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Risikofaktoren und Renditechancen im Lichte von Covid-19 bei EMD

Mit Blick auf COVID-19 haben viele Schwellenländer im Vergleich zu Industrieländern relativ gut abgeschnitten. Eine geringere internationale Reisetätigkeit gab ihnen mehr Zeit zur Vorbereitung, sagt Peter Eerdmans, Head of Fixed Income und Co-Head Emerging Market Sovereign & FX bei Ninety One AM.

Peter Eerdmans, Head of Fixed Income und Co-Head Emerging Market Sovereign & FX bei Ninety One Asset Management.
Peter Eerdmans, Head of Fixed Income und Co-Head Emerging Market Sovereign & FX bei Ninety One Asset Management.© Ninety One AM

NIcht zuvergessen sind die Vorbereitungsmaßnahmen, die in vielen Teilen Asiens und Afrikas getroffen wurden, um die Früherkennung von SARS beziehunsgweise Ebola zu erleichtern. Sie führten dazu, dass viele dieser Länder zu den letzten gehörten, die eine flächendeckenden Ausbreitung erlebten, weiß Peter Eerdmans, Head of Fixed Income und Co-Head Emerging Market Sovereign & FX bei Ninety One Asset Management. "Auch wenn noch viel Unsicherheit besteht, sind wir der Meinung, dass die Auswirkungen der Pandemie auf die Schwellenländer insgesamt wahrscheinlich moderater sein werden als in den entwickelten Märkten. Dies ist zum Teil den frühzeitigen Lock-down-Maßnahmen zu verdanken. Entscheidend ist jedoch, dass eine günstige demografische Entwicklung die Sterblichkeitsrate erheblich senken dürfte."

Günstigere Demographie hilft den Schwellenländern
Eine langsame und stetige Erholung der Weltwirtschaft, die sich jetzt abzuzeichnen scheint, wird ebenfalls dazu beitragen, den durch die Krise verursachten Schaden zu begrenzen. Selbst bei einem vorsichtigen Szenario für die weltweite wirtschaftliche Erholung schätzen die Experten von Nintey One, dass die Mehrheit der Schwellenländer den Sturm überstehen kann, insbesondere unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit von Liquiditätshilfen des IWF. Es ist jedoch kein einheitliches Bild, da sich das Epizentrum der Pandemie nun nach Südasien und Lateinamerika verlagert hat und die Verwundbarkeit in mehreren Ländern in jeder dieser Regionen deutlich wird.

Insgesamt effektivere Lockdown-Maßnahmen
Eine wesentliche Erkenntnis aus der COVID-19-Pandemie ist, dass Ausgangsbeschränkungen die Ausbreitung verlangsamen und das exponentielle Wachstum der Infektionszahlen stoppen können. Sie haben sich in Ostasien und Osteuropa als besonders effektiv herausgestellt. Zwar war die Reduzierung der Infektionszahlen ähnlich erfolgreich wie in Westeuropa, im Vergleich wurden jedoch deutlich weniger Todesfälle verzeichnet. Dies ermöglichte die Lockerung der Beschränkungen und die beginnende Rückkehr zur Normalität in den Schwellenländern, insbesondere in Ostasien.

Durchsetzung von Lockdown-Maßnahmen als Herausforderung
Für einige Emerging Markets stellt die Durchsetzung von Lockdown-Maßnahmen jedoch eine größere Herausforderung dar. Dies gilt insbesondere für Länder mit unzureichender sozialer Absicherung und relativ schwachen Institutionen - beide Faktoren spielen eine entscheidende Rolle für eine effektive Umsetzung von staatlichen Gegenmaßnahmen. Die weitere Umsetzung der Lockdown-Maßnahmen in den Schwellenländern wird von der zugrunde liegenden Infektionssterblichkeit („Infection Fatality Rate”, IFR) und den mit den Maßnahmen einhergehenden Gesundheitskosten abhängen.

