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MFS über die schlummernden Rezessionsrisiken

Benoit Anne, Director Investment Solutions Group bei MFS Investment Management, zeichnet ein aktuelles Bild der Finanzmärkte und geht insbesondere auf die Risiken einer Rezession in den USA ein. Aber auch die düstere Lage in Europa wird genauer beleuchtet.

© Brian Jackson / stock.adobe.com

Der Fluch des teuren Öls und die steigenden Leitzinsen wecken neue Rezessionssorgen in den USA. Noch halten wir eine Rezession fu?r unwahrscheinlich, doch sind die Risiken zweifellos gestiegen. Das schwierige Marktumfeld mahnt zu einer gewissen Vorsicht, vor allem wegen der weltpolitischen Krise und ihrer Auswirkungen auf risikobehaftete Wertpapiere. Aufgrund der generellen Unsicherheit und der wohl auch in nächster Zeit u?berdurchschnittlichen Volatilität wird es entscheidend auf die aktive Asset-Allokation und das Portfoliomanagement ankommen, fasst Benoit Anne, Director Investment Solutions Group bei MFS Investment Management, die aktuelle Lage in einem aktuellen Kommentar zusammen.

Analyse vergangener Rezessionen
Die US-Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass Rezessionen vor allem zwei Ursachen hatten: einen drastischen Ölpreisanstieg und Zinserhöhungen der Fed. Acht der letzten elf Rezessionen wurden von einem Ölpreisschock, einer massiven Straffung der Geldpolitik oder einer Kombination aus beidem ausgelöst, wie nachfolgende Grafik zeigt:

US-Rezessionen und ihre wichtigsten Ursachen

Wiederholt sich die Geschichte?
"Auch jetzt erleben wir einen Ölpreisschock (wegen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine) und Zinserhöhungen. Heißt das, dass die USA einer Rezession kaum entgehen können?", fragt Anne.

In den USA sei das Rezessionsrisiko deutlich gestiegen, doch können wir einer Rezession wohl entgehen. Dafu?r gibt es viele Anne zufolge Gru?nde. Zum einen ist die US-Wirtschaft fundamental stabil. Sicher spu?ren die Verbraucher den deutlichen Inflationsanstieg und den entsprechenden Ru?ckgang der verfu?gbaren Realeinkommen.

Zuletzt ist das Konsumklima daher auch stark gefallen. Dennoch stehen die US-Verbraucher weiter gut da; ihre Schulden sind handhabbar, und der Arbeitsmarkt ist stabil. Auch viele andere Sektoren erweisen sich als krisenfest: Die Unternehmensgewinne wachsen deutlich, und viel spricht fu?r hohe Investitionen. Dem Immobiliensektor kommen die anhaltend hohe Nachfrage und die steigenden Hauspreise entgegen. "Natu?rlich kann sich der Ausblick ändern, und sicher mu?ssen wir die Konjunktur im Auge behalten. Einstweilen sehen wir aber keinen Grund zur Panik", erklärt Anne.

Der MFS-Konjunkturindex (BCI), eine Kombination ausgewählter Fru?hindikatoren, spricht fu?r moderate Konjunkturrisiken, hält Anne mit Verweis auf nachfolgende Grafik:

Der MFS-Konjunkturindikator kombiniert wichtige US-Frühindikatoren

Mehrere wichtige US-Fru?hindikatoren entwickeln sich erfreulich: Der Arbeitsmarkt ist ebenso stabil wie der Immobilienmarkt, das Geschäftsklima und die Unternehmensgewinne. Ein Index auf dem aktuellen Niveau signalisierte meist ordentliches Wachstum, auch wenn der ju?ngste Ru?ckgang in Richtung null zur Vorsicht mahnt. Letztlich steht dieser Ru?ckgang aber fu?r die Ru?ckkehr zum langfristigen Trendwachstum, nachdem sich die Wirtschaft seit dem Ende der Lockdowns stark erholt hat.

Hoher Ölpreis
Ein drastischer Ölpreisanstieg muss fu?r die US-Wirtschaft keine Katastrophe mehr sein. Wir leben nicht mehr in den 1970ern, merkt Anne an. Zwar wirken höhere Ölpreise auf die Verbraucher noch immer wie eine Steuer, doch ist die US-Wirtschaft heute längst nicht mehr so anfällig wie vor einigen Jahrzehnten. Dies liegt daran, dass heute größere Teile der US-Wirtschaft von einem höheren Ölpreis profitieren und die Energieintensität abgenommen hat. 2020 waren die USA erstmals ein Nettoölexporteur. Hinzu kommt, dass der Öl- und Gassektor heute mehr zu Wirtschaftswachstum und Investitionen beiträgt. Dennoch sollten Investoren die Auswirkungen eines dauerhaft höheren Ölpreises auf die Verbraucher nicht aus dem Blick verlieren, räumt Anne ein.

