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Metzler: So lässt sich das ESG-Rating-Dilemma bei Nebenwerten lösen

In keiner anderen Region lieferten Nebenwerte in den vergangenen zwanzig Jahren höhere Überschussrenditen gegenüber Standardwerten als in Europa. Insbesondere in Kombination mit Nachhaltigkeitspräferenzen ließen sich Rendite-Risiko-Profile von Aktienportfolios nachweislich stärken.

Jan Rabe, Co-Head Sustainable Investment Office, Metzler Asset Management
Jan Rabe, Co-Head Sustainable Investment Office, Metzler Asset Management© Metzer Asset Management GmbH

"Doch anders als bei Standardwerten lassen sich Überschussrenditen bei Nebenwerten seit einiger Zeit nicht mehr mithilfe von ESG-Ratings steigern", stellt Jan Rabe, Co-Head Sustainable Investment Office, Metzler Asset Management, fest. "Wer auf den „Size-Effekt“ setzt, muss in Sachen Nachhaltigkeit genauer hinschauen. Insbesondere zwei Strategien lohnen: das konsequente Meiden von Titeln, die in Kontroversen verwickelt sind, und der gezielte Aufbau von Impact-Exposure."

Kritischer Umgang mit ESG-Ratings ist geboten
Beim Vergleich von ESG-Ratings zwischen Neben- und Standardwerten innerhalb des europäischen Aktienmarktes fällt auf, dass Nebenwerte über die Zeit hinweg mit einem Discount bewertet werden, wie die folgende Grafik illustriert:

Berechnung auf Basis von MSCI Europe SMID gegenüber Large Cap Indizes.

Quellen: MSCI, Refinitiv; Metzer AM

Rabe erläutert die Zusammenhänge: "Legt man ESG-Ratings zugrunde, die mittels gewichteter Durchschnitte auf einen branchenübergreifenden Vergleich abstellen, lag dieser Discount im Mittel bei fünf Prozent. Werden industriespezifische ESG-Ratings zugrunde gelegt, erhöhte sich der Discount auf 15 Prozent. Da die Mehrheit der Anleger auf industriespezifische Vergleiche schaut, erwächst Nebenwerten hieraus ein erheblicher, struktureller Nachteil gegenüber Standardwerten. Je schematischer Anleger von All-Cap-Produkten nach ESG-Ratings differenzieren, desto größer auch deren Präferenz für Standardwerte gegenüber Nebenwerten.Wir galuben, dass das eine Fehleinschätzung darstellt."

Nebenwerte haben nicht die Ressourcen, um ESG-Agenturen zufriedenzustellen
Denn oft können kleinere Unternehmen im Vergleich zu Standardwerten nicht auf dieselben Ressourcen zurückgreifen, um die Nachhaltigkeitsberichterstattung ähnlich umfangreich und detailliert darzustellen. Rabes Résumé: "Das heißt nicht, dass Nebenwerte weniger nachhaltig sind als Standardwerte. Im Gegenteil: Anleger sind gefordert, genauer hin zu schauen."

Das Ausrichten nach ESG-Ratings lohnt sich bedingt
Differenzierte man im europäischen Nebenwertebereich nach industriespezifischen ESG-Ratings, lässt sich rückblickend zeigen, dass sich dies lohnte. Jedoch fiel diese Differenzierung kaum ins Gewicht: Ein Portfolio aus vorbildlich nachhaltig bewerteten Titeln schlug den Marktindex seit 2007 lediglich um einen Prozentpunkt pro Jahr – ein mageres Ergebnis. Und obwohl ein Portfolio aus Nachzüglern über denselben Zeitraum stark gegenüber dem Marktindex nachgab, spielte dies im Gesamtkontext eine untergeordnete Rolle. Denn diese Titel machten nur einen geringen Teil der Marktkapitalisierung aus – am aktuellen Rand des Indexuniversums betrug dieser Wert drei Prozent.

