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Liberum-Chefstratege Klement: Es wird eskalieren!

Der Chefstratege der britischen Investmentbank Liberum, Joachim Klement, erklärte auf Einladung des CFA Instituts am Institutional Money-Kongress im Rahmen von „IM Spezial“, wie Anleger politische Risiken und Chancen in ihren Anlageprozess integrieren können. Eines scheint fix - es wird ungemütlich.

Joachim Klement, Chefstratege der britischen Investmentbank Liberum sowie bekannter Fachbuchautor, erläuterte am 14. Institutional Money-Kongress in Frankfurt in seinem Vortrag „Anlagen im Spannungsfeld zwischen Geopolitik und Inflation“, wie die Politik seit einigen Jahren, stärker als in der Vergangenheit, die Finanzmärkte maßgeblich beeinflusst. „Die Politik ist mittlerweile eines der interessantesten Themen“, betonte er am Anfang seines Vortrages.

In Folge analysierte Klement anhand der bekannten finanzmathematischen (Barwert)-Formel des „Present Values“ die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf Einflussfaktoren wie den risikolosen Zinssatz, die Inflation, die Risikoprämie und den von Unternehmen zukünftigen generierten Cashflows und wie dies alles auf den Present Value und damit auf die Aktienkurse durchschlägt.

Zwischenfazit von Klement: In Vergangenheit hatten (mit schätzungsweise ca. 90 Prozent Wahrscheinlichkeit) „Börsen kurze Beine“ und Investoren wurden für mutige Käufe in politischen Krisen nach deren Beseitigung oder nachdem sich Investoren an die Krise gewöhnt haben, mit Kursgewinnen belohnt. In circa zehn Prozent der Fälle ging die Spekulation auf eine bessere Zukunft jedoch schief.

Wie das im aktuellen Fall des Ukrainekrieges für Investoren ausgehen wird, steht aber noch nicht endgültig fest. Denn der Krieg heizte weltweit die bereits im Vorfeld gestiegene Inflation weiter an und löste zusätzliche Zinserhöhungen inklusive aller negativen Folgewirkungen aus.

Chefstratege Klement sind aber einige Gründe für Optimismus: Die Inflationsraten fallen und die Zentralbanken scheinen bald ihre Zinserhöhungszyklen zu beenden. „Ich erwarte 2023 Licht am Ende des Tunnels.“

This time is different…
Das Gegenargument respektive Risiko, dass am Ende eines Zinserhöhungszyklus‘ beziehungsweise insbesondere nach Beginn von Zinssenkungen die Aktienkurse in Erwartung einer bevorstehenden Rezession zur Überraschung vieler Marktakteure zu fallen beginnen, hat laut Klement nicht mehr das Gewicht vergangener Zeiten. Dieses Mal sei es anders. Denn die Fed würde im Gegensatz zur Vergangenheit die Märkte viel intensiver und vorausschauender auf zukünftige geldpolitische Entscheidungen einstimmen, sodass viele Risiken bereits eingepreist seien.

Konfrontation unausweichlich
Im zweiten Teil seines Vortrages ging Klement auf schwelenden Konflikt zwischen den USA und China um die Taiwan-Frage ein. Für Klement ist ein militärischer Konflikt keine Frage des „ob“, sondern des „wann“. „Auf Sicht von fünf bis zehn Jahren wird es zu einer Eskalation kommen“, warnte Klement.

Der Kampf der aus Kaufkraftsicht zwei stärksten Länder der Welt würde die aktuellen Probleme zwischen der Ukraine und Russland, die beide aus ökonomischer Sicht trotz großer Landmassen nur kleine Länder sind, zum Nebenschauplatz degradieren.

