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Lockdown-Gewinner treiben Europas IPO-Markt über das Niveau von 2019

Der europäische Markt für Börsengänge (IPOs) hat trotz der Coronavirus-Krise und der nervenaufreibenden Brexit-Verhandlungen in diesem Jahr mehr Geld eingespielt als 2019. Angeschoben wurde er von Unternehmen, die von den pandemiebedingten Lockdowns profitierten.

Charlie Walker, Head of Equity Primary Markets, London Stock Exchange (LSE)
Charlie Walker, Head of Equity Primary Markets, London Stock Exchange (LSE)© LSE

An den europäischen Börsen fanden 161 IPOs statt, die zusammen 28,3 Milliarden US-Dollar wert waren. Das zeigen von Bloomberg zusammengestellte Daten. Damit übertrafen die IPOs die 26,7 Milliarden US-Dollar, die 136 Börsenneulinge im vergangenen Jahr einspielten. Dies ist allerdings nur ein Bruchteil der weltweiten Debüts, die von 893 Transaktionen im Wert von 134,3 Milliarden US-Dollar im asiatisch-pazifischen Raum und den rekordverdächtigen 174,1 Milliarden Dollar in 483 US-Deals profitierten.

London führt beim Volumen, Norwegen bei der Stückzahl
Zwar gab es die meisten Börsengänge in Norwegen, jedoch entfiel auf London mit 33 Transaktionen im Wert von 11,3 Milliarden US-Dollar mehr als ein Drittel der europäischen Erlöse, ein Fünftel mehr als die schlechten Zahlen aus dem Vorjahr belegen. Darin enthalten sind internationale Emittenten wie die kasachische Digital-Bank Kaspi.kz und zwei Milliarden-Dollar-Notierungen von chinesischen Unternehmen. Allerdings kam das größte Debüt vom Online-Shopping-Imperium THG Holdings, einem heimischen Anbieter.

London an der Spitze
Großbritannien stellte mehr Gelder bei IPOs auf als jedes andere europäische Land

Quelle: Bloomberg

Mehr britische IPOs in 2021 trotz holprigem Brexit erwartet
Nächstes Jahr könnte es mehr inländische britische IPO-Kandidaten geben, selbst wenn die Möglichkeit eines holprigen Ausstiegs aus der Europäischen Union nicht gerade Begeisterung schürt. “Ab 2021 erwarten wir, dass der britische Anteil der Pipeline stärker als gewöhnlich aussehen wird”, sagte Charlie Walker, Leiter Aktien- und Rentenprimärmärkte an der Londoner Börse.

Und das trotz der schlechten relativen Performance der britischen Aktienmärkte...
Der FTSE 100-Index ist im Jahr 2020 um 13 Prozent gefallen, mehr als doppelt so stark wie der Rückgang des Stoxx Europe 600 von 5,6 Prozent, während die stärker am Binnenmarkt orientierte Benchmark FTSE 250 um 9,8 Prozent eingebrochen ist. Und die britische Wirtschaft steht vor ihrer schlimmsten Rezession seit Jahrhunderten. Doch mit dem nahenden Ende der Brexit-Achterbahnfahrt, die 2016 begann, scheinen die Aussichten für London besser zu werden. “Für das nächste Jahr wird erwartet, dass es keine solchen Faktoren gibt, die zu Volatilität führen”, sagte Walker.

Einige große Namen stehen bereits in den Startlöchern
Deliveroo prüft unterrichteten Kreisen zufolge eine Notierung in London im nächsten Jahr. Das britische Startup für die Lieferung von Lebensmitteln profitierte davon, dass die Leute im Home Office über die App Mahlzeiten bestellten. Die Cybersecurity-Gesellschaft Darktrace soll Banken für einen Börsengang in der britischen Finanzmetropole engagiert haben, wie mit der Angelegenheit vertraute Personen Bloomberg gegenüber berichten.

Skandinavische Stärke
Zwar hat London den größten Teil des Geldes angezogen hat, doch den Titel des geschäftigsten IPO-Markts holte sich in diesem Jahr Oslo. Norwegens IPO-Markt ist aus seinem Schattendasein herauskatapultiert worden und zog eine Rekordzahl von 34 Deals an, fast sechs Mal so viele wie 2019, wie aus den Bloomberg-Daten hervorgehrt. Mindestens drei weitere sollen noch vor Jahresende hinzukommen.

Verschiedene Faktoren führten zu dem norwegischen Notierungsboom
Laut Magnus Kvinge, Leiter norwegische Aktienmärkte bei ABG Sundal Collier, gehörten dazu die rasante Dynamik auf dem Osloer Wachstumsmarkt, die Digitalisierung des IPO-Prozesses während der Pandemie und die Verbreitung von Ankerinvestoren, die zuvor bei schwedischen Transaktionen häufiger vorkamen. Schweden belegte nach London den dritten Platz mit 29 IPOs und 2,6 Milliarden US-Dollar.

Frankreich und Deutschland schwächeln, Itailen regelrecht abgestürzt
Allerdings konnte nicht jedes Land die Performance vom Vorjahr übertreffen. Italiens Absturz ist besonders markant. Erst im vergangenen Jahr war das Land mit 35 Börsengängen im Wert von 2,9 Milliarden US-Dollar Europas aktivster Markt. Das Volumen ist mittlerweile auf 745 Millionen US-Dollar abgeschmolzen. Der traditionelle Gigant Deutschland bekam nur 1,3 Milliarden US-Dollar zusammen, weniger als ein Drittel der Erlöse von 2019, während Frankreich noch größere Einbußen verzeichnete. Nachdem Paris zuvor Transaktionen im Wert von 3,2 Milliarden US-Dollar abgeschlossen hatte, wurden in diesem Jahr weniger als 600 Millionen US-Dollar über Börsenneulinge beschafft. Die Hälfte davon kam von der Blankoscheckfirma (SPAC; Special Purpose Acquisition Company) 2MX Organic S.A., die vom französischen Milliardär Xavier Niel und zwei weiteren Partnern letzte Woche an die Börse gebracht wurde. (kb)

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