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Jonathan Baltora: Inflation bleibt vorübergehend, Schutz sinnvoll

Angesichts steigender Verbrauchernachfrage, Rohstoffknappheit und anhaltender Unterbrechungen der Lieferketten bleibt die Inflation ungewöhnlich hoch. AXA IMs Jonathan Baltora hält dennoch an seiner Einschätzung fest, dass diese Entwicklung letztlich nur von kurzer Dauer sein wird.

Jonathan Baltora, AXA Investment Managers
Jonathan Baltora, AXA Investment Managers© AXA Investment Managers

Für Jonathan Baltora, Head of Inflation Expertise bei AXA Investment Managers (AXA IM) gibt schon jetzt Anzeichen dafür, dass die Inflation in den USA ihren Höhepunkt bereits überschritten haben könnte. Der US-Verbraucherpreisindex (VPI) stieg im August um 0,3 Prozent und damit so wenig wie seit Januar nicht mehr, nachdem er sich im Juli um 0,5 Prozent erhöht hatte. In der Eurozone hingegen lag die jährliche Inflationsrate im September bei 3,4 Prozent – das war ein 13-Jahres-Hoch. Die Europäische Zentralbank hat argumentiert, dass einmalige Faktoren – wie z.B. Lieferengpässe – für einen Großteil dieses Anstiegs verantwortlich sind und dass sich das Preiswachstum Anfang 2022 voraussichtlich abschwächen werde.

Redaktioneller Hinweis:In der druckfrischen Print-Ausgabe von "Institutional Money" (3/2021, Seiten 172ff. können Sie einen Artikel über Inflation-Linked-Bonds lesen, in dem Baltora (neben anderen prominenten Experten) ebenfalls zu Wort kommt. Nachzulesen HIER.

Inflation wird an Schwung verlieren
"Wir gehen davon aus, dass die Inflation in den USA weiterhin über der vier Prozent-Marke liegen und gegen Ende des ersten Quartals 2022 zurückgehen wird. Für den Euroraum erwarten wir, dass die Inflation bis Ende des zweiten Quartals 2022 nahe der 2,5 Prozent-Marke verharren wird und danach anfängt zu sinken, wenn die Probleme in der Lieferkette abnehmen und sich die Nachfrage normalisiert", prognostiziert Baltora.

Wenn sich der Preisanstieg abschwächt, werden die Preise Baltoras Meinung nach im historischen Vergleich dennoch relativ hoch bleiben. Im nächsten Jahr um diese Zeit sollte die Inflation in den USA bei rund 2,5 Prozent und in der Eurozone bei rund 1,5 Prozent liegen. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat gewarnt, dass die Preise in der gesamten Gruppe der G20 zumindest in den nächsten zwei Jahren schneller steigen werden als vor der Pandemie.

Inflation hängt von vielen Faktoren ab
Die Vorhersage der Inflation sei natürlich ein schwieriges Unterfangen, räumt Baltora ein. Die Preise können durch unerwartete oder einmalige Faktoren verzerrt werden.

Die Corona-Pandemie hat die zuvor in vielen Volkswirtschaften herrschende Phase moderaten Wachstums und moderater Inflation durchbrochen. Die Rückkehr aus den Lockdowns sowie die damit verbundenen Zeiten des „Stop and Go“ ließen viele Unternehmen zögern, ihre Produktionskapazitäten zu erweitern, was zu volatileren Wirtschafts- und Inflationsaussichten führte.

Die politischen Veränderungen in China stellen ein weiteres Risiko für die globale Inflation dar. China stellt sein Wachstumsmodell von der Exportwirtschaft auf den Konsum um. Das könnte sich erheblich auf die Preise auswirken. Hinzu kommt die derzeitige Energieknappheit in China, durch die einige Fabriken ihre Produktion einschränken müssen, was sich ebenfalls inflationär auswirkt.

Das größte kurzfristige Inflationsrisiko ortet Baltora derzeit in der Lohn-Preis-Spirale, die durch einen Arbeitskräftemangel entsteht, wenn die Volkswirtschaften aus der Verknappung herauskommen. In vielen Sektoren werden die Löhne erhöht, um die Arbeitskräfte wieder anzulocken. Ein höheres verfügbares Einkommen erhöht tendenziell die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen, was die Preise steigen lässt. Steigende Preise erhöhen dann die Nachfrage nach höheren Löhnen, was zu einer Preisspirale führen kann. Sie endet womöglich erst, wenn die Zinssätze wieder steigen.

Was ist "vorübergehend"?
Den aktuellen Inflationsschock sieht Baltora als vorübergehend an. Der Begriff "vorübergehend" werde aber immer schwieriger zu definieren, da die Inflation weiterhin nach oben überrascht. Dies schaffe die Voraussetzungen dafür, dass die Zentralbanken ihre Geldpolitik normalisieren. Es sei zu erwarten, dass die US-Notenbank auf ihrer Sitzung im November ein schrittweises Rückfahren der Anleihenkäufe (Tapering) ankündigen wird. Das Tapering wird kurz danach beginnen und soll Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein.

Auch der Zinsausschuss der US-Notenbank Fed hat seine Zinserwartungen nach vorne verschoben, wobei die erste Zinserhöhung bereits 2022 erfolgen könnte. Darüber hinaus signalisierte die Bank of England auf ihrer Sitzung im September, dass sie als erste der großen Zentralbanken die Zinssätze anheben könnte, möglicherweise noch vor Jahresende. Wir gehen aber davon aus, dass dies eher im Jahr 2022 geschehen wird.

Geeignete Anlagestrategien zum Inflationsschutz
"Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir inflationsgebundene Anleihen am vorderen Ende der Renditekurve – also solche mit kürzeren Laufzeiten -, die potenziell besser gegen höhere Zinsen geschützt sind", erklärt Baltora. Ebenfalls präferiert werden inflationsgebundene Anleihen mit kurzer Laufzeit, weil sie in der Vergangenheit stärker auf die Rohstoffpreise reagiert haben.

In der Eurozone scheint die quantitative Lockerung dauerhafter Bestandteil der Geldpolitik zu sein, während die Inflation relativ niedrig bleibt. Ein weiteres Risiko, denn die Geldpolitik wird sich irgendwann ändern. Französische und deutsche Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit können geeignet sein, um höhere Differenzen zwischen nominalen Anleiherenditen und realen Renditen inflationsgebundener Anleihen (Breakeven-Inflationsrate) auszugleichen und gleichzeitig einen potenziellen Schutz vor einem Politikwechsel bieten.

In den USA setzen wir auf ein- bis zweijährige inflationsgeschützte Staatsanleihen (Treasury Inflation-Protected Securities, TIPS) wegen des positiven Carrys durch die Indexierung der Inflation. Untergewichtet bleiben wir jedoch in fünfjährigen und länger laufenden TIPS, die unseres Erachtens vom Zurückfahren der Anleihenkäufe betroffen sind", erklärt Baltora.

Das Jahr 2021 habe gezeigt, dass die Inflation ohne Vorwarnung nach oben überraschen kann. Vorerst scheint die Beibehaltung eines gewissen Inflationsschutzes in den Anlageportfolios nach Ansicht Baltoras eine der am ehesten geeigneten Strategien zu sein, selbst angesichts der erwarteten bevorstehenden Normalisierung der Geldpolitik. (aa)

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