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EZB verlangsamt Straffung, deutet aber weitere Zinsschritte an

In ihrer geldpolitischen Straffungskampagne zur Eindämmung der Inflation hat die Europäische Zentralbank die bislang geringste Zinserhöhung vorgenommen. Die Währungshüter deuteten dabei an, dass weitere Zinsschritte folgen dürften.

Christine Lagarde, EZB
Christine Lagarde, EZB© Alex Kraus / Bloomberg

Der EZB-Rat hob den Einlagensatz am Donnerstag um einen Viertelprozentpunkt auf 3,25 Prozent an, nachdem er ihn dreimal in Folge um das Doppelte (50 Basispunkte) erhöht hatte. Die Entscheidung entsprach den Erwartungen von Händlern und den meisten Ökonomen.

“Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht werden, um eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Zweiprozent-Ziel zu erreichen”, hieß es in der Mitteilung der Notenbank. “Bei der Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus wird der EZB-Rat auch künftig einen datengestützten Ansatz verfolgen.”

EZB-Präsidentin Christine Lagarde verwies darauf, dass bezüglich der Inflation weiterhin erhebliche Aufwärtsrisiken bestünden. Die Einzelhandelspreise könnten in naher Zukunft höhere Niveaus erreichen als erwartet. Auch die jüngsten Tarifabschlüsse hätten die Inflationsrisiken erhöht, insbesondere wenn die Gewinnspannen hoch bleiben, so Lagarde. Der Ausblick für das verarbeitende Gewerbe indessen verschlechtere sich.

“Wir haben noch viel vor uns, und wir werden nicht innehalten”, sagte Präsidentin Christine Lagarde auf einer Pressekonferenz. “Das ist ganz klar.” Sie beschrieb die Entscheidung im Rat als “fast einstimmig” — einige Mitglieder hätten einen größeren Schritt befürwortet.

Als mögliches Zugeständnis an die Falken im EZB-Rat wurde angekündigt, die APP-Reinvestitionen voraussichtlich ab Juli einzustellen.

Die Verringerung der Anleihebestände in Höhe von rund fünf Billionen Euro um 15 Milliarden Euro pro Monat ab März hat keine Verwerfungen auf den Finanzmärkten verursacht. Von Bloomberg befragte Analysten hatten indessen nur eine graduellere Beschleunigung des Abbaus erwartet.

Markt preist neue Erwartungen ein
Am Geldmarkt wurden nach der EZB-Entscheidung Zinserhöhungswetten gestutzt. Der Zinsgipfel wird nun bei 3,70 Prozent im September gesehen. Vergangene Woche war man noch von einem Maximalniveau im Zyklus von 3,90 Prozent ausgegangen.

“Die Temporeduktion auf 25 Basispunkte, verbunden mit einer nur lockeren Zusage, mehr zu tun, signalisiert eine wichtige Veränderung des geldpolitischen Ausblicks der EZB. Wir gehen davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus im Juni enden wird, vorausgesetzt, die Inflationsdaten lassen dies zu. Eine Anhebung im Juli bleibt möglich", kommentiert Jamie Rush, Chefvolkswirt für Europa bei Bloomberg Economics

Zur Orientierung: Die Teuerung im Euroraum liegt inzwischen deutlich unter ihrem Höchststand vom Oktober und die Kerninflation ist erstmals seit zehn Monaten rückläufig.

In den USA hat die Federal Reserve die Zinsen am Mittwoch zum zehnten Mal in Folge angehoben. Angesichts neuer Unsicherheit in Bezug auf den Bankensektor deutete sie dabei jedoch die Möglichkeit einer Straffungspause an.

Erhebliche Aufwärtsrisiken
Lagarde betonte auf der Pressekonferenz, es bestünden weiterhin “erhebliche” Aufwärtsrisiken für die Inflationsaussichten. “Dazu gehört der bestehende Druck in der Pipeline, der die Einzelhandelspreise in naher Zukunft höher als erwartet steigen lassen könnte”, sagte sie. “Die jüngsten Lohnabschlüsse haben die Aufwärtsrisiken für die Inflation erhöht, insbesondere wenn die Gewinnspannen hoch bleiben.”

Neben den Preissteigerungen im April wurden im Vorfeld der Ratssitzung auch Daten veröffentlicht, die ein langsameres Wirtschaftswachstum in der Eurozone zeigten sowie strengere Kreditbedingungen, was das Wachstum zusätzlich gefährdet.

Die Währungshüter haben das Lohnwachstum schon seit langem im Auge, achten aber auch verstärkt auf die Gewinnspannen der Unternehmen, die sich während des Inflationsschocks ausgeweitet haben und den Preisdruck aufrechterhalten könnten.

EZB-Falken gaben 50-Basispunkte-Schritt ohne großen Kampf auf
Die Falken im Rat der Europäischen Zentralbank, die eine Zinserhöhung um einen halben Punkt befürworteten, leisteten keinen ernsthaften Widerstand gegen den kleineren Schritt, der am Ende beschlossen wurde. Das berichten laut Bloomberg mit der Angelegenheit vertraute Personen.

Die Tatsache, dass die EZB eine weitere Straffung der Geldpolitik in Aussicht stellte und dass das Auslaufen der Reinvestitionen im Rahmen des älteren Anleihekaufprogramms der EZB beschlossen wurde, trug dazu bei, dass man sich am Donnerstag auf eine Erhöhung um 25 Basispunkte einigen konnte, hieß es.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde sprach nach der Entscheidung von einem “fast einstimmigen Beschluss” und erwähnte, dass einige Rats-Kollegen eine stärkere Anhebung befürwortet hätten. Sie deutete auch an, dass weitere Zinserhöhungen bevorstehen. (aa)

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