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Green Deal als Wachstumsstrategie: Was Joseph Schumpeter uns lehrt

Sinkende Wachstumsraten, steigende CO2-Emissionen – für viele Industrienationen ein bekanntes Phänomen. Grüne Konjunkturpakete in Europa und den USA sollen das nun ändern. Welches Wachstumspotential in ihnen steckt, erklärt Dr. Ernst Konrad, geschäftsführender Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz.

Dr. Ernst Konrad, geschäftsführender Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz
Dr. Ernst Konrad, geschäftsführender Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz© Eyb & Wallwitz

Die Grünen fordern ihn, genauso wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen oder BlackRock-Chef Larry Fink: Einen radikalen Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit und grünen Technologien. Das Versprechen: Mehr Klimaschutz und ein Ende der „säkularen Stagnation“. Doch kann eine grüne Transformation wirklich für langfristiges Wirtschaftswachstum sorgen? Oder grundsätzlicher gefragt: Wie entsteht Wachstum überhaupt?

Am Anfang steht eine Innovation
Eine Frage, die sich auch der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter in seinem 1911 erschienen Frühwerk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ stellte. Entgegen der damals verbreiteten Ansicht, dass Märkte langfristig zu einer Art statischem Gleichgewichtszustand neigen, war für ihn klar: Was den Kapitalismus ausmacht, sind nicht seine Beharrungskräfte, sondern seine Fähigkeit, sich ständig neu zu erfinden. So würden dynamische Unternehmer und technologische Innovationen immer wieder dafür sorgen, dass alte Monopole gestürzt werden und neues Wachstum entsteht.

Ein Konzept, das Schumpeter als „schöpferische Kraft der Zerstörung“ bezeichnete und dessen Verlauf er in der Form eines konjunkturellen Zyklus beschrieb. In diesem Zyklus kommt es zu einer wiederkehrenden Abfolge von Innovation, Imitation, Wachstum, Monopolwechsel und abflachender Konjunktur. Allerdings währt dieser Kreislauf laut Schumpeter nicht ewig, da sich mit jedem neuen Innovationszyklus der gesamtwirtschaftliche Wohlstand mehrt, was langfristig zu einem Erlahmen des Unternehmergeistes und zu einer immer größeren Rolle des Staates in der Wirtschaft führt. Eine Entwicklung, die letzten Endes sogar in eine Phase des allgemeinen Stillstands übergehen könne.

Hohes Plateau schon erreicht?
"Nicht wenige Ökonomen sind heute der Auffassung, dass sich manche Industrienationen bereits in einem stationären Zustand befinden, der dem von Schumpeter beschriebenen nicht unähnlich ist. Als Beleg für diese These führen sie geringe Wachstumsraten, hohe Sparquoten und eine niedrige Nachfrage ins Feld. Das sind stichhaltige Argumente", sagt Dr. Ernst Konrad, geschäftsführender Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz. Doch lässt sich daraus wirklich ableiten, dass die wirtschaftliche Entwicklung irgendwann zum Erliegen kommen muss?

Quelle: Refinitiv; Eyb & Wallwitz

Kein Ende in Sicht
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Hier sagt Schumpeter ganz klar: nein", setzt Dr. Konrad fort. So tendiere der Kapitalismus zwar langfristig zu abflachenden Wachstumsraten, doch bedeute das nicht, dass es nach der Erfüllung aller gegenwärtigen Konsumbedürfnisse keine neuen Wachstumsimpulse mehr geben könne: "Ein Punkt, indem sich Schumpeter deutlich von den geschichtsdeterministischen Ansätzen anderer Theoretiker, wie Karl Marx, unterschiedet. Dennoch sieht auch er eine Reihe von Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit lahmende Volkswirtschaften wieder Tempo aufnehmen können. Neben der Grundvoraussetzung, dass der technologische Status quo durch neue Innovationen herausgefordert wird, sind das vor allem dynamische Unternehmer, billiges Geld, kalkulierbare Risiken und ein fairer Wettbewerb."

Fünf wichtige Anhaltspunkte für den Erfolg eines jeden Konjunkturprogramms
Diese gelte auch für den Green Deal, den europäischen „Mann-auf-dem-Mond-Moment“, wie Kommissionspräsidentin von der Leyen sagte, zu beachten. Konrad: "Rund eine Billion Euro an Investitionen sollen für ihn in den kommenden zehn Jahren mobilisiert werden. Ein ambitioniertes Vorhaben von historischem Ausmaß. Mit Blick auf Schumpeters Konzept der kreativen Zerstörung können wir sagen: Rein theoretisch steht der Mondreise als grünem Wachstumsboost nichts im Wege. Allerdings nur unter den entsprechenden Voraussetzungen, wobei die nötigen Finanzierungsmöglichkeiten, Innovationen und dynamischen Unternehmer bereits ausreichend im Binnenmarkt vorhanden sein sollten."

Grüne Preissignale nötig
Woran es dagegen noch hapert, ist ein „level playingfield“, also gleiche Wettbewerbsbedingungen, im Wettbewerb der neuen und alten Technologien. Denn solange fossile Subventionierungen auf nationaler Ebene noch immer den europäischen Wettbewerb aushebeln, können die Preise keine ausreichende Lenkungswirkung entfalten. Die Einzelinteressen deutscher und französischer Energie- und Industriedinosaurier dürfen hier nicht länger über den Anforderungen einer funktionierenden Marktwirtschaft stehen, sagt Konrad. "Darüber hinaus sollten Unternehmen, die ihre Produktion auf grüne Technologien umstellen wollen, stärker unterstützt werden – mit Kreditbürgschaften, aber auch mit Zuschüssen für Forschung und Entwicklung. Denn wo allgemeine Unsicherheiten die Analyse von langfristigen Investitionsrisiken unmöglich machen, bleiben die nötigen Anschaffungen aus. Hier könnte ein Green Deal für deutlich mehr Rechtssicherheit und entsprechende Ausfallgarantien auf europäischer Ebene sorgen. Das Resultat wäre eine neue Phase der kreativen Zerstörung, von der auch die Investoren nachhaltig profitieren würden." (kb)

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