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Meschugge? Wen Fondsmanager in Zeiten des Corona-Virus konsultieren

Der Coronavirusausbruch hat unkonventionelle Suchen nach Erkenntnissen auslöst, was von der sich schnell ausbreitenden Epidemie zu erwarten ist. Gesundheitsexperten, Plattformen zur Überwachung der Todesfälle und Zombie-Filme sind keine normalen Informationsquellen, aber was ist heute noch normal?

Werden die apokalyptischen Zombie-Versionen am Ende gar Realität?
Werden die apokalyptischen Zombie-Versionen am Ende gar Realität?© Sergey / stock.adobe.com

Die meisten Fondsmanager verfügen einfach nicht über die Modelle, um einzuschätzen, was eine globale Pandemie zu werden droht. Dies führt dazu, dass sie Universitäten, Weltgesundheitsbehörden und sogar Filme zu Rate ziehen. Gleichzeitig gehen sie auf Nummer sicher, indem sie Geld in sichere Häfen wie Anleihen und Gold stecken.

Bunker-Trades
US-Treasuries und Bundesanleihen gehen in Richtung Rekord-niedriger Renditen

Strategen ohne richtige Hilfsmittel tappen im Dunkeln
Es gibt eine Vielzahl möglicher Folgen - von einer globalen Pandemie, die wie die spanische Grippe von 1918 Millionen Menschen tötet, bis zu einer V-förmigen Erholung, wenn die Krankheit abklingt. Daher ist die Analyse traditioneller Datenquellen zu langsam und zu begrenzt, sodass viele Strategen auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Die Fonds wenden sich stattdessen direkt an Experten, ähnlich wie Anleger vor der quälenden Serie von Brexit-Abstimmungen in Großbritannien Meinungsforscher und politische Berater konsultiert haben.

Tafel des Todes
Die Investoren versuchen nun, ihre Risiken zu managen und herauszufinden, ob der Kurseinbruch bei den Aktien und die Rallye bei Anleihen angesichts der Eskalation der Virusfälle von Südkorea bis Südamerika angemessen ist. Die Flucht in Sicherheit hat die Renditen langfristiger US-Staatsanleihen bereits auf ein Rekordtief gedrückt, den Schweizer Franken gegenüber dem Euro auf den stärksten Wert seit 2015 getrieben und den Goldpreis auf ein Sieben-Jahres-Hoch katapultiert.

Unigestion setzt auf John Hopkins University
Die Vermögensverwaltung Unigestion verfolgt die Ausbreitung des Virus anhand von Daten des Zentrums für Systemwissenschaft und -technik der John Hopkins University, das eine interaktive Tafel entwickelt hat, die die Fälle pro Land, die Gesamtzahl der Todesfälle und die Genesungsrate zeigt. “Wir verfolgen die Ausbreitung des Virus außerhalb Chinas genau, insbesondere in Ländern mit einer hohen Bevölkerungsdichte und weniger entwickelten Gesundheitssystemen”, sagte Salman Baig, ein Vermögensverwalter bei Unigestion. Das eigene „Growth Nowcaster“ -Modell der Investmentgesellschaft sieht bisher keine großen Wachstumseinbußen.

Jahresanfangsprognosen für den Reißwolf
Marktstrategen haben bereits erlebt, wie ihre Prognosen für das kommende Jahr durch das Virus zerstört wurden, noch bevor die vollständigen Folgen des Virus in den Wirtschaftsdaten sichtbar werden. Société Générale hat in einer Kunden-Mitteilung in der vergangenen Woche ihre Empfehlung zum Euro revidiert und gesagt, dass ihre Währungsprognose „keinen guten Start ins Jahr hatte“, berichtet Bloomberg News.

Schätzungen für die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus variieren stark
Oxford Economics geht davon aus, dass eine internationale Gesundheitskrise ausreichen könnte, um das globale Bruttoinlandsprodukt um mehr als eine Billion US-Dollar zu reduzieren. Indes ist der IWF derzeit der Ansicht, dass er wegen des Virus seine globale Wachstumsprognose für 2020 von 3,3 Prozent lediglich um 0,1 Prozentpunkt senken muss.

Zu wenig Daten
Laut Fondsmanager Wolfgang Bauer von M&G Plc, einem promovierten Chemiker der University of Cambridge, sollte Vorsicht geboten sein, wie vertrauenswürdig die Modelle sind, da die verfügbaren Informationen sehr vereinzelt sind. “Die Situation entwickelt sich so schnell, dass jeglicher Versuch einer genauen Einschätzung der weiteren Auswirkungen nahezu unmöglich ist, da die Fehlerquoten so hoch sind”, sagte er. „Wenn die Einschätzungen so eingeschränkt sind, kann jede negative Entwicklung oder Nachricht - seien es schwache Makrodaten, aufflammendes politisches Risiko oder ein ‚Schwarzer Schwan‘ wie Corona - schmerzhaft sein. Wenn ich für das Eingehen von Risiken nicht gut entschädigt werde, fahre ich diese zurück.“

Beispiellose Reaktion
Die umfangreichen Versuche der Regierungen, das Virus einzudämmen, über Sperrzonen in Städten und Reiseblockaden, sind eine „extreme Reaktion“, die beispiellos erscheint. Dies mache es schwierig zu sagen, wie schnell sich die Weltwirtschaft erholen könnte, sagte Richard Lacaille, CIO bei State Street Global Advisors, gegenüber Bloomberg TV.

Horrorfilm "28 Days Later"
James Athey, ein Vermögensverwalter bei Aberdeen Standard Investments in London, sagte, sein Team sei zu Beginn des Jahres defensiv positioniert gewesen. Denn riskante Vermögenswerte schienen zu einer Zeit, als sich der globale Konjunkturzyklus offenbar dem Ende näherte, eine „utopische Zukunft“ einzupreisen und unfähig, einem negativen Schock zu widerstehen. “Natürlich haben wir das Coronavirus nicht vorhergesagt oder vorhersagen können, aber wir suchen auch nicht nach Schwachstellen sondern Auslösern”, sagte er in einem Bloomberg-Interview. Er erhält seine Anhaltspunkte für die Virus-Einschätzung von Epidemologen und Organisationen wie den US-amerikanischen Zentren für die Kontrolle und Prävention von Seuchen. Gleichzeitig hat er jedoch auch einen postapokalyptischen Horrorfilm über ein mysteriöses Virus im Hinterkopf, das Zombies erschafft, die rücksichtslos in London wüten. „Ich habe auf den Film 28 Days Later bei der Beschreibung der verschiedenen Ergebnisse verwiesen”, sagte Athey. (kb)

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