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Kenneth Rogoff: "Ich erwarte eine tiefe Rezession in Europa"

Der Harvard-Professor und frühere Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, Kenneth Rogoff, ist hinsichtlich der Wirtschaftsentwicklung in Europa weniger optimistisch als andere Ökonomen. Auch wenn die jüngsten Zahlen gut ausgefallen sind, seien die Probleme noch nicht gelöst.

Kenneth Rogoff: "Die zugrunde liegenden Probleme sind nicht gelöst. Daher denke ich, dass Europa noch einen langen Weg vor sich hat."
Kenneth Rogoff: "Die zugrunde liegenden Probleme sind nicht gelöst. Daher denke ich, dass Europa noch einen langen Weg vor sich hat."© Jason Alden / Bloomberg

Der renommierte Harvard-Wissenschaftler Kenneth Rogoff ist in Bezug auf die Entwicklung der europäischen Wirtschaft deutlich pessimistischer als andere Ökonomen. "Ich erwarte eine tiefe Rezession in Europa", sagte Rogoff in einem Interview mit dem "Handelsblatt" am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Ihm sei bewusst, dass alle Zahlen bisher "schockierend gut" waren. "Aber die zugrunde liegenden Probleme sind nicht gelöst. Daher denke ich, dass Europa noch einen langen Weg vor sich hat", erklärte der Ökonomieprofessor der US-Eliteuniversität.

Wenn etwa die Volkswirte von Goldman Sachs eine gegenteilige Auffassung vertreten, liege dieser vermutlich eine verfrühte Siegeserklärung in der Russland-Ukraine-Situation zugrunde, sagte Rogoff. Er selbst sieht die Sache anders. Es werde noch weitere Rückschläge geben, glaubt er. "Und wer wird in Europa investieren, wenn die Ungewissheit bleibt, was da vor sich geht?", fragt Rogoff. Es sei durchaus möglich, dass der russische Präsident Wladimir Putin taktische Nuklearwaffen einsetzen wird, wenn "die Lage für ihn düster genug" ist. "Ich glaube, wir müssen uns auf weitere Schocks einstellen", so der Ökonom.

Mehr Investitionen in Sicherheit
Der frühere Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist zudem überzeugt davon, dass Europa künftig viel mehr in Sicherheit investieren muss. Auch weltweit werden nach seiner Ansicht die Verteidigungsausgaben steigen. Dies sei einer der Faktoren, warum die Inflation noch lange relativ hoch bleiben werde. Ein weiterer sei die grüne Energie, für die weltweit etwa dreimal so viel ausgegeben werde müsse als derzeit.

Mit Blick auf die USA warnt der Star-Ökonom vor den Folgen eines deutlichen Abschwungs. Zwar habe die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) erklärt, sie wolle im Kampf gegen die Inflation eine Rezession in Kauf nehmen, auch um spätere Folgen der hohen Preise zu verhindern. Es sei jedoch nicht klar, ob der Plan so aufgehe, erklärte Rogoff. "Man kann es nicht wissen. Ich habe das Gefühl, dass die Anfälligkeit des politischen Systems im Moment sehr groß ist", sagte er. Dennoch geht der Wirtschaftsprofessor davon aus, dass die Fed die Zinsen noch etwas weiter erhöhen könne, da der Arbeitsmarkt stark sei. (am)

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