Junge Bevölkerung
Die tatsächlichen Sterblichkeitsraten in den verschiedenen Ländern werden erst nach dem Ende der Pandemie verfügbar sein. Aus den meisten Schätzungen für die Industrienationen ergibt sich jedoch eine Infektionssterblichkeit von ca. 0,5-1,0 Prozent. Mehrere Gründe sprechen für eine höhere Sterblichkeit in Schwellenländern, darunter die höhere Verbreitung einschlägiger Vorerkrankungen und das schwächere Gesundheitswesen, insbesondere mit Blick auf die Intensivversorgung. Es gibt jedoch auch Argumente für eine geringere Sterblichkeit. Es gibt Anzeichen für eine Korrelation zwischen der demografischen Struktur eines Landes und der Sterblichkeitsrate. Das Alter der Patienten und altersbedingte Vorerkrankungen sind nach aktuellem Kenntnisstand die wichtigsten Risikofaktoren. In New York entfallen ca. 25 Prozent der Erkrankungen auf die Altersgruppe der über 60-Jährigen, jedoch machen sie 75 Prozent der Todesfälle aus.

Niedrigeres Durchschnittsalter hilft bei den Überlebensraten
Sollte sich dieser Zusammenhang bestätigen, könnte die Infektionssterblichkeit in vielen Schwellenländern, insbesondere in Afrika, wesentlich geringer ausfallen als in den Industrieländern mit höherem Durchschnittsalter. Bisher wurden kaum Studien zu diesem Thema durchgeführt. In Fachkreisen geht man jedoch zunehmend von der Altersstruktur als entscheidendem Faktor für die Infektionssterblichkeit aus. So wurde in einem aktuellen Bericht der WHO die Altersstruktur in Afrika als günstiger Faktor erwähnt und das Modell der geht von einer Infektionssterblichkeit von 0,3 - 0,4 Prozent aus - etwa der Hälfte des Werts in den Industrienationen. Über Wechselwirkungen von COVID-19 mit anderen Risikofaktoren sind derzeit noch keine Aussagen möglich. Es gibt kaum Studien zu den Auswirkungen des Coronavirus auf Patienten mit Unterernährung, HIV-Infektionen, Tuberkulose oder sonstigen Krankheiten, die eine höhere Verbreitung in Schwellenländern aufweisen.

Wirksamkeit von Eindämmungsmaßnahmen entscheidend
Für eine wirtschaftliche Öffnung und zur Vermeidung eines erneuten Lockdown mit entsprechenden ökonomischen Konsequenzen müssen die Länder den Ausbruch eindämmen und unter Kontrolle bringen. Hierfür sind hohe Testquoten und eine moderne Nachverfolgungstechnik erforderlich. Manche Länder werden diese Herausforderung besser meistern als andere. Lange und wiederholte Lockdowns stellen ein wesentliches Risiko für Länder ohne effektive Eindämmungsmaßnahmen dar. Die Folgen sind eine Belastung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und eine Verzögerung der wirtschaftlichen Erholung. Zudem ist aufgrund länger andauernder Unterstützungsmaßnahmen für den Privatsektor mit erhöhten Staatsausgaben zu rechnen und die Steuereinnahmen fallen über einen längeren Zeitraum geringer aus. Die Auswirkungen auf Staatshaushalt und Wirtschaftswachstum werden die Schuldentragfähigkeit beeinträchtigen. Im Gegensatz dazu können Länder, die effektive Eindämmungsmaßnahmen ergriffen haben, zu einer neuen wirtschaftlichen Normalität übergehen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sich die unterschiedlichen Reaktionen auf die COVID-19-Pandemie nicht nur in den wirtschaftlichen Fundamentaldaten, sondern auch in der Bewertung von Vermögenswerten widerspiegeln werden.

Der Rezession standhalten
Die Entwicklung der Weltwirtschaft in den kommenden Monaten ist entscheidend für die ökonomische Perspektive der Schwellenländer. Die tiefe globale Rezession infolge der COVID-19-Pandemie stellt bereits jetzt eine wesentliche Herausforderung dar. Ebenso wie die Industrienationen haben die Schwellenländer mit steigender Arbeitslosigkeit, rasant sinkenden privaten und öffentlichen Einnahmen sowie notleidenden Krediten im Bankensektor zu kämpfen. Zudem ist eine Kapitalflucht aus Emerging Markets zu beobachten, die sich negativ auf die Wertentwicklung von finanziellen Vermögenswerten und Währungen auswirkt. Andererseits haben geld- und haushaltspolitische Fördermaßnahmen die wirtschaftlichen Folgen abgemildert. Dies wirkt sich jedoch auf die Staatshaushalte der Schwellenländer aus und verschlechtert die Staatsverschuldung.

