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Neuer Superzyklus: PGIM Fixed Income nennt die Gewinner und Verlierer

Daleep Singh von PGIM Fixed Income analysiert, inwieweit höhere Energiepreise über höhere Inflationsraten und höhere Zinsen die langfristigen Allokaktionsüberlegungen institutioneller Investoren beeinflussen könnten und wo neue Gewinnchancen winken.

Daleep Singh, Chief Global Economist sowie Head of Global Macroeconomic Research bei PGIM Fixed Income
Daleep Singh, Chief Global Economist sowie Head of Global Macroeconomic Research bei PGIM Fixed Income© PGIM Fixed Income

Energiepreise dürften noch mindestens ein Jahrzehnt lang höher ausfallen als es die wirtschaftlichen Fundamentaldaten vermuten lassen. So stehen die Preise für fossile Brennstoffe, ebenso wie die Preise für Materialien, die zur Erzeugung erneuerbarer Energien benötigt werden, aller Voraussicht nach am Anfang eines „Superzyklus“, der sich erheblich auf Anleger auswirkt. Diese Markteinschätzung vertritt Daleep Singh, Chief Global Economist und Head of Global Macroeconomic Research bei PGIM Fixed Income, in einem "Institutional Money" exklusiv vorliegenden Beitrag.

Ungleichgewicht untermauert Superzyklus
Der Energie-Superzyklus ist Singh zufolge eine Preisvolatilität, die durch ein anhaltendes Ungleichgewicht zwischen Energieangebot und Energienachfrage entsteht. Dieser wird sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, und zwar während des Übergangs von einer Weltwirtschaft, die hauptsächlich mit fossilen Brennstoffen betrieben wird, zu einer Wirtschaft, in der erneuerbare Energien in all ihren Formen, einschließlich Sonne, Wind, Erdwärme, Wasserkraft, Wasserstoff und Kernenergie, die dominierende Energiequelle werden. Bis das Angebot an erneuerbaren Energien ausreichend hoch und zuverlässig genug ist, um fossile Brennstoffe zu ersetzen, wird es laut Einschätzung Singhs noch mindestens zehn Jahre dauern

Investitionen in fossile Brennstoffe nehmen ab
Der Übergang könnte Singh zufolge sogar noch mehr Zeit in Anspruch nehmen, da die Investitionen in die Infrastruktur für fossile Brennstoffe – und deren Produktion – tendenziell abnehmen. Derzeit sind die meisten Käufer von Produktions- und Raffineriekapazitäten Finanzinvestoren, deren Ziel es ist, so viele Einnahmen und Gewinne wie möglich aus den bestehenden Anlagen zu erzielen, und nicht, die Energieversorgung zu sichern. In der Folge sind die Cashflows aus solchen Anlagen nicht mehr so sicher oder finanziell nachhaltig wie früher, da es generell an Investitionen in solche Anlagen mangelt, hält Singh fest.

Zudem haben sich die Ursachen des Superzyklus‘ bereits seit Jahrzehnten abgezeichnet. So wurde beispielsweise in den USA zuletzt 1977 eine neue Ölraffinerie mit großer Produktionskapazität, d.h. mindestens 100.000 Fässer pro Kalendertag (BCD), gebaut. Außerdem berichtet die Energy Information Administration, dass die Raffineriekapazität in den USA im Vergleich zum Jahr 2019 um etwa fünf Prozent auf 17,9 Millionen BCD gesunken ist.

Dies dürfte zu einem anhaltenden Aufwärtstrend bei den Preisen führen, nicht nur für fossile Brennstoffe wie Erdöl und Erdgas, sondern auch für die Rohstoffe, die für die Produktion erneuerbarer Energien entscheidend sind – insbesondere Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan und Graphit, die alle knapp sind. Langfristig wird es nach Einschätzung von Singh global eine viel solidere Grundlage für ein starkes und stabiles Wirtschaftswachstum geben, um dieses Ziel zu erreichen, muss jedoch zuvor der Superzyklus durchlaufen werden.

Großmächte ringen um Kontrolle des Energiesektors
Zwar hat die Geopolitik schon immer eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung und -preisbildung gespielt, doch nie zuvor war ihr Einfluss größer als jetzt. Dabei spielen mehrere wichtige Faktoren eine Rolle. China, beispielsweise, das ausdrücklich eine globale Vorherrschaft in mehreren Bereichen anstrebt – d.h. wirtschaftlich, technologisch und militärisch –, unternimmt aggressive Schritte, um den Zugang zu entscheidenden Materialien für erneuerbare Energien zu kontrollieren. Hinzu kommen die Turbulenzen seitens Russlands unter Präsident Putin, das seine riesigen Vorräte an fossilen Brennstoffen und Mineralien als politische und wirtschaftliche Waffe einsetzt. Zudem sichern sich Länder, die große Energieproduzenten oder Energieverbraucher sind wie Indien, Brasilien, Indonesien, die Türkei und Südafrika möglicherweise ab, wenn sich der Wettbewerb zwischen den USA, China und Russland weiter zuspitzt.

