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Schumpeter und Handelstarife: Freihandel erfordert harte Bandagen

Freihandel schafft Wohlstand - diese alte Devise gilt nach wie vor. Aber der Freihandel setzt auch voraus, dass sich alle an dieselben Spielregeln halten. Wenn das nicht der Fall ist, können vorübergehende Handelsbarrieren manchmal gerechtfertigt sein, erläutert Dr. Ernst Konrad.

Was hätte Schumpeter zu Zöllen auf chinesische E-Autos wohl gesagt? Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz, macht sich dazu seine Gedanken.
Was hätte Schumpeter zu Zöllen auf chinesische E-Autos wohl gesagt? Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz, macht sich dazu seine Gedanken.© Eyb & Wallwitz

Die Elektromobilität stellt einen wachsenden Markt und eine sich noch entwickelnde Industrie dar, die für die Zukunft von strategischer Bedeutung ist. In der EU machen E-Autos zwar erst knapp 15 Porzent der Neuzulassungen aus, aber die Dynamik im Sektor ist bemerkenswert. Auch in den USA ist der Marktanteil noch gering, aber auch hier wächst der Markt.

Die Elektromobilität gilt als einer der großen Zukunftstrends
"China hat es sich zum Ziel gesetzt, in diesem Zukunftstrend eine Technologieführerschaft zu übernehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, subventioniert es die Hersteller im eigenen Land stark, die dann ihre Produkte zu stark reduzierten Preisen nach Europa oder die USA exportieren, zum Leidwesen der dortigen Unternehmen, die nicht mit den niedrigen Preisen konkurrieren können", analysiert Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz.

Die nun beschlossenen Strafzölle hätten das Ziel, europäische und amerikanische Unternehmen vor diesen unfairen Praktiken zu schützen und ihnen eine Atempause zu gewähren. Mit einem starken Anheben der Einfuhrzölle schütze man nun die eigene Industrie, indem man den Wettbewerb aussperre.

Was Schumpeter zu solch einer Vorgangswiese wohl gesagt hätte .....
Aus Schumpeters Perspektive lasse sich die Einführung von E-Auto-Tarifen der USA und EU gegen China vielschichtig bewerten, so Dr. Ernst Konrad weiter. "Schumpeter, bekannt für seine liberalen Ansichten, könnte die Maßnahme zur Abschirmung einer sich entwickelnden Industrie durchaus als gerechtfertigt ansehen – aber nur vorübergehend. Hierbei kommt das Konzept der „infant industry“ ins Spiel, das ursprünglich von Friedrich List geprägt wurde. Es besagt, dass junge Industrien vorübergehend geschützt werden sollten, um ihnen eine faire Chance zu geben, sich zu entwickeln und konkurrenzfähig zu werden. Ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie ist Airbus, das durch staatliche Subventionen beziehungsweise den Ausgleich von Verlusten in seiner frühen Unternehmensphase zu einem bedeutenden Akteur im Luftfahrtmarkt heranwachsen konnte. Ein negatives Beispiel ist die deutsche Solarbranche, die ohne Schutz nach einer starken Anfangsphase nicht mit Dumpingpreisen aus Fernost mithalten konnte und fast vollständig aufgerieben wurde."

Warnung vor negativen Folgen eines überdosierten Protektionismus
Allerdings würde Schumpeter auch vor den negativen Folgen einer Überdosierung des Protektionismus warnen. "Handelskriege führen typischerweise dazu, dass alle Beteiligten verlieren. Freihandel sorgt für Spezialisierungen und Wohlstandsgewinne. Der länderübergreifende Wettbewerb sorgt dafür, dass Monopolisten innovativ bleiben müssen, wenn Sie sich gegen Herausforderer behaupten wollen. Wenn dieser Wettbewerb eingeschränkt wird, kann es für Unternehmen profitabler sein, sich auf das Geschäft zu konzentrieren, in dem man die höchsten Zuschüsse bekommt oder am wenigsten Konkurrenz zu fürchten hat. Die schöpferische Zerstörung erlahmt", gibt Dr.Konrad zu bedenken.

Negativspirale könnte in Gang gesetzt werden
Konkret könnte die Einführung von Zöllen und Handelsbarrieren eine Spirale in Gang setzen, deren Ende schwer abzuschätzen ist. Wenn die Nachteile zu groß werden, könnte die Polarisierung zwischen Handelsblöcken zunehmen, was insbesondere für exportabhängige Länder wie Deutschland gefährlich ist. Konrad dazu: "Deutschland profitiert vom Handel mit allen Blöcken und muss einen Spagat zwischen den Interessen Chinas und der USA schaffen."

Wenn Regeln von Handelspartnern nicht eingehalten werden
Und wenn noch dazu unlautere Praktiken überhandnehmen, müssen sich betroffene Länder auch zur Wehr setzen dürfen. Dafür hätte auch Schumpeter vermutlich Verständnis, kann sich Konrad vorstellen. "Durch temporäre Handelsbarrieren können europäische und amerikanische Unternehmen ihre eigene Produktion stärken und ihre Marktposition festigen."

Strategischer und gezielter Support - und nicht mehr
Die Unterstützung der E-Auto-Industrie durch staatliche Maßnahmen sollte allerdings nur strategisch und gezielt erfolgen, um künstliche Eingriffe in den Markt, wie chinesische Übersubventionierung, auszugleichen. Dementsprechend müssen die Handelsbarrieren auch zeitnah wieder abgebaut werden, sollten die Subventionen enden. Zumal die Elektromobilität einen Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität darstellt. Künstlich überhöhte Preise aufgrund von weniger Wettbewerb behindern dagegen die Verbreitung von E-Autos.

Résumé
Dr. Konrad: "Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Schumpeter zwar protektionistische Maßnahmen zur Unterstützung einer sich entwickelnden Industrie wie der Elektromobilität temporär vermutlich gutheißen, aber auch vor den langfristigen Gefahren eines eskalierenden Handelskonflikts warnen würde. Die Balance zwischen Schutz und Freihandel ist entscheidend, um den Wohlstand und die technologische Wettbewerbsfähigkeit zu sichern." (kb)

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