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Peter E. Huber sieht für 2022 zwei antizyklische Megachancen

Die Aktienmärkte haben seit der pandemiebedingten Ausverkaufsphase Ende März des letzten Jahres eine eindrucksvolle Aufwärtsbewegung hingelegt. Kein Wunder, dass es deshalb vielen etwas mulmig wird und Experten vor Rückschlägen warnen. Langfristig sind Aktien aber noch immer billig, meint Huber.

Investment-Urgestein Peter E. Huber  
Investment-Urgestein Peter E. Huber  © Christoph Hemmerich / FONDS professionell

Ansätze für krisenhafte Entwicklungen gibt es aktuell zuhauf: Corona-Pandemie, öffentliche Schuldenexzesse, Inflationsgefahren, Lieferkettenprobleme, Kalter Krieg zwischen USA und China, Klimakrise und noch einiges mehr. Sollte irgendwo die Lage eskalieren, scheint ein Kursdebakel vorprogrammiert. Ob und wann es allerdings zu einer stärkeren Kurskorrektur an den Börsen kommt, steht in den Sternen. Peter E. Huber dazu: "Leider haben wir keine Kristallkugel. Die Märkte sind hocheffizient und neue Informationen oder Erwartungen werden sofort eingepreist. Kurz- und mittelfristige Prognosen sind deshalb schon immer mit einer hohen Unsicherheit behaftet. Wesentlich zuverlässiger sind da schon die längerfristigen Entwicklungen. Hier haben sich unsere Voraussagen fast immer erfüllt."

Langfristprognose
Das Umfeld in den nächsten Jahren wird geprägt sein von expansiven Fiskalprogrammen zur Finanzierung von Sozialausgaben, dem Ausbau der Infrastruktur und der Bekämpfung der Klimakrise. Eine weitere starke Ausdehnung der öffentlichen Verschuldung wird weitgehend von den Notenbanken finanziert durch den Aufkauf von Staatsanleihen (Modern Monetary Theory). Um die Verschuldungsprobleme im Griff zu behalten, werden die Zinsen deutlich unter den Inflationsraten gehalten (Financial Repression). Es sei deshalb illusorisch zu glauben, dass die Notenbanken entschieden und rechtzeitig gegen steigende Inflationsraten vorgehen würden. Diese Inflationsbremse sei zerstört, so Huber weiter.

Umso stärker werden sich die Inflationsraten wellenförmig weiter nach oben schaukeln
Die aktuelle erste Welle wurde verursacht durch steigende Energie- und Rohstoffpreise, eine Verknappung des Güterangebots durch Probleme bei den Lieferketten und eine pandemiebedingte Auflösung des Nachfragestaus bei Konsum und Investitionen. Hier wird es aufgrund von Basiseffekten im Verlauf des nächsten Jahres zu einer deutlichen vorübergehenden Beruhigung kommen. Dies bedeutet aber keineswegs eine Rückkehr zur bisher gewohnten Preisstabilität. Denn weitere preistreibende Effekte sind zu erwarten durch eine einsetzende Lohn/Preis-Spirale (Fachkräftemangel, starker Anstieg der Mindestlöhne, Pensionierung der Babyboomer), die Energiewende und einen weiteren starken Anstieg bei Energie- und Rohstoffpreisen.

M0 versiebenfacht im Euroraum seit 2008
Wie Professor Hans-Werner Sinn in seinem neuen Buch „Die wundersame Geldvermehrung“ treffend beschreibt, hat sich der Bestand an Zentralbankgeld im Euroraum seit dem Beginn der Finanzkrise im Sommer des Jahres 2008 fast versiebenfacht auf ziemlich genau 6 Billionen Euro und ist damit viel stärker gestiegen als die Wirtschaftsleistung. Drei Viertel der neuen Staatsschulden wurden so aus der Druckerpresse finanziert. Dieser Geldüberhang wird sich über kurz oder lang inflationär entladen, ähnlich wie bei einer Ketchup-Flasche, bei der nach längerem Schütteln alles auf einmal aus der Flasche herausspritzt.

Was bedeutet dies für Kapitalanleger?
"Zunächst einmal haben diejenigen schlechte Karten, die auf Nominalwerte setzen. Sparer, Anleihebesitzer und überhaupt alle Gläubiger werden schrittweise enteignet, denn die negative Realverzinsung wird uns dauerhaft begleiten", analysiert Peter E. Huber.

