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Friendshoring – noch mehr Handel mit Freunden?

In einer Rede forderte US-Finanzministerin Janet Yellen einen Ausbau des "Friendshoring", des verstärkten Handels mit befreundeten Ländern. Sven Lehmann von HQ Trust spricht über einen Trend, bei dem sich schon jetzt erhebliche Unterschiede ergeben, wenn man den Demokratie-Score berücksichtigt.

Sven Lehmann, Portfoliomanager bei HQ Trust
Sven Lehmann, Portfoliomanager bei HQ Trust© HQ Trust

Für seine neue Auswertung analysierte Sven Lehmann die Aufteilung der Exporte der G20 und großer europäischer Länder nach dem Demokratieindex der Economist Intelligence Unit. Dazu ermittelte der Kapitalmarktanalyst von HQ Trust sowohl den Demokratieindex-Score für diese 31 Länder als auch den exportgewichteten Score für jedes dieser Länder.

Die folgende Grafik zeigt die Aufteilung der Exporte von den G20 und großen europäischen Ländern nach dem Demokratieindex von Economist Intelligence Unit:

Quelle: Economist Intelligence Unit , IMF, Refinitiv, H Trust

Dazu ein Beispiel: Auf der Skala von 1 bis 10 kommt Norwegen mit 9,8 (2. Säule von links) aktuell auf den höchsten Score im Demokratieindex. Gewichtet man nun die Exporte Norwegens mit dem jeweiligen Score des Handelspartners, errechnet sich der exportgewichtete Mittelwert. Auch hier liegt Norwegen mit einem Wert von 7,8 an der Spitze.

Erkenntnisse
„Friendshoring ist schon heute weit verbreitet. Betrachtet man den Demokratie-Score der Länder, in die exportiert wird, zeigen sich aber erhebliche Unterschiede“, stellt Lehmann fest. „Auf den höchsten eigenen Demokratie-Score und Werte von mehr als 9 kommen Norwegen, Schweden und Frankreich. Deutschland steht derzeit bei 7,1, China bei 2,2.“ Und weiter:
„Sieht man sich an, in welche Länder Waren exportiert werden, findet man ebenfalls Schweden und Norwegen an der Spitze, gefolgt von Belgien und Dänemark. Auf die niedrigsten Werte unter den untersuchten 31 Nationen kommen hier Südkorea, Australien und Brasilien.“ Nur bei sechs der 31 analysierten Länder liege der eigene Score unter dem der Handelspartner. Besonders deutlich sei das bei China, Südafrika und Russland.

Friendshoring im Steigen begriffen
Zum Thema „Friendshoring“ sagt Dr. Michael Heise (Bild links), Chefökonom von HQ Trust: „Das Friendshoring wird den Prozess der Globalisierung in den nächsten Jahren verändern. Handel und Direktinvestitionen zwischen demokratischen und befreundeten Staaten werden zunehmen.“ Dabei sei es wichtig, alles zu tun, um eine Fragmentierung der Weltwirtschaft, eine Spaltung in zwei sich gegenüberstehende Blöcke mit demokratischer und mit autokratischer Führung zu verhindern und multilaterale Regeln des Systems zu verteidigen.

Multilateralismus nicht aufgeben
„Das Prinzip des Multilateralismus ist nicht nur für den Handel, sondern auch für den Klimaschutz von zentraler Bedeutung. Eine Fragmentierung wäre für alle Länder von Nachteil“, weiß Heise. „Es sollte auf verschiedenen Ebenen — in der G7, der G20, der UN, der WTO und anderen internationalen Institutionen — angesetzt werden, um die globale Zusammenarbeit zu fördern und das auf Regeln basierende internationale System weiterzuentwickeln. Verbesserungen werden durch politische Verhandlungen erreicht, die unterschiedliche Interessen ausgleichen, und nicht durch Wirtschaftskriege, die zum Recht des Stärkeren führen.“ (kb)

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