China steht laut Klement betreffend die Eroberung von Taiwan unter Zeitdruck: Denn aufgrund der ehemaligen Ein-Kind-Politik äußerst ungünstigen Demografie altert Chinas Bevölkerung relativ schnell und verliert damit nicht nur einen Teil seiner Soldaten im besten Mannesalter, sondern vor allem an wirtschaftlicher Dynamik. Das beweise Klement zufolge ein Vergleich mit Japans und Koreas Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung.

Das Reich der Mitte müsste daher entweder seine Bevölkerung zu mehr Nachwuchs motivieren, oder seine wirtschaftliche Produktivität erhöhen. Dafür will China weg vom Status einer „Werkbank für den Westen“ und hin zu einem Anbieter hochqualitativer Technologieprodukte.

Angesichts des bevorstehenden Konflikts wegen China reagiert der Westen mit dem Verbot, China modernste Technologien, wie zum Beispiel Computer-Chips neuester Bauart, zu liefern und zögert auch nicht davor zurück, bereits fix vereinbarte und genehmigte Übernahmen europäischer Unternehmen durch chinesische Firmen rückgängig zu machen.

So hat Großbritannien bei der einzigen Halbleitfabrik auf britischem Boden den chinesischen Eigner gezwungen, diese Anlage nach dem Kauf im Jahr 2021 nun wieder zu verkaufen. Dafür wurde extra ein Gesetz geschaffen, dass es verbietet, dass chinesisches Eigentum in der Nähe (Radius ca. 90 km) von militärisch wichtigen Anlagen steht. Da Großbritannien übersät mit militärischen Anlagen ist, ist damit keine chinesische Fabrik mehr möglich…

Von „Made in China 2025“ zur neuen „Whole Nation Strategy“
Relativ unbemerkt von vielen Beobachtern und Medien versucht China in Reaktion auf westliche Sanktionen, bei allen Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts von westlichen Zulieferern unabhängig zu werden. Das würde China nicht nur einen Krieg zur Eroberung Taiwans ermöglichen, sondern auch ein mögliches Embargo um die Insel Taiwan. Von der chinesischen Marine abgeriegelt und ausgehungert könnte Taiwan dann relativ kampflos aufgeben und China angeschlossen werden.

Klement glaubt, dass der Westen nicht militärisch eingreifen wird, da dieser Angst hat, in einen heißen Krieg zu geraten. Immerhin ist China eine Atommacht....

Die Blockade Taiwans würde nicht nur die Versorgung des Westens mit modernsten Computerchips unterbrechen. China könnte seine Monopolmacht als Lieferant wichtiger Rohstoffe und Produkte wie Seltene Erden, Li-Ionen-Batterien, Solarzellen oder auch Pharmazeutische Wirkstoffe einsetzen und den Westen damit nicht mehr beliefern. Damit wäre eine Energiewende wohl nicht durchführbar und es drohen aufgrund der nunmehr nicht nur gestörten, sondern gekappten Lieferketten massive Verwerfungen in der Realwirtschaft und wohl auch an den Finanzmärkten. „China wird den Westen überholen“, warnte Klement.

Klement präsentierte den anwesenden Investoren freundlicherweise eine Übersicht jener westlicher Unternehmen, die als alternative Lieferanten von diesen Verwerfungen profitieren könnten (siehe die Tabelle gleich nach dem Aufmacherbild oben).

Vorsicht vor zu viel Pessimismus
Angesichts der zukünftigen wirtschaftlichen und militärischen Dominanz Chinas müsse sich lauf Liberum-Chefstratege der Westen und insbesondere Europa überlegen, ob man bei China auf Kooperation oder Konfrontation setzen soll.

Abschließend empfahl Klement, nicht zu pessimistisch zu sein und erinnerte an den Überlebensinstinkt der Menschen, die damit Herausforderungen wie zukünftige Kriege, staatliche Schuldenberge oder den Klimawandel meistern werden: „Wir fallen selten in den Abgrund. Menschen ändern ihr Verhalten typischerweise bevor es zu einer Katastrophe kommt.“ (aa)

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