Aktien nach wie vor preiswert
Aktien seien nach wie vor niedrig bewertet, so Huber. Und weiter: "Das mag auf den ersten Blick absurd klingen nach dem starken Kursanstieg in den letzten 18 Monaten. Natürlich gibt es keine einmaligen Kaufgelegenheiten mehr wie in der Pandemie-Panik, auf die ich seinerzeit deutlich hingewiesen habe. Aber die meisten Aktienmärkte bewegen sich derzeit in der Nähe ihres fairen Wertes, wie am Beispiel deutscher Aktien gezeigt werden soll.

Bis auf US-Wachstumsaktien im Wesentlichen fair bewertet
Das Shiller-Cape (geglättetes Kurs/Gewinn-Verhältnis über die letzten zehn Jahre) schwankt in den einzelnen Regionen um den langfristigen Durchschnittswert von knapp 20. Und das Kurs-Buchwert-Verhältnis um den historischen Durchschnitt von 2,0. Die einzige Ausnahme bilden die USA, die aktuell deutlich über der Norm liegen. Dies beruht aber auf der extremen Kursentwicklung einiger weniger Wachstumsaktien (Apple, Microsoft, Facebook, Amazon, Alphabet, Tesla, Nvidia etc.), die inzwischen im S&P500 hoch gewichtet sind. Die Mehrzahl der US-Aktien ist hingegen nicht überteuert.

Niedriger Diskontierungsfaktor hilfreich auch in den USA
Berücksichtigt man zusätzlich, dass der faire Wert von Aktien (und Aktienmärkten) als Barwert der künftigen Unternehmensgewinne definiert wird und der langfristige Zins als Diskontierungsfaktor weit unter den historischen Vergleichswerten liegt, sind selbst US-Aktien zum Teil noch preiswert.

Huber Portfolio SICAV setzt auf Qualität und Substanz
In Hubers Fonds, den er fürTaunus Trust managt, befinden sich Qualitäts- und Substanzaktien. Diese weisen ein Kurs/Gewinn-Verhältnis von 8,1, ein Kurs/Buchwert-Verhältnis von 1,1 und eine Dividendenrendite von 4,3 Prozent auf Basis der erwarteten Gewinne 2021 auf. Huber: "Solange man ein Portfolio mit so attraktiven Kennzahlen zusammenstellen kann, sollte man gegenüber Aktien eine konstruktive Haltung einnehmen und temporäre Korrekturen - auch wenn sie kräftig ausfallen können - für Zukäufe nutzen. Mit einem Investitionsgrad in Aktien von 70 Prozent bleiben wir vergleichsweise hoch investiert, auch wenn wir aufgrund von Gewinnmitnahmen einiges von den Spitzen-Aktienquoten aus dem Pandemie-Tief entfernt sind."

Über einmalige Kaufgelegenheiten
Huber und sein Team sind seit längerem der Überzeugung, dass eines nicht allzu fernen Tages eine explosive Mischung aus fehlendem Zins, fortschreitender Geldentwertung, lockerer Notenbankpolitik und schuldenfinanzierten Fiskalprogrammen zu einem massiven Überschießen der Aktienkurse in bisher nicht vorstellbare Kurshöhen führen kann. Nur der Zeitpunkt ist natürlich schwer zu bestimmen. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Studie des Bankhauses Julius Bär „über einmalige Kaufgelegenheiten“ (Research Viewpoints Q4 2021). Darin vertritt deren Chefanalyst Christian Gattiker die These, dass sich solche Kaufgelegenheiten derzeit überall auf der Welt manifestieren. Die entsprechenden Signale ergeben sich dadurch, dass Aktienmärkte aus langfristigen Seitwärtstrends nach oben ausbrechen. Ein solches Ereignis trat zum Beispiel 1982 auf, als der deutsche FAZ-Aktienindex nach einer zwanzigjährigen Konsolidierung den Widerstand überwinden konnte. In den Folgejahren bis 2000 stiegen die Kurse um 800 Prozent!

Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich jetzt beim DAXK-Index (DAX-Preisindex ohne Dividenden) ab nach bestätigter Überwindung des Hochpunktes aus dem Jahr 2000. Fast identische Chartbilder ergeben sich auch beim STOXX Europe 600, dem japanischen TOPIX-Index und vielen anderen Indizes. Lediglich die US-Märkte sandten ein solches Signal bereits 2013 und haben dadurch einen Teil ihres Kurspotentials bereits ausgeschöpft.

