent des Immobilienwerts, verglichen mit etwa 60 Prozent in Großbritannien. Das könnte sich jetzt rächen

Deutsche Immobilienkredite werden jetzt auf dem Sekundärmarkt für zwischen 30 Cent und 70 Cent pro Euro Nominale gehandelt. “Das sind große Korrekturen”, sagte Papadakos. “Wir sprechen hier nicht von Rundungsfehlern.”

Dominierende Bewertungsergebnisse

Benko zeigte Größe
Benko hat auch bei Branchentreffen regelmäßig geklotzt, nicht gekleckert. Signas 62-Meter-Yacht Roma wurde noch auf der diesjährigen Mipim-Konferenz in Cannes auffallend in Szene gesetzt, während der Stand von Signa auf der Expo Real in München im Oktober zu den größten gehörte.

Die Bewertungen spiegeln diese robuste Haltung wider. In einem Gutachten der BNP Paribas Real Estate für ein Kaufhaus, das an Signas Warenhauskette Galeria vermietet ist - die schon zwei Insolvenzen hinter sich hat - macht auf Wunsch des Auftraggebers explizit die “besondere Annahme”, dass der Mieter über die gesamte Laufzeit des Vertrags diese Miete zahlen können wird.

“Die Bewertung basiert auf der besonderen Annahme, dass der Mieter das Kaufhaus bis zum Ablauf des Mietvertrags betreibt”, heißt es in den Erläuterungen zu der Bewertung. Und weiter: die Berechnung eines Ausfalls wurde “vom Kreditgeber und der finanzierenden Bank ausdrücklich nicht gewünscht”.

Top-Immobilien gewannen stark an Wert
Mit dem Immobilienboom in Deutschland stiegen Signas Gewinne und Benkos Vermögen. Das KaDeWe hatte Signa Ende 2012 für rund eine halbe Milliarde Euro von einer Investorengruppe gekauft, hinter der unter anderem Goldman Sachs und die Deutsche Bank standen. Zuletzt stand es mit rund dem Dreifachen in den Büchern. Ähnliche Vervielfachungen sind von anderen Objekten bekannt, in Wien etwa dem heutigen Park Hyatt Hotel und der Jugendstil-Postsparkasse.

Als Preise noch in einer Aufwärts-, und Zinsen in einer Abwärtsspirale waren, erlaubten die steigenden Buchwerte Signa höhere Beleihungen, die dann wieder in neue Zukäufe gesteckt werden konnten. Die niedrigen Renditen hatten allerdings auch zur Folge, dass das Portfolio relativ kleine Geldflüsse in die Kasse spülte. Gleichzeitig hatte die Signa Prime Bauprojekte wie den Hamburger Elbtower im Programm - budgetierte Kosten insgesamt fast eine Milliarde Euro - die immer mehr laufende Zahlungen verschlangen. Als die Baukosten zuletzt begannen zu explodieren, wurde der toxische Mix fatal.

Bauprojekte kommen teuer
Das wird jetzt auch ein Problem für die Gläubiger. Bestandsobjekte generieren Mieteinnahmen, die zur Schuldentilgung verwendet werden können, was Spielraum für einen geordneten Verkauf gibt. Halbfertige Baustellen wie der Elbtower sind hingegen eine Belastung.

Benko kaufte das Upper West im Jahr 2017 als Teil eines Portfolios von der RFR Holding des US-Immobilienmoguls Aby Rosen, mit dem Signa auch das Art-Déco-Wahrzeichen Chrysler Building in New York gehört. Die unteren Geschosse des Upper West sind Einkaufsflächen, es gibt ein Motel One Hotel und im übrigen vor allem Büros - unter anderem Signas eigene Berlin-Repräsentanz und ironischerweise die Anwaltskanzlei Görg, deren Partner Torsten Martini gerade zum Insolvenzverwalter der Signa-Prime-Tochter Signa Real Estate Management Germany ernannt wurde.

Laut Bondprospekten und Investoren-Präsentationen stand die Liegenschaft Ende 2018 mit 571 Millionen Euro in den Büchern der Signa Prime. Ende 2020 waren es schon knapp 620 Millionen Euro. Aber selbst nach dem beispiellosen Zinsanstieg seit letztem Sommer sehen die Bewerter der Signa Prime keinerlei Wertverlust. Die jüngste Bewertung von über 700 Millionen Euro bedeutet bei Mieteinnahmen von 16,4 Millionen Euro eine Mietrendite von 2,2 Prozent - das ist weniger als die rund 2,4 Prozent Rendite zehnjähriger Bundesanleihen. Top-Bürolagen in Berlin werden derzeit laut Daten von Green Street eher mit 4,0 Prozent Mietrendite bewertet.

Um die Zahlen in Einklang mit dem Markt zu bringen, müsste die Bewertung massiv gesenkt oder die Mieten entsprechend erhöht werden - oder eine Mischung aus beidem. Zugegebenermaßen sind die Büromieten im Upper West derzeit nicht am oberen Ende vergleichbarer Räumlichkeiten in Berlin, es gibt also einen gewissen Spielraum, wenn Verträge auslaufen.

Wenige Transaktionen erschweren Anlegern die Orientierung
Was die Situation nicht einfacher macht, ist der Mangel an Immobilienverkäufen am deutschen Markt, die Bewertungen objektivieren könnten.

Laut den Immobilienanalysten von Avison Young gab es in den ersten neun Monaten des Jahres nur 15,1 Milliarden Euro an Transaktionen im Sektor, ein Rückgang von fast zwei Dritteln gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Bei Büroflächen ist der Rückgang noch stärker: Sie kamen auf nur 3,5 Milliarden Euro, verglichen mit einem Fünfjahresdurchschnitt von 18,7 Milliarden Euro.

Möglich, dass ein Grund die Zurückhaltung von Verkäufern angesichts der niedrigen Preise ist und die tatsächlichen Marktwerte noch niedriger liegen - was für Signa und seine Gläubiger ein weiterer Rückschlag wäre.

Auf dem Upper West lastet etwa eine Hypothek von 300 Millionen Euro. Vor nicht allzu langer Zeit war das ein Beleihungsauslauf von etwa 50 Prozent und damit nicht übermäßig aggressiv. Laut Bloomberg ist es fraglich, wieviel Puffer zwischen dem Wert der Liegenschaft und dem Kredit noch übrig ist - und was steigende Kreditkosten für den Zinsendienst aus den Mieteinnahmen bedeuten könnten.

“Die nicht börsennotierten Immobilienfirmen waren bei der Korrektur ihrer Bewertungen nicht ganz so großzügig”, sagt Papadakos. “Ich denke, dass es dort am meisten wehtun wird.” (aa)

Banken, die Signa Geld geborgt haben - eine Auswahl

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