Logo von Institutional Money
| Märkte

JP Morgan AM: „Zu Hause bleiben“ sorgt für höhere Bewertungen

Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass zwischen den Krisengewinnern und –Verlierern erhebliche Bewertungsdifferenzen entstanden sind. Wie lange diese Unterschiede noch bestehen und welche Faktoren zu einem Trendbruch führen könnten, erklärt J.P. Morgan Asset Management.

Tilmann Galler, J.P. Morgan Asset Management
Tilmann Galler, J.P. Morgan Asset Management© Manjit Jari/J.P. Morgan AM

Der US-amerikanische Aktienmarkt ist auf Indexebene mittlerweile mit einem KGV von 23 relativ teuer und damit auf dem höchsten Niveau seit der TMT-Blase im Jahr 2000. Maßgeblich dafür sind die Kurssteigerungen der sogenannten „Bleib-Zuhause-Aktien“, erklärt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt.

Das liegt daran, dass die Pandemiebekämpfungsmaßnahmen zu erheblichen Veränderungen im Arbeits- und Konsumverhalten führten. Viele Aktivitäten erfolgen verstärkt von Zuhause aus. Online-Einzelhändler, Technologieunternehmen oder Pharmaunternehmen profitieren von dieser Entwicklung. „Die scharfe Differenzierung der Märkte zwischen Gewinnern und Verlierern der Coronakrise hat zu erheblichen Bewertungsdivergenzen insbesondere zwischen Wachstumsaktien und Substanzwerten geführt“, hält Galler fest.

Insbesondere auf dem US-Aktienmarkt hing in den letzten sechs Monaten der relative Investmenterfolg sehr stark von der Stabilität der Gewinne ab. „‘Bleib-Zuhause-Aktien‘ haben sich in diesem Jahr im Schnitt um 25 Prozent besser entwickelt als ‚Ausgeh-Aktien‘“, erläutert Galler und verweist dabei auf nachfolgende Grafik:

Wertentwicklung des S&P 500 differenziert nach COVID-19-Einfluss
(in %, seit Jahresanfang)

Während Aktien wie Amazon, Netflix, Microsoft et al zu den Krisengewinnern zählen, leiden die Aktienkurse klassischer Unternehmen unter den Pandemiefolgen.

„Bleib-Zuhause-Aktien“ mit sehr hohem Kurs/Buchwert-Verhältnis
Das hat Folgen: Denn auf dem US-Aktienmarkt sei der Bewertungsaufschlag von Wachstumsaktien, unter denen viele „Bleib-Zuhause-Aktien“ sind, bei Betrachtung des Kurs-Buchwert-Verhältnisses inzwischen höher als in der Hochphase der TMT-Blase. „Einen zusätzlichen Schub bekommen Wachstumsaktien noch von den Zentralbanken, die durch Zinssenkungen und Kaufprogramme die langfristigen Anleihenrenditen kräftig gesenkt haben, wodurch der Abzinsungsfaktor für die zukünftigen Gewinne fällt und der Unternehmenswert entsprechend steigt“, begründet der JP Morgan AM-Mann die gestiegenen Kurs-/Buchwertverhältnisse.

Faktoren, die eine Trendwende auslösen könnten
Für Anleger stelle sich nun die Frage, ob die wachstumsorientierten „Bleib-Zuhause-Aktien“ noch realistisch bewertet sind und wann wohl die „Ausgeh-Aktien“ aus Branchen wie Restaurants, Hotels & Freizeit, Öl & Gas oder Luftfahrt, die durch Lockdown-Maßnahmen erhebliche Ertragseinbußen erleiden, wieder Auftrieb bekommen könnten.

Für eine nachhaltige Trendwende weg von den teuren Wachstumsaktien hin zu Substanzwerten müsste nach Ansicht Gallers mindestens eines der zwei folgenden Szenarien eintreten:

Erstens müssten nachhaltige Erfolge in der Pandemiebekämpfung erzielt werden, die für die besonders betroffenen Branchen wieder ein normales Geschäftsumfeld schaffen. Doch ob in der medizinischen Forschung in der nächsten Zeit ein Durchbruch erzielt werde, sei höchst ungewiss.

Zweitens müsste sich das Wachstum der Wirtschaft so kräftig erholen, dass die Zentralbanken ihre Anleihenkäufe reduzieren und die Renditen der Staatsanleihen am langen Ende wieder ansteigen. „Die aktuellen geldpolitischen Leitlinien der großen Notenbanken geben keinerlei Anhaltspunkte, dass dies in den nächsten Monaten eintreten könnte. Vielmehr überwiegen aktuell die Sorgen über die weitere Entwicklung der Konjunktur“, erklärt Galler. So könne bei weiterem Andauern der Pandemie die große Bewertungsdivergenz zwischen Growth und Value durchaus noch einige Zeit Bestand haben. (aa)

Dieses Seite teilen