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Luca Paolini, Pictet: „Die Fed hätte dann keine andere Wahl!“

Der Chefstratege von Pictet Asset Management zeichnete in einem ausführlichen Marktausblick vor Profianlegern ein aktuelles Bild der Kapitalmärkte und erläuterte, wo er im zweiten Halbjahr die besten Chancen – aber auch Risiken – sieht.

„Wir sehen das aktuelle Umfeld positiv - aber nicht euphorisch - und sind daher positiv für die Märkte gestimmt“, erklärte Luca Paolini, Chefstratege von Pictet Asset Management, anlässlich seines Marktausblicks auf die zweite Jahreshälfte vor zahlreichen professionellen Marktteilnehmern in Wien. Paolini hielt den gut besuchten Vortrag am Donnerstag, den 6. Juni 2024, kurz bevor die EZB ihre erste Zinssenkung seit vielen Jahren verkündete.

Nach einer Rückschau auf die bisherige Year-to-Date (YTD)-Performance und einer Analyse des Trendverhaltens der wichtigsten Assetklassen nannte Paolini den wohl wichtigsten Treiber der diesjährigen Aktienmarkthausse: Höhere Erwartungen an das Wirtschaftswachstum, sowohl in den USA als auch in der Eurozone, sowie damit zusammenhängend die Hoffnung auf höhere Unternehmensgewinne. Hinzu kamen Spekulationen auf sinkende Inflationsraten und niedrigere Leitzinsen, untermauert mit dem Hype um Technologieaktien.

Vor allem Europa hat wieder in der globalen Investorengunst zugelegt, da die Kerninflation in der Eurozone wieder in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels der Zentralbanken fällt und die Konsumenten in Folge wieder zuversichtlicher werden und ihre Ausgaben steigern - das am Ende des Tages den europäischen Unternehmensgewinnen zu Gute kommt. Welche Einschätzungen Pictet Asset Management zu den globalen Unternehmensgewinnen hat (die sich von der Mainstream-Meinung abheben) können Sie obiger Bildergalerie entnehmen.

EZB war schneller
Die sinkende Inflation ermöglichte der EZB, erstmals seit langer Zeit vor der Fed einen Zinsschritt nach unten zu setzen. Paolini erwartet seitens der EZB zusätzlich zum Juni-Schritt noch zwei weitere Zinsschritte nach unten im Jahr 2024. Die Fed werde frühestens im Herbst eine Zinssenkung vornehmen, abhängig von der Inflationsentwicklung. Paolini erwartet von der Fed in Summe zwei Zinsschritte nach unten im aktuellen Jahr. Falls die Inflation unerwartet aber doch wieder steigen sollte, müsste die Fed jedoch die Leitzinsen erneut erhöhen und damit die Aktienmärkte stark unter Druck setzen. „Die Fed hätte dann keine andere Wahl!“, warnte Paolini.

Möglicherweise wieder deutlich höhere Inflationsraten und die laut Paolini dann unvermeidbare Zinserhöhung der Fed würden US-Aktien wohl am falschen Fuß erwischen. Denn die fundamentalen Bewertungen sind hoch und die Markteilnehmer haben derzeit ein „Goldilocks“-Szenario in Form fallender Inflationsraten und Zinsen in Kombination mit einer Vermeidung einer Rezession eingepreist.

Vor allem im Vergleich zu US-Staatsanleihen sind US-Aktien - gemessen am „Equity Risk Premium“ aus historischer Sicht teuer und erreichen ein Niveau, das Ende der 1990er-Jahre, kurz vor Platzen der TMT-Blase zuletzt erreicht wurde (siehe Grafik in der Bildergalerie oben).

Europäische Aktien attraktiv bewertet
Besser - zumindest aus Bewertungssicht - sieht es bei europäischen Aktien aus, die darüber hinaus von einem starken Momentum bei der Verbesserung der Unternehmensgewinne profitieren. „Europäische Aktien sind günstig bewertet und werden durch den niedrigen Euro noch attraktiver“, betonte Paolini. Dabei haben es dem Pictet AM-Mann vor allem Schweizer Aktien angetan, die als defensiver Portfoliobaustein fungieren und derzeit im historischen Vergleich gegenüber dem MSCI ACWI-Index hinterherhinken und aus Bewertungssicht relativ günstig bewertet sind: „Die defensiven Qualitäten Schweizer Aktien sind derzeit sehr attraktiv bewertet.“ Optimistisch ist der Pictet-Mann darüber hinaus auch für japanische Dividendenpapiere und japanischen Yen.

US IG Credit kaufen
Während Paolini für den US-Dollar pessimistisch und für US-Aktien neutral gestimmt ist, ist er für US-Anleihen – trotz einer inzwischen wahrscheinlicher gewordenen Wiederwahl von Donald Trump - generell bullisch. Das beste Chancen-/Risikoverhältnis sieht er dabei vor allem bei US-Investment-Grade-Corporate-Bonds mit sehr guten Bonitäten. „Den besten Wert im Bereich Credit bieten High Quality Corporate Bonds“, sagte Paolini und empfahl, das genannte Teilsegment zu Lasten von US-Aktien überzugewichten.

Nachdem Paolini auf weitere, aussichtsreiche taktische Übergewichtungen einging, empfahl er abschließend den anwesenden Investoren, der Selektivität und dem Risikomanagement noch mehr Augenmerk als in der Vergangenheit zu schenken und insbesondere zukünftig höhere Wechselkursrisiken stärker zu berücksichtigen. (aa)

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