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Europas Energiekrise kommt beim Rest der Welt an

In diesem Winter wird die Welt um etwas Unsichtbares, Knappes, aber Lebenswichtiges kämpfen. Die Länder sind mehr denn je auf Erdgas angewiesen, um Häuser zu heizen und Industrien anzutreiben, während man versucht, aus der Kohle auszusteigen und die Nutzung sauberer Energiequellen zu erhöhen.

© knssr / stock.adobe.com

Offenbar gibt es nicht genug Gas, um den Aufschwung nach der Pandemie zu finanzieren und die Vorräte vor den kalten Wintermonaten wieder aufzufüllen. Die Länder versuchen, sich gegenseitig um die Lieferungen zu überbieten, da Exporteure wie Russland versuchen, mehr Erdgas im eigenen Land zu halten, um ihre eigenen Tanks zu füllen. Die Knappheit wird noch viel schlimmer werden, wenn die Temperaturen sinken.

Krise in Europa als Vorbote der Probleme für den Rest der Welt
Einzelne Regierungen warnen bereits aufgrund der Energieknappheit auf dem Kontinent
vor Stromausfällen und der Schließung von Fabriken. Die Vorräte in den europäischen Erdgaslagern sind auf einem für diese Jahreszeit historisch niedrigen Stand. Die Pipelineströme aus Russland und Norwegen sind begrenzt. Das ist besorgniserregend, da
ruhigeres Wetter die Leistung von Windturbinen reduziert hat, während Europas veraltete Kernkraftwerke abgeschaltet werden, auslaufen oder anfälliger für Ausfälle sind, so dass Gas noch dringender benötigt wird. Kein Wunder, dass die europäischen Gaspreise im letzten Jahr um fast 500 Prozent gestiegen sind und in der Nähe von Rekordwerten handeln.

Kollateralschäden
Der Preisanstieg hat einige Düngemittelhersteller in Europa dazu gezwungen, ihre Produktion zu drosseln. Kosten für die Landwirte erhöhen sich und führen möglicherweise zu weltweit höherer Inflation. Im Vereinigten Königreich haben die hohen Energiepreise mehrere
Lieferanten, die sich gegen die hohen Preise nicht hedgten, aus dem Geschäft gedrängt.
Selbst ein normalerweise kalter Winter in der nördlichen Hemisphäre dürfte die Erdgaspreise in weiten Teilen der Welt weiter in die Höhe treiben. In China haben industrielle Nutzer, darunter Hersteller von Keramik, Glas und Zement, mit Preiserhöhungen reagiert. Haushalte in Brasilien werden mit teuren Stromrechnungen konfrontiert. Volkswirtschaften wie Pakistan oder Bangladesch, die sich den Brennstoff nicht leisten können, könnten einfach zum Stillstand kommen.

Ob Beten hilft?
Versorgungsunternehmen und politische Entscheidungsträger beten für milde Temperaturen, denn es ist bereits zu spät, um die Liefermengen zu erhöhen. Die Aussicht auf steigende Energiekosten, in Verbindung mit eingeschränkten Lieferketten und höheren Lebensmittelpreisen, könnte mehr Zentralbanker dazu veranlassen in Frage stellen, ob der Inflationsanstieg wirklich nur vorübergehend ist, wie sie gehofft hatten. "Wenn der Winter tatsächlich kalt ist, befürchte ich, dass wir nicht nicht genug Gas haben, um in Teilen Europas zu heizen". Das sagte Amos Hochstein, leitenden Berater des US-Außenministeriums für Energiesicherheit, am 20. September gegenüber Bloomberg TV.

In Asien zahlen die Importeure von Flüssigerdgas Rekordpreise für diese Jahreszeit
Sie tun das, um die Versorgung zu sichern, wobei einige beginnen, schmutzigere Brennstoffe wie Kohle und Heizöl zu kaufen. Dies könnte die Bemühungen der Regierungen untergraben, ehrgeizige Umweltziele zu erreichen: Gas stößt etwa halb so viel Kohlendioxid aus wie Kohle, wenn es verbrannt wird.

China hat nicht genug bevorratet
China, der weltweit größte Abnehmer von Erdgas, hat seine Vorräte nicht schnell genug aufgefüllt, obwohl die Importe fast doppelt so hoch wie im letzten Jahr sind , wie aus den Zolldaten hervorgeht, die Bloomberg vorliegen. Mehrere chinesische Provinzen rationieren bereits den Strom, um die Ziele von Präsident Xi Jinping für