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Hohes Potential trotz großer Herausforderungen in der Ukraine

Die Ukraine setzt ihr tiefgreifendes Reformprogramm weiter fort. Zentralbank und Finanzministerium nehmen dabei eine dominante Führungsrolle ein. Eine neue Generation von Politikern, die das Land weiter voranbringen wollen, ist in der lebendigen und geschäftigen Hauptstadt Kiew angekommen.

Peter Eerdmans, Head of Fixed Income bei Ninety One (vormals Investec Asset Management)
Peter Eerdmans, Head of Fixed Income bei Ninety One (vormals Investec Asset Management)© Ninety One

"Das Land kann solide Fundamentaldaten, starke wirtschaftliche Kennzahlen und einen Haushaltsüberschuss vorweisen. Allerdings verfügen die Oligarchen weiterhin über großen Einfluss und spalten dadurch die Gesellschaft. Dies sorgt für ein gewisses Maß an Unsicherheit in der Ukraine", analysiert Peter Eerdmans, Head of Fixed Income beim Asset Manager Ninety One. Derartige Einflussnahmen könnten dazu führen, dass das Land sein Potenzial nicht voll ausschöpfen kann. Daher sollte man die Entwicklungen im Land genau im Auge behalten.

Ambitioniertes Reformprogramm
Auf den ersten Blick scheine die Ukraine große Fortschritte zu machen, was einen Blick auf ukrainische Staatsanleihen lohnend mache, so Eerdmans weiter. Zentralbank und Finanzministerium scheinen äußerst glaubwürdig und hochkompetent zu sein. Es gebe ambitionierte Pläne, das Land voranzutreiben und zu reformieren. Das zeigten auch die vielen EU-Flaggen, die in der Hauptstadt und in anderen Teilen des Landes zu sehen sind.

Stabile Konjunktur
Kiew ist eine eindrucksvolle Stadt. Sie ist sauber, extrem dynamisch, die Läden sind voll, und den Unternehmen geht es gut. Eine neue Generation von Politikern regiert das Land. Diese sind jedoch zum Teil unerfahren und agieren manchmal ein wenig naiv. Ein erfahrener Abgeordneter der Partei „Stimme” bemerkte, dass diese jungen Abgeordneten „das System aufbrechen“, was er aber durchaus gut finde. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten der Ukraine befinden sich auf einem guten Niveau. So soll die Inflation Prognosen zufolge im ersten Quartal auf unter drei Prozent sinken, bevor sie Ende 2020 wieder auf fünf Prozent steigen soll. Eerdmans: "Das Land weist einen Haushaltsüberschuss auf und die ukrainische Zentralbank konnte dank Portfolioinvestitionen im letzten Jahr Reserven in Höhe von sieben Milliarden US-Dollar aufbauen. Insgesamt weist das Land also ein günstiges Risikoprofil auf. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere Kommunalanleihen und BIP-gebundene Schuldverschreibungen interessant."

Einflussreiche Oligarchen
Man sollte sich aber nichts vormachen. "Die politische Lage in der Ukraine ist und bleibt fragil. Die Oligarchen verfügen nach wie vor über großen Einflus,s und die ukrainischen Gerichte erlassen zum Teil fragwürdige Urteile. Präsident Selenskyj wird auch in den kommenden Jahren unter großem Druck stehen. Er wird sowohl innerhalb als auch außerhalb seiner Partei als „Diener des Volkes” aufgebaut. Innerhalb der Partei gibt es eine beträchtliche Anzahl an Abgeordneten, die treue Anhänger von Igor Kolomoisky sind. Dieser ukrainische Oligarch ist der ehemalige Eigentümer der Privaat Bank, die verstaatlicht werden musste", weiß Eerdmans zu berichten.

Die Partei des ehemaligen Präsidenten Poroschenko positioniert sich gegen das Reformprogramm. Dabei wären die Reformen unbedingt notwendig, um das wirtschaftliche Potenzial des Landes auszuschöpfen. Aufgrund des Widerstands dürfte es schwierig werden, weitere Reformen durchzusetzen, besonders wenn diese auf eine Stärkung der Judikative und eine Einschränkung von Monopolen abzielen.

Ein nichtlinearer Weg nach vorn
In den Tagen vor dem Coronavirus und der Ölkrise wurden einige unerwartete Änderungen im Kabinett vorgenommen. Diese haben die Aufmerksamkeit der Investoren wieder auf die Schwachstellen der Regierungsführung im Land gelenkt und unterstrichen, wie politische Fehltritte zu Unebenheiten auf dem Weg führen können.

Fazit
Insgesamt lässt sich also sagen, dass der beeindruckende wirtschaftliche Aufschwung in der Ukraine nach wie vor anhält und sich die Unterstützung durch den IWF als äußerst erfolgreich erwiesen hat. "Es wird sich zeigen, ob das Land diese Dynamik aufrechterhalten kann, der Einfluss der Oligarchen langfristig eingedämmt werden kann und gleichzeitig weitere Fehlentscheidungen der Regierung vermieden werden können", so Eerdmans Résumé. (kb)

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