Präferenz für ESG-Ratings zahlte sich kaum aus
Bruttoüberschussrendite gegenüber MSCI Europe SMID, indexiert

Eine feinere Abstimmung, die auf den industriespezifischen ESG-Score selbst abstellt, lieferte einen geringfügig höheren Mehrwert – doch auch seit 2011 nur für die zu meidenden Unternehmen. Eine Präferenz für Titel, die entweder mit einem hohen ESG-Score oder mit einer positiven Veränderung dieses ESG-Scores einhergingen (ESG-Momentum), lieferte über die vergangenen zehn Jahre keine nennenswerte Überschussrendite im Vergleich zum Marktindex.

Was hilft wirklich, um Rendite-Risiko-Profile von Nebenwerteportfolios zu stärken?
A: Titel meiden, die negativ durch Kontroversen auffallen

Rabe dazu: "Unserer Erfahrung nach achten eigentümergeführte Unternehmen aus dem Nebenwertebereich stärker auf die Reputation als Unternehmen aus dem Standardwertebereich. Darüber hinaus sind die weniger komplexen Wertschöpfungsketten kleinerer Unternehmen auch weniger anfällig für Kontroversen. Zudem widmen kritische NGOs und Journalisten kleineren Unternehmen weniger Aufmerksamkeit. Außerdem fällt auf: Selbst nach Bekanntwerden von Kontroversen lohnte es, von solchen Titeln Abstand zu nehmen. Und je schwerwiegender die Kontroverse war, desto höher war auch der Negativbeitrag für ein Portfolio. Das Rendite-Risiko-Profil von Portfolios im Nebenwertebereich ließ sich durch das Meiden von Titeln stärken, die durch Kontroversen auffielen.

Negativbeitrag des Portfolios aufgrund von Kontroversen stammt größtenteils aus zyklischen Branchen
Bruttoüberschussrendite gegenüber MSCI Europe SMID, indexiert

Doch welche Titel werden so aus Portfolios ausgegrenzt?
Eine Analyse entsprechender Risikoprämienprofile zeigt: Besonders wachstumsschwache Titel, die im Vergleich zum Nebenwertebereich ein geringeres Maß an Qualität ausweisen – entweder in Form einer schwachen Bilanz, geringer Profitabilität oder stark schwankender Gewinnprofile – werden gemieden. Auch stufen nachhaltige Anleger die Kombination aus einer überdurchschnittlich hohen Dividendenrendite und geringen Bewertungsmultiplikatoren nicht als „attraktiv“ ein, sondern eher als Risiko, das es zu meiden gilt.

Von Kontroversen betroffene Titel wiesen ein ganz bestimmtes Risikoprämienprofil gegenüber dem Markt auf
Standardisierte Z-Scores [+/-1] gegenüber MSCI Europe SMID

B. In Titel mit positivem Impact-Exposure investieren
Die Risiken eines Nebenwerte-Aktienportfolios lassen sich also dadurch senken, dass Titel von Unternehmen mit schwachen ESG-Ratings und Kontroversen gemieden werden. Das Renditepotential wiederum lässt sich stärken, indem in Titel investiert wird, die einen Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft liefern.

Impact-Exposure lohnt im Nebenwertebereich
Bruttoüberschussrendite gegenüber MSCI Europe Large, indexiert in Prozent

Rabe: "Bezieht man die Volatilität der Überschussrenditen mit ein, war ein Portfolio aus Titeln zu bevorzugen, die unabhängig von den Beiträgen aus ökologischen und gesellschaftlichen Kategorien signifikantes Impact-Exposure auswiesen. Stabilisierend wirkte sich hier das ökologische Impact-Exposure aus. Die Überschussrenditen der Titel, die ein hohes gesellschaftliches Impact-Exposure auswiesen, waren im Vergleich geringer und gingen mit einer höheren Volatilität einher."

