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Kehren die Credit Spreads zum Vorkrisenniveau zurück?

Christel Rendu de Lint, Head of Global Fixed Income, Union Bancaire Privée (UBP), analysiert vor dem Hintergrund der Entwicklungen der letzten Monate und angesichts neuerlicher Pandemie-Ausbrüche, ob die Risikoaufschläge bei Credits höher oder niedriger werden.

Christel Rendu de Lint, Union Bancaire Privée (UBP)
Christel Rendu de Lint, Union Bancaire Privée (UBP)© Union Bancaire Privée (UBP)

Seit dem Höhepunkt der Coronakrise im März 2020 haben sich Risikoanlagen stark erholt und die Credit Spreads sind wieder auf normalere, wenngleich weiterhin erhöhte Niveaus zurückgekehrt. Christel Rendu de Lint, Head of Global Fixed Income, Union Bancaire Privée (UBP), nennt in einem "Institutional Money" exklusiv vorliegenden Marktkommentar die Hauptgründe für diese Verbesserung des Marktumfelds und erläutert, weshalb davon auszugehen sei, dass die Spreads ihre Höchststände schon gesehen haben und sich von nun an verringern dürften.

Ähnlichkeiten und Unterschiede
Die meisten Krisen verlaufen ähnlich. Vor diesem Hintergrund sei der ausschlaggebende Faktor laut Rendu de Lint jeweils anders, aber die einzelnen Phasen gleichen sich in der Regel sehr. In der aktuellen Krise war der Katalysator eindeutig die Ausbreitung von Covid-19 über Asien hinweg bis nach Europa und dann in die USA. Was dann folgte, war die schiere Panik: Die Anleger bangten nicht nur um ihr Vermögen, sondern auch um die Gesundheit ihrer selbst und ihrer Angehörigen – was eine Kapitulation auf breiter Front zur Folge hatte. Angesichts der immer spärlicher werdenden Liquidität verschärften sich die Finanzierungsbedingungen, was Angst und Panik weiter schürte.

Glücklicherweise – und im Gegensatz zu früheren Krisen, insbesondere des Jahres 2008 – reagierten die Entscheidungsträger diesmal schnell und mit beachtlichen Maßnahmen. Die Zentralbanken senkten sofort die Zinsen auf die effektive Untergrenze. Dieser Maßnahme ließen sie die Wiederaufnahme bzw. in einigen Fällen die Ausweitung bestehender Programme zum Ankauf von Vermögenswerten folgen. Besonders die Reaktionen der Federal Reserve und der EZB laut Rendu de Lint waren beeindruckend. Zum ersten Mal überhaupt ging die US-Notenbank dazu über, Unternehmensanleihen sowohl am Primär- als auch am Sekundärmarkt anzukaufen, sogenannte Fallen Angels (Anleihen von Emittenten, die von der Investment Grade- in die High-Yield-Liga bis hin zu einem Rating von BB- abgestiegen sind) zu erwerben und in ETFs auf Investment Grade- und High Yield-Papiere zu investieren.

Die EZB hat das Volumen ihrer Ankäufe über das Pandemie-Notfallankaufprogramm aggressiv auf ein bislang nie dagewesenes Niveau erhöht. Beide Zentralbanken haben klar zu verstehen gegeben, dass sie im Falle einer weiteren Verschlechterung der Lage erneut entschlossen reagieren werden.

Höhere Staatsausgaben
Auch die Regierungen haben sich mit Konjunkturmaßnahmen in Rekordhöhe der Krise gestellt, und es werden weitere Maßnahmen weltweit erwartet, mit denen die Menschen so gut wie möglich vor den wirtschaftlichen Folgen des Virus geschützt werden sollen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch, dass die europäischen Länder, die sich dem Ruf nach mehr haushaltspolitischer Integration lange widersetzt haben, nun offenbar Gefallen an dem Gedanken finden, dass die wohlhabenderen Länder den weniger gut dastehenden Ländern helfen. Besonders Deutschland hat hier eine Führungsrolle eingenommen, indem die Regierung die Emission gemeinsamer Anleihen unter Leitung der Europäischen Kommission unterstützt, mit denen den am stärksten von den Covid-19-Auswirkungen betroffenen EU-Ländern finanziell unter die Arme gegriffen werden soll.

Auch die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus scheinen laut Rendu de Lint zu wirken. Die Zahl der Todesfälle pro 100.000 Einwohner war in einer Reihe von Ländern im April am höchsten und sinkt seither allmählich. Dies ist zu einem großen Teil auf die positive Wirkung der Hygiene- und Social-Distancing-Maßnahmen zurückzuführen – insbesondere angesichts der nun allmählich stattfindenden Wiedereröffnung.

Keine zweite Welle
"Leider wird es aber weiterhin zu den lokal begrenzten Ausbrüchen kommen, da wir es nun einmal mit einer Pandemie zu tun haben. Angesichts der ergriffenen Maßnahmen und der Tatsache, dass die politischen Entscheidungsträger inzwischen viel über den Umgang mit dem Virus wissen, glauben wir jedoch nicht, dass es zu der so sehr gefürchteten zweiten Welle kommen wird", hoffe Rendu de Lint.

Was die Finanzmärkte und insbesondere Unternehmensanleihen anbelangt, so dürfte es laut Rendu de Lints Einschätzung nach, das Schlimmste hinter uns liegen, auch wenn die Entwicklung weiterhin volatil bleiben wird.

Die Maßnahmen der Zentralbanken sind eine wirksame Stütze für die Unternehmensanleihemärkte, und sollte sich der Ausblick eintrüben, werden die Zentralbanken unserer Ansicht nach energisch und aggressiv darauf antworten.

Neuerlicher, weitflächiger Shutdown unwahrscheinlich
Gleichermaßen sind erneute großflächige wirtschaftliche Shutdowns wie im März unwahrscheinlich, wenngleich lokale Ausbrüche des Virus zu erwarten und kaum vermeidbar sind.

Bis zur vollständigen Erholung wird es indes noch lange dauern, und in den meisten Teilen der Welt werden die Zinsen bis auf Weiteres erst einmal bei null bleiben. "Daher rechnen wir damit, dass sich die Anleger im Zuge der Stabilisierung der Konjunkturdaten erneut auf die Suche nach Rendite machen werden, sofern keine Auslöser für eine Risikoaversion da sind. Dabei könnten die Credit Spreads letztlich wieder die Niveaus vor der Coronakrise erreichen", erklärt Rendu de Lint abschließend. (aa)

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