Die antizyklische Megachance Nr. 1: Energie- und Rohstoffwerte!
Spricht man mit Anlageexperten, wird schnell klar, wo die künftigen Wachstumsfelder verortet werden: Digitalisierung, Blockchain, Alternative Energien (Windkraft, Sonnenenergie, Biomasse, Wasserstoff), Mobilitätswende (E-Autos, autonomes Fahren), Cloudlösungen, Plattformstrategien etc.. Entsprechend hoch werden die Aktien von Unternehmen, die in diesen Bereichen Lösungen anbieten, an der Börse auch bewertet. Doch die wahren Chancen liegen woanders. So hat die Investorenlegende Warren Buffett schon vor Jahrzehnten nicht in die damals hochgepriesenen Computerwerte investiert, sondern in niedrig bewertete Konsumgüteraktien wie Gillette und Coca-Cola. Und er hat viel Freude daran gehabt. Heute befinden sich Energie- und Rohstoffaktien in einer vergleichbaren Position. Sie sind niedrig bewertet, haben ein gutes Gewinnwachstum, zahlen hohe Dividenden und keiner will sie haben. Viele Anleger haben sich aufgrund der ESG-Richtlinien von ihren Beständen getrennt. Entsprechend ausgebombt sind die Aktienkurse in diesem Sektor. Und dies trotz einiger signifikanter Pluspunkte:

Viele Ölmultis investieren verstärkt in erneuerbare Energien
So will Royal Dutch Shell innerhalb der nächsten zehn Jahre zum weltgrößten Anbieter von Ökostrom werden. Die Bewertung von Energie- und Minenaktien im Verhältnis zum S&P 500-Index befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit 100 Jahren. Energie- und Minenaktien haben in der Vergangenheit fast immer einen guten Inflationsschutz geboten. Eine Angebotsverknappung führt längerfristig zu einem deutlichen Preisanstieg.

Nachhaltiges Rohstoffdilemma
Huber: "Wie mein geschätzter Kollege Dr. Manfred Schlumberger so treffend beschrieben hat, befinden wir uns in einem nachhaltigen Rohstoff-Dilemma. Für die Erreichung der ehrgeizigen Klimaziele benötigen wir für die erforderliche Produktion von Windrädern, Elektroautos und Solaranlagen eine Vielzahl von Rohstoffen, die mit enormen Kosten und Umweltschäden aus dem Boden geholt werden. Eine einzige Windkraftanlage verschlingt fast 70 Tonnen Kupfer, wozu Erdbewegungen von rund 50.000 Tonnen notwendig sind. Und für die sonnen- und windarmen Zeiten sowie den steigenden Energiebedarf benötigen wir mehr Erdgas als jemals zuvor."

Regulatorischer Druck zu mehr ESG-Konformität
Nachdem sich seit einiger Zeit sogar die EZB gemeinsam mit der EU-Kommission zur Rettung des Weltklimas berufen fühlt, steigt der regulatorische Druck zu mehr ESG-Konformität. "Es werden enorme Geldsummen in den Ausbau der erneuerbaren Energien gelenkt. Jeder Fondsmanager muss regelmäßig berichten, wie ESG-konform er anlegt. Und die Banken werden gezwungen, sich zunehmend aus der Finanzierung zur Erschließung neuer fossiler Energie- und Rohstoffvorkommen zurückzuziehen", so Hubers Résumé. Die folgende Grafik illustriert die Investitions-Malaise.

Folge ist Angebotsverknappung bei gesuchten Rohstoffen für den Wirtschaftsumbau
Es wird weltweit immer weniger Geld in die Erschließung neuer Rohstoff- und Energievorkommen investiert. Dieser Druck zur Angebotsverknappung bei weiter steigender Nachfrage wird die Preise für die benötigten Rohstoffe und Erdgas wellenförmig massiv weiter ansteigen lassen. Peter E. Huber dazu: "Es ist schon eigenartig: Wir hätten es gerne im Winter in unserem Heim wohlig warm, rümpfen aber die Nase über diejenigen, die die dafür benötigte Energie fördern und liefern. Das ist zumindest scheinheilig. Und wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen!"

Huber möchte nicht falsch verstanden werden: "Natürlich unterstütze ich den von Politikern geforderten beschleunigten Ausbau alternativer Energien. Und viele heutige Probleme werden durch technologischen Fortschritt eines Tages gelöst werden. Aber nachdem ich vor 50 Jahren schon Aktien von Ballard Power, dem führenden Wasserstoffhersteller, gekauft habe, weiß ich, dass auch technische Entwicklungen ihre Zeit brauchen. Und was den beschleunigten Ausbau der Alternativen Energien betrifft, ist nicht das Geld, sondern unsere Bürokratie das größte Hindernis. Wir haben doch beim Berliner Flughafen und bei Stuttgart 21 vorgeführt bekommen, was passiert, wenn sich der Staat immer stärker einmischt."

Fazit
Energie- und Rohstoffaktien mutieren zur antizyklischen Megachance der nächsten Jahre. Wobei wir bei den fossilen Energien Unternehmen mit Erdgasaktivitäten bevorzugen. Bei den Rohstoffen sind es Unternehmen, die größere Anteile an „grünen“ Rohstoffen wie Kupfer, Zink, Aluminium, Nickel, Kobalt etc. aufweisen.