Massive Straffung der Geldpolitik
Eine u?bertriebene Straffung der Geldpolitik ist Anne zufolge aber sehr viel wahrscheinlicher geworden: "Darin sehen wir auch den wichtigsten Grund fu?r das höhere Rezessionsrisiko."

Auf der letzten Offenmarktausschusssitzung ließ die Fed keinen Zweifel daran, dass sie den Leitzins auch u?ber den sogenannten neutralen Zins hinaus anheben und die Geldpolitik damit massiv straffen will. Offensichtlich nimmt man es ihr ab: Der US-Zinsstrukturkurve zufolge rechnet man mit Zinserhöhungen auf 2,90 Prozent, was im Wesentlichen den Projektionen der Notenbank entspricht, dem sogenannten Dot Plot. Allerdings sind zwei Szenarien denkbar, in denen die Fed auf die geplanten Zinserhöhungen verzichtet.

  • Das erste Szenario wäre gut fu?r den Markt: Aufgrund nachlassender Lieferengpässe und fallender Ölpreise könnte die Inflation wieder zuru?ckgehen, sodass die Fed mehr Spielraum hätte.
  • Das zweite Szenario wäre hingegen schlecht: Die Fed könnte auch deshalb auf drastische Zinserhöhungen verzichten, weil die Rezessionsrisiken massiv zunehmen. Dann wäre ihr wichtigstes Ziel nicht länger weniger Preisauftrieb, sondern mehr Wachstum.

So oder so wird man die Äußerungen der Fed in nächster Zeit genau analysieren mu?ssen, vor allem, wenn die Inflationserwartungen deutlich steigen oder die Wachstumsrisiken erheblich zunehmen.

"In unserem Basisszenario rechnen wir in den USA mit einem deutlichen Wachstumsru?ckgang und einer Inflation klar u?ber dem Vor-Corona-Niveau. Die aktuelle Weltkrise du?rfte aber stärkere Auswirkungen auf andere Länder als auf die USA haben. Das gilt vor allem fu?r den Euroraum, wo eine Stagflation wahrscheinlicher geworden ist. Hier machen sich vor allem die höheren Energiepreise bemerkbar, die das Wachstum dämpfen und die Konjunktur schwächen könnten. In allen Regionen drohen außerdem Extremrisiken. Eine massive Eskalation des Krieges wu?rde die Weltwirtschaftserwartungen weiter dämpfen. Dann wu?rde sich auch der Konjunkturausblick fu?r die USA verschlechtern", befürchtet Anne.

Worauf muss man in diesen turbulenten Zeiten achten?
Auch wegen der weltpolitischen Krise wird MFS mehrere Konjunkturparameter genau im Blick behalten:

  • Der Ölpreis ist der Überbringer schlechter Nachrichten, vor allem, wenn er dauerhaft u?ber 100 US-Dollar beträgt.
  • Die Steigung der US-Zinsstrukturkurve zeigt die Konjunkturerwartungen der Investoren an.
  • Die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) signalisieren, ob in nächster Zeit mit einem drastischeren Wachstumsru?ckgang zu rechnen ist.
  • Andere Konjunkturindikatoren können ebenfalls steigende Rezessionsrisiken andeuten: Besonders interessant sind fu?r uns Arbeitsmarktdaten – vor allem der Beschäftigungszuwachs und die Arbeitslosengeldanträge –, Unternehmensgewinne und Verbrauchervertrauen. Genau achtet MFS auch auf die Äußerungen der Notenbanken, vor allem auf Hinweise auf eine weniger restriktive Geldpolitik.

"Alles in allem halten wir eine Rezession in den USA nicht fu?r zwingend, da die Wirtschaft fundamental stabil ist. Wegen der Weltkrise ist das Rezessionsrisiko aber gestiegen, und die Zeiten sind unsicherer geworden. Die Marktrisiken könnten sich ändern, was aus unserer Sicht sorgfältige Analysen und aktives Portfoliomanagement erfordert", erklärt Anne abschließend. (aa)

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