Langsame und holprige Erholung der Weltwirtschaft am wahrscheinlichsten
Peter Eerdmans dazu: "Die wirtschaftliche Aktivität wird voraussichtlich im laufenden 2. Quartal ihren Tiefststand erreichen und sich anschließend positiv entwickeln, obwohl sie hinter dem Vorjahresniveau zurückbleiben wird. Insgesamt gehen wir davon aus, dass das BIP-Wachstum erst in der 2. Jahreshälfte 2021 auf das Niveau des Jahres 2019 zurückkehren wird."

Jedes Land ist anders
Nach Auffassung von Ninety One ist eine länderspezifische Analyse der Auswirkungen von COVID-19 von entscheidender Bedeutung, da die Länder unterschiedliche Schwachstellen aufweisen. Einige Länder stehen aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Ölpreis vor einer Solvenzkrise, sollte dieser länger auf einem historisch niedrigen Niveau bleiben. Andere weisen eine Abhängigkeit vom Tourismus auf. Zudem gibt es Länder, die auf die wirtschaftliche Erholung in China oder in den USA angewiesen sind. Auch die ökonomischen Ausgangsbedingungen unterscheiden sich deutlich, standen doch einige Länder schon vor Ausbruch der Coronakrise unter Druck.

Viele Länder sind in der Lage, der Krise zu trotzen
Dabei handelt es sich um Staaten, die bereits vor der Krise gute Fundamentaldaten aufwiesen und in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung verzeichnet haben. Dies umfasst unter anderem Leistungsbilanzüberschüsse, moderates Kreditwachstum und umsichtige Zentralbanken, die die Inflation unter Kontrolle gebracht und so durch niedrigere Kapitalmarktzinsen zu einer Reduzierung der Kreditkosten beigetragen haben. Zudem wiesen viele Schwellenländer vor der Krise im Vergleich zu den Industrienationen eine wesentlich moderatere Staatsverschuldung, gemessen am BIP, auf. Trotz des Anstiegs der Verschuldungsquoten aufgrund der aktuellen Rezession werden sie auch nach der Krise weit unter einem kritischen Niveau liegen. "Wir rechnen mit einem durchschnittlichen Anstieg der Verschuldungsquoten von Schwellenländern auf 50 bis 60 Prozent", sagt Eerdmans.

Ausfallgefährdete Märkte
Hier handelt es sich um Frontier-Märkte, in denen die Spreads auf Dollarschulden bei den jüngsten Marktturbulenzen auf über 1.000 Basispunkte angestiegen sind. Diese Länder sind üblicherweise nicht Teil des Local-Currency-Universums. Das Ausfallrisiko dieser Länder ist hoch oder sie sind bereits in Zahlungsverzug geraten (z.B. Venezuela, Libanon und Ecuador). Eerdmans dazu: "Wir gehen davon aus, dass in ungefähr der Hälfte dieser Länder für eine nachhaltige Schuldenquote eine Umschuldung notwendig sein wird. Andere Länder stehen vor herausfordernden Zeiten, doch mit Unterstützung des IWF und durch Schuldenmoratorien seitens Gläubigern wie der Weltbank, dem Pariser Club und China könnten Verschuldungskrisen vermieden werden. Dazu gehören Länder wie die Ukraine und Angola, die wir beide in unseren Portfolien halten."

Auch in Ländern, in denen Umschuldungen bevorstehen oder bereits umgesetzt werden, gibt es nach Einschätzung von Ninety One weiterhin Investitionsgelegenheiten. So erwarte man, dass in mehreren Ländern die Bewertungen nach einer Umschuldung über den aktuellen Anleihekursen liegen werden. Dies gelte unter anderme Ecuador, Sambia und Argentinien, die man in den Portfolien halte.