Antizyklische Megachance Nr. 2: Das asiatische Jahrzehnt
Taunus Trust hat bereits einmal im März das asiatische Jahrzehnt eingeläutet und dabei besonders auf die Chancen in Japan hingewiesen. Durch die Turbulenzen in China ergab sich in der Region aber seitdem eine recht gespaltene Entwicklung, und die Börsen blieben mit Ausnahme von Indien eher zurück. Huber dazu: "Umso attraktiver gestaltet sich das Umfeld für antizyklische Anleger. Wir favorisieren Asien wegen der moderaten Bewertung und dem großen Wachstumspotential sowie der massiven Zunahme des interregionalen Handels (Freihandelszone R.C.E.P., Seidenstraße). Leistungsbereitschaft mit dem Ziel zunehmender Wertschöpfung, Vermögensmehrung statt Vermögensverteilung und eine wachsende, konsumfreudige Mittelschicht prägen das Bild."

Beispiel Japan: Unternehmensgewinne deutlicher als Börsenkurse gestiegen
Japan ist die einzige größere Nation, in der in den letzten zehn Jahren die Unternehmensgewinne schneller als die Aktienkurse gestiegen sind. Das Land verfolgt mit der Fortsetzung der Abenomics eine wirtschaftsfreundliche Politik. Die Bank of Japan (BoJ) kauft weiter in großem Stil mit neu gedrucktem Geld an den Aktienmärkten ein und schafft so Wohlstand aus dem Nichts. Die Unternehmen schwimmen in Liquidität, was Spielraum für Investitionen, höhere Dividenden und Aktienrückkäufe eröffnet. Ausländische Anleger sind in japanischen Aktien nach wie vor unterinvestiert.

Sehr gute Kaufgelegenheiten ergeben sich auch in Südkorea
Unternehmen wie Samsung Electronic oder LG stecken im weltweiten Vergleich viel Geld in Forschung und Entwicklung und haben eine sehr positive Bilanz bei der Anmeldung neuer Patente. Viele Aktien werden mit einstelligen Kurs/Gewinn-Verhältnissen bewertet, was viel Kursspielraum nach oben eröffnet.

Rätselhaft bleibt die Entwicklung im Reich der Mitte
In den internationalen Aktienindizes sind Aktien chinesischer Unternehmen im Vergleich zu der Wirtschaftskraft des Landes bisher völlig unterrepräsentiert. So sind im MSCI Weltaktienindex AC (All Countries) US-Titel mit 59,3 Prozent gewichtet, chinesische Dividendenpapiere nur mit 3,6 Prozent. Die chinesische Führung müsste deshalb daran interessiert sein, durch ein kapitalmarktfreundliches Umfeld das Vertrauen der Investoren zu stärken und schrittweise eine deutliche Höhergewichtung zu erreichen und so den Anspruch als eine der führenden Wirtschaftsnationen zu untermauern, meint Huber. Mit der verschärften Regulierung beziehungsweise der Verstümmelung seiner Internetkonzerne und den entsprechenden riesigen Vermögensverlusten bei ausländischen Investoren erreiche man gerade das Gegenteil, so das Urgestein unter den Fondsmanagern. Und das geschehe in einem Umfeld, das schon herausfordernd genug mit dem drohenden Platzen der Immobilienblase (Evergrande) und dem Handelskrieg mit den USA sei. Als neueste Aktion wolle man jetzt den Fahrdienstleister Didi zum Rückzug von der New Yorker Börse zwingen, was das Vertrauen weiter erodieren lasse.

Kommt Hongkong wieder nach vorne?
Man könne nur vermuten, dass die Börse in Hongkong zum internationalen Handelsplatz für chinesische Aktien ausgebaut werden solle, so Huber: "Die Forderung der USA nach Einhaltung amerikanischer Rechnungslegungsstandards und drohender Finanzsanktionen und Handelsverbote will man so vielleicht unterlaufen. Und durch Aktienverkäufe frustrierter ausländischer Investoren soll deren Einfluss zurückgedrängt werden. Auffallend ist jedenfalls, dass der CSI300-Index mit 300 an den Börsen in Shanghai und Shenzhen gelisteten Aktien in letzter Zeit recht stabil geblieben ist. Ganz offensichtlich sind die politischen Aktionen also nicht gegen den Kapitalmarkt an sich gerichtet. Wir gehen deshalb davon aus, dass kein komplettes Harakiri geplant ist und die unter die Räder geratenen Wachstumsaktien auf mittlere Sicht eher antizyklische Kaufchancen bieten." (kb)

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