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Nordea AM: Droht eine "vertikale Eskalation"?

Ein bekannter Marktstratege von Nordea Asset Management erörtert die politische und militärische Lage und analysiert die Folgen für Wirtschaft und Finanzmärkte.

Sébastien Galy, Nordea Asset Management
Sébastien Galy, Nordea Asset Management© Nordea Asset Management

"Steht ein Spieler mit dem Rücken zur Wand, werden seine Wetten immer riskanter. Das Militär nennt es vertikale Eskalation, wenn eine Partei durch immer aggressivere Schritte einen Ausweg sucht. Russland steht mit dem Rücken zur Wand und ist mit schweren Sanktionen und vorerst sehr begrenzter Unterstützung aus China konfrontiert", schreibt Sébastien Galy, Senior Macro Strategist bei Nordea Asset Management, in einer aktuellen Analyse.

Wenn die Importe nach Russland mit der Zeit teurer und weniger werden, könnte Galy zufolge die dortige Bevölkerung wahrscheinlich zunehmend unzufrieden werden. Das könnte die Regierung zwingen, ein neues Narrativ zu finden. Die US-Regierung spekuliert auf den Einsatz nichtkonventioneller Waffen, während der Markt auf das Beste hofft, nämlich den Beginn ernsthafter Verhandlungen.

Im Wesentlichen glaubt nach Ansicht Galys der Markt, dass Russland nachgeben und in der Ukraine einen Kompromiss finden wird. Je länger Russland wartet, desto stärker wirken sich die Sanktionen aus und desto höher werden die Zinssätze steigen. Das deutet Galy zufolge darauf hin, dass der Markt wahrscheinlich zu Recht vorsichtig optimistisch ist. "Tatsächlich kündigte Russland das begrenztere Ziel an, die Donbass-Region zu "befreien". Die Frage ist nun, ob Russland den Neutralitätsanspruch der Ukraine akzeptieren wird", hält Galy fest.

Zahlreiche Risiken für die Märkte
Die europäische Wirtschaft soll in diesem Jahr um 3,3 Prozent und im nächsten um 2,5 Prozent wachsen. Das Risiko besteht darin, dass die Haushalte in den kommenden Wochen auf Schlagzeilen über den Krieg in der Ukraine und deutlich höhere Ölpreise überreagieren. Einiges davon zeigt sich beispielsweise bereits im Einbruch der deutschen Wachstumserwartung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Dieser Schock dürfte dann aber ebenso wie der über höhere Zinsen in der Peripherie abklingen.

Die EZB ist mit dem steigenden Risiko einer Lohninflation konfrontiert, da Haushalte, die von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck leben, den Arbeitsplatz wechseln oder höhere Löhne verlangen. Das bedeutet, dass der Markt ab dem dritten Quartal, wenn das Asset Purchase Programme (APP) der EZB – ein erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten – endet, mit einem schnelleren Tempo der Zinserhöhungen rechnet.

Das ist ein heikles Unterfangen für die EZB, da die Eurozone auch einen Angebotsschock durch erhöhte Energiepreise und den Verlust des Zugangs zum russischen Markt erleidet. Umgekehrt sollten die US-Nachfrage und die chinesische Nachfrage robust sein. "In einem vorsichtigeren Risikoumfeld stehen die Chancen gut, dass europäische festverzinsliche Wertpapiere ein zunehmendes Angebot von High Yield aus der europäischen Peripherie finden werden. Gleichzeitig sind europäische Aktien attraktiv bewertet", merkt Galy an.

USA – Überhitzung
In den Vereinigten Staaten besteht die Sorge, dass die Fed zu lange hinter der Kurve bleiben wird, was sie zu einer übermäßigen Straffung zwingen und das Risiko einer Rezession heraufbeschwören könnte. Die Geschichte deutet Galy zufolge darauf hin, dass dies in der Regel der Fall ist, da die Dynamik eines ungewöhnlich heißen Arbeitsmarktes schwer vorherzusagen ist.

Der Unterschied bestehe diesmal darin, dass uns die Zwischenwahlen bevorstehen, für die die Inflation ein wichtiges Thema ist. Dies bedeutet, dass die Fed wahrscheinlich noch eine Weile versuchen wird, der Kurve voraus zu sein, und dies möglicherweise mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen fortsetzen wird.

"Der finale Zinssatz sollte also steigen. Doch vieles ist bereits eingepreist. Dies impliziert reichlich Chancen bei festverzinslichen Wertpapieren und eine gewisse Vorsicht bei Aktien (z.B. Wachstumsstil), wo die Bewertungen teuer bleiben. Aktien gehen im Gegensatz zu festverzinslichen Wertpapieren von einem langen und reibungslosen Wachstumspfad aus", merkt Galy an.

Wo investieren?
Europäische Anleihen und Aktien, insbesondere aus dem Bereich ESG, bieten weiterhin viele Möglichkeiten. In den Vereinigten Staaten bieten festverzinsliche Wertpapiere ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Auch flexible Lösungen sind interessant, da sie schnell angepasst werden können. Überdies werden Unternehmen selektiert, die attraktiv bewertet sind und einen stabilen Cashflow bieten. Zudem haben sie in der Regel Preissetzungsmacht – was ihnen hilft, die Inflation weiterzugeben, empfiehlt Galy abschließend. (aa)

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