Hohes ökologisches Impact-Exposure sollte sich auch künftig auszahlen
Was spricht aber dafür, dass der Fokus auf Titel, die ein hohes ökologisches Impact-Exposure ausweisen, auch künftig zu Überschussrenditen beiträgt? "Allem voran könnte hierzu der im Vergleich zum Gesamtmarkt der Nebenwerte niedrigere Scope 1-3 CO2-Fußabdruck beitragen, das heißt insbesondere unter Berücksichtigung dessen, was Produkte und Dienstleistungen in vor- und nachgelagerten Teilen der Wertschöpfungskette bewirken. Denn rechnet man diesen mit Hilfe von Klimamodellen auf Basis der Schätzungen des UN-Klimarats in Erwärmungspotenziale um, lässt sich zeigen, dass deren Portfoliowert (2,7 °C) deutlich niedriger ist, als der des Markts (3,3 °C)", hält Rabe fest. Je mehr Anlageprodukte in Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens (1,5 °C) gebracht würden, desto höher die Nachfrage nach Titeln mit niedrigen Erwärmungspotenzialen. Rückblickend lasse sich bereits zeigen: Je ausgeprägter das ökologische Impact-Exposure und je niedriger das Erwärmungspotenzial der Unternehmen, desto höher sei auch die Überschussrendite eines Portfolios gegenüber dem Markt gewesen.

Hohes ökologisches Impact-Exposure geht bei Nebenwerten mit niedrigen Erwärmungspotenzialen einher
Beobachtung innerhalb des MSCI Europe SMID Index (N = Anzahl der Titel)

Bleibt dieser Zusammenhang bestehen, sei davon auszugehen, dass der Faktor Impact-Exposure – insbesondere der Beitrag aus ökologischem Impact – auch künftig dazu beitragen sollte, die Überschussrendite eines solchen Portfolios zu verstetigen, so Rabe weiter. Vor dem Hintergrund der geplanten sozialen Taxonomie der EU-Kommission sei jedoch auch der Beitrag aus gesellschaftlichem Impact-Exposure künftig nicht zu unterschätzen.

Fazit: Nachhaltigkeit als Performance-Hebel
Wer über das Vereinnahmen der Size-Risikoprämie Rendite-Risiko-Profile von Portfolios im europäischen Aktienmarkt stärken möchte, sollte konsequent auf Nachhaltigkeit setzen, ist man bei Metzeler Am überzeugt.

Vier Aspekte sind dabei wichtig
- Ein kritischer Blick auf ESG-Daten ist unabdingbar, um entsprechende Chancen und Risiken adäquat bewerten zu können. Nur so lassen sich kritische Fragestellungen mit dem Management klären, um Mehrwert für Portfoliounternehmen zu erzielen.
- Differenzieren nach ESG-Ratings lohnte sich kaum – weder nach absoluten ESG-Scores, auf denen die Ratings aufbauen, noch nach ESG-Momentum.
- Metzlers Nachhaltigkeitsexperten beobachten, dass das Meiden von Titeln, die wiederholt negativ durch Kontroversen auffallen, das Risiko-Exposure eines Portfolios verringert.
- Renditechancen ergeben sich insbesondere bei Titeln mit einem hohen Impact-Exposure. Neben ökologischem Impact ist künftig auch verstärkt auf gesellschaftlichen Impact zu achten.

Rabe abschließend: "Ein Übertragen dieser Präferenzen auf die fundamentale Analyse von Nebenwerten bedeutet in Titel zu investieren, die durch innovative Geschäftsmodelle Preismacht in strukturell wachsenden Nischenmärkten haben und so von hohen Markteintrittsbarrieren profitieren. Die Risikoprämien im Blick, bedeutet dies ein Übergewicht an Wachstum- und Qualitätstiteln – eine Präferenz, die sich rückblickend bereits ausgezahlt hat." Das illustriert die folgende Grafik:

Faktor-Exposure im Nebenwertebereich: Wachstum steht Momentum in keiner Weise nach
Bruttoüberschussrendite gegenüber MSCI Europe SMID, indexiert in Prozent

(kb)

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