Staaten mit Haushaltsproblemen
Eine weitere Gruppe umfasst Länder, die zwar nicht in eine finanzielle Schieflage geraten sind, aber vor wesentlichen haushaltspolitischen Herausforderungen stehen. Dabei handelt es sich typischerweise um Länder, die bereits vor der Coronakrise einen Negativtrend aufwiesen. Zu dieser Gruppe gehören etwa größere Emerging Markets wie Südafrika, Brasilien, Indien und die Türkei. Eerdmans: "Nach unserer Einschätzung besteht für keines dieser Länder ein unmittelbares Ausfallrisiko. Sie verfügen über eine ausreichende Markttiefe, um sich selbst finanzieren zu können, sowie über den finanziellen Spielraum für eine Stützung der Wirtschaft und der Rentenmärkte. Dennoch verfolgen wir in unseren Portfolios in dieser Länderkategorie einen vorsichtigen Ansatz. Nach dem Ende der Coronakrise können diese Länder nur durch umfassende Reformen wieder an die für Emerging Markets typische Outperformance gegenüber Industrieländern anschließen."

Attraktive Bewertungsniveaus
Der massenweise Abverkauf im März 2020 war enorm. Die Verkäufe erreichten ein Rekordniveau, wodurch die Marktliquidität regelrecht versiegte und die Krise zusätzlich angefacht wurde. Durch das Eingreifen der Fed, der EZB und weiterer Zentralbanken sowie durch staatliche Fiskalmaßnahmen konnten die Märkte zwischenzeitlich gestützt werden. Auch die Aussicht auf eine Lockerung der Lockdown-Maßnahmen trug zur Beruhigung der Märkte bei. Obwohl sich Schwellenländeranleihen seit März erholt haben, bietet die Assetklasse nach Auffassung von Ninety One weiterhin attraktive Bewertungen im Vergleich zur historischen Wertentwicklung und zu anderen Assetklassen.

Welche Investitionsgelegenheiten bieten das beste risikobereinigte Renditepotential?
Das ist abhängig von den wirtschaftlichen Perspektiven in den einzelnen Schwellenländern. Vor dem Hintergrund dieser komplexen Gemengelage ist Selektivität der entscheidende Faktor für die Realisierung von Wertsteigerungspotenzialen.

Fazit
Frühzeitig ergriffene Eindämmungsmaßnahmen und das allgemein niedrigere Durchschnittsalter verschaffen vielen Schwellenländern einen relativen Vorteil bei der Krisenbewältigung. Die aktuelle Rezession betrifft alle Schwellenländer weltweit. Sie ist nicht die Folge einer exzessiven Finanzpolitik und Irrationalität während einer Hausse. Im Vergleich zu vergangenen Rezessionen weisen Schwellenländer derzeit insgesamt bessere Fundamentaldaten auf. Viele Schwellenländer haben ihre Lehren aus den Kursverwerfungen nach dem sogenannten „Taper Tantrum“ im Jahr 2013 gezogen und ihre Wirtschaft umfassend reformiert. Eerdmans: "Nach unserer Einschätzung erfüllen Emerging Markets die Voraussetzungen für eine schnelle Erholung."

Es bestehen Unsicherheiten über einen gangbaren Weg aus der Rezession
"Wir gehen aktuell von einem vorsichtigen Basis-Szenario für die wirtschaftliche Erholung nach der Krise aus. Selbst in diesem Szenario rechnen wir damit, dass die meisten Schwellenländer gut aus der Krise kommen werden, insbesondere unter Berücksichtigung der Unterstützung durch den IWF. Wir halten die aktuellen Bewertungen für attraktiv - auch in den wenigen, besonders betroffenen Ländern. Dort sehen wir Wertsteigerungspotential auch im Falle einer Umschuldung", hält Eerdmans fest.

Selektivität erfolgsentscheidend
Unter Berücksichtigung der Fundamentaldaten in Verbindung mit den aktuellen Bewertungen ergeben sich bei Schwellenländeranleihen einzigartige Einstiegschancen für langfristig denkende Investoren. Welche Investitionsgelegenheiten das beste risikobereinigte Renditepotential bieten, ist abhängig von den wirtschaftlichen Perspektiven in den einzelnen Schwellenländern. Vor dem Hintergrund dieser komplexen Gemengelage ist Selektivität der entscheidende Faktor für die Realisierung von Wertsteigerungspotentialen. (kb)

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