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Schlüsselrisiken bei Coco-Anleihen: Sind Kupons in Gefahr?

Fast die Hälfte der Unternehmen im FTSE 100 hat Dividendenzahlungen entweder gekürzt, gestrichen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Nicht anders sieht es im europäischen Bankensektor aus, weiß Lidia Treiber, Director Research bei WisdomTree. Was bedeutet das für Contingent Convertibles?

Lidia Treiber, Director Research bei WisdomTree
Lidia Treiber, Director Research bei WisdomTree© WisdomTree

Die Europäische Zentralbank forderte die Banken der Eurozone auf, Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe in diesem Jahr zu stoppen, um vor dem wirtschaftlichen Hintergrund von Covid-19 zur Erhaltung der Liquidität beizutragen. Die gute Nachricht lautet: Die Aufsichtsbehörden haben die Banken bislang nicht aufgefordert, die Kuponzahlungen ihrer ausstehenden AT1 CoCos (Additional Tier 1 Contingent Convertible Bonds) einzustellen.

Aufsichten fürchten bei CoCo-Bond-Kuponaussetzungen Folgewirkungen
"Wenn man die Banken zwingen würde, die Kuponzahlungen ihrer AT1 CoCos zu stoppen, könnte dies die Kreditspreads anderer Teile innerhalb der Kapitalstruktur der Bank aus dem Gleichgewicht bringen und zu einer Spread-Ausweitung auch bei den vorrangigen Bankschulden führen, wenn sich Investoren Sorgen um die Finanzlage der Banken machen", analysiert Lidia Treiber, Director Research bei WisdomTree. "Die Aufsichtsbehörden erwägen möglicherweise ihre Maßnahmen vor dem Hintergrund des Risikos, dass bestimmte Instrumente inmitten der bestehenden Weltwirtschaftskrise zu einer Notlage im Bankensystem führen könnten."

Drei Schlüsselfaktoren gilt es zu beobachten
1. Bail-in-Risiko (Abschreibung oder Aktienumwandlung)
: Obwohl dies angesichts der Marktunsicherheit bezüglich der wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 und steigender Rückstellungen für Kreditverluste bei Banken weltweit nach wie vor ein zentrales Risiko darstellt: Dieses Risiko erscheint derzeit aufgrund der Berichte über hohe Kapitalquoten europäischer Banken etwas abgeschwächt zu sein, meint Treiber. Die harte Kernkapitalquoten (Common Tier 1) der europäischen Banken seien im Verhältnis zu ihren maximalen Trigger-Quoten, die typischerweise bei 5,125 und 7,0 Prozent liegen, relativ hoch. Es sei wichtig anzumerken, dass AT1 CoCos es einem Aufsichtsorgan ermöglichen festzustellen, wann die Zahlungsunfähigkeit einer Bank erreicht ist und eine gesetzliche Rettungsmaßnahme erforderlich ist. In der Vergangenheit haben die Aufsichtsbehörden diesen Weg mit Bedacht beschritten, da dies zu einem Mangel an Klarheit für diese Anlageklasse führen könnte.

2. Kuponausfallrisiko: Dieses erscheint derzeit begrenzt, mein Treiber, da die bei den Banken gemeldeten hohen Kapitalquoten ein positiver Indikator dafür sind, dass diese ihre Kapitaladäquanzanforderungen erfüllen, da sie nach Ansicht der Aufsichtsbehörde weiterhin Kupons zahlen. Interessant ist es, dass CoCo-Coupons einem maximal ausschüttbaren Betrag unterliegen, wenn sie annulliert werden müssen. Dies soll sicherzustellen, dass die Banken die erforderlichen Kapitalpuffer beibehalten. Kleinere Regionalbanken könnten in diesem Bereich einem größeren Druck ausgesetzt sein, da sie möglicherweise über geringere Puffer und einen eingeschränkteren Zugang zu den Kapitalmärkten verfügen als größere Banken mit höheren Kapitalpuffern.

3. AT1 CoCos, die nicht zum ersten Call abgerufen werden (Verlängerungsrisiko): Dieses Risiko steigt, da die Kreditmärkte mit einer breit angelegten Neubewertung des Risikos konfrontiert sind und die Renditen seit den Tiefstständen vom Januar 2020 gestiegen sind. Banken, die AT1 in den nächsten 12 Monaten abrufen, können sich für eine Verlängerung bis zum nächsten Abruftermin entscheiden, da die Kosten für Neuemissionen inmitten des Marktumfelds erheblich gestiegen sind.

Was 2019 punkto First Calls geschah....
Treiber dazu: "Im vergangenen Jahr riefen die meisten Emittenten ihre AT1 CoCos im Vorfeld ihrer ersten Calls in den Fällen zurück, in denen sie wirtschaftlich sinnvoll waren. Sie ersetzten in vielen Fällen bestehende CoCos durch Neuemissionen. Banco Santander bildete die Ausnahme, da sie einen ihrer auf Euro lautenden AT1-CoCos beim ersten Call nicht zurückzahlten, es kurz danach bei ihren auf US-Dollar lautenden AT1-CoCos jedoch zur Rückzahlung kam."

....und wie es 2020 bis dato aussieht
Im Jahr 2020 beschloss zuletzt die Deutsche Bank (DB), ihre auf US-Dollar lautenden AT1-CoCos bei ihrem ersten Kündigungstermin im April 2020 nicht zu „callen“, also auf deren Rückzahlung zu verzichten. Der nächste Kündigungstermin für diese AT1 CoCos scheint in 5 Jahren anzustehen, und die DB könnte beschließen, diese Anleihen dann zurückzuzahlen, wenn sich die Marktbedingungen möglicherweise weiter normalisiert haben.

Kann man jetzt in CoCos investieren?
Die fundamentale Kreditstärke und die Beratung durch die Aufsichtsbehörde seien wichtige Aspekte, bei der Prüfung der Frage, welche Emittenten besser in der Lage sind, den aktuellen Marktbedingungen standzuhalten, weiß Treiber: "Investoren, die mit den Kreditgrundlagen der europäischen Banken vertraut sind und glauben, dass die Aufsichtsbehörden Schritte unternehmen könnten, um den europäischen Banken während der Covid-19-Krise bei der Vermeidung systemischer Risiken zu helfen, können diese Assetklasse aktiv in Betracht ziehen. Allerdings nuss sich ein Investor in dieser Assetklasse erst wirklich wohlfühlen, bevor er eine Allokation vornimmt." (kb)

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