Dies ist der intensivste Wettbewerb der Großmächte, den die Welt in den letzten 70 Jahren erlebt hat und er bringt laut Singh zwei entscheidende Folgen mit sich.

Zum einen ist das Potenzial für eine grenzüberschreitende Koordinierung der Energiewende geringer als in der Vergangenheit, insbesondere zwischen den USA und China, den beiden größten Energieverbrauchern.

Zweitens besteht weiterhin die Gefahr, dass die endliche Energieversorgung der Welt als geopolitisches Druckmittel eingesetzt wird, da fossile Brennstoffe nur an wenigen Orten der Erde gefördert werden.

Gegenargumente
So überzeugend die Argumente für den Superzyklus auch sind, es ist durchaus möglich, dass es doch anders kommen kann. Denn mehrere Einflussfaktoren könnten einen Abwärtsdruck auf die Energiepreise ausüben, hält Singh fest.

Der Erste ist die Kombination aus Klimawandel und steigender globaler Inflation. Nach dem Motto „Not macht erfinderisch“, gab es selten einen stärkeren Anreiz für energieverbrauchende Länder, transformative Investitionen in die Produktion sauberer Energie zu tätigen, die zuverlässiger und sicherer ist als die Infrastruktur für fossile Brennstoffe. Wenn diese Investitionen in großem Umfang getätigt werden und die gewünschten Ergebnisse bringen, würden die Preise für fossile Brennstoffe zweifellos fallen.

Ein weiterer Faktor ist das Ausmaß, in dem die Energieverbraucher ihre Verhandlungsmacht erfolgreich einsetzen könnten, um die Energiepreise niedrig zu halten oder zumindest das Ausmaß des Preisanstiegs zu begrenzen. Die G7-Staaten und die EU haben sich beispielsweise darauf geeinigt, den Preis für russisches Öl auf ein Niveau nahe der Grenzkosten der Produktion zu begrenzen. Dies kann als ein „Chicken Game“ zwischen Energieverbrauchern und Energieerzeugern beschrieben werden.

Die letzte große Variable ist das Risiko, dass die Energieerzeuger eine einheitliche Haltung einnehmen, um die Preise selbst dann hochzuhalten, wenn sich die Weltwirtschaft verlangsamt oder in eine Rezession fällt. Dies könnte zu einem Abbruch des Superzyklus führen, wenn die hohen Energiepreise eine weltweite Rezession begünstigen – was für die Erzeuger selbstschädigend sein könnte, da die Nachfrage und die Preise entsprechend sinken.

Auswirkungen auf Volkswirtschaften und Märkte
Sollte der Superzyklus mindestens ein Jahrzehnt lang anhalten, wären die Auswirkungen auf die Volkswirtschaften und die meisten Finanzmärkte ausgesprochen ungünstig. In der Folge würde es höhere Energiepreise über alle Konjunkturzyklen hinweg geben, eine höhere Gesamtinflation und unsicherere Inflationserwartungen, die zum Teil durch eine stärkere fiskalische Unterstützung angetrieben werden, um den Bürgern ein Polster gegen höhere Energierechnungen zu bieten.

All dies deutet Singh zufolge darauf hin, dass die Leitzinsen und Zinssätze über die gesamte Renditekurve hinweg steigen werden. Die globale Umverteilung der Einnahmen von den Energieverbrauchern zu den Energieerzeugern würde sich auch erheblich darauf auswirken, wo Leistungsbilanzdefizite und -überschüsse entstehen und fallen.

Auch hätte es darauf Einfluss, in welchen Ländern Währungsreserven auf- und abgebaut werden, wie sich die Kapitalströme entwickeln, wo finanzielle Schwachstellen entstehen und letztlich, wo eine geopolitische Hebelwirkung entsteht.

Anleger sollten auf die Gewinner setzen
Bleiben alle anderen Faktoren gleich, werden institutionelle Anleger im Laufe dieses Superzyklus mit volatileren Märkten und steigenden Risiken konfrontiert sein.

Höhere Zinssätze würden sich in höheren Abzinsungssätzen und Risikoprämien für alle Cashflow-erzeugenden Vermögenswerte niederschlagen, einschließlich Aktien und festverzinslichen Wertpapieren. Jede risikoreiche Anlageklasse würde wahrscheinlich schlecht abschneiden. Die Defizite von Pensionsplänen könnten mit dem Rückgang der Vermögenswerte zunehmen.

Institutionelle Investoren sollten in Erwägung ziehen, ihre Allokation in Rohstoffe für erneuerbare Energien zu erhöhen, die im Superzyklus-Szenario der klare Gewinner wären. Dazu gehören wichtige Mineralien, die in der erneuerbaren Energie genutzt werden, wie Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan und Graphit.

In dem von PGIM Fixed Income erwarteten Umfeld ist ein Engagement in Rohstoffen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien eine umsichtige Portfolioentscheidung. Sie sichert sich gegen geopolitische Risiken und gegen die wahrscheinliche Haltung der Zentralbanken während des Superzyklus ab – und sie bereitet auf einen Übergang zu sauberer Energie vor, der absolut notwendig und unvermeidlich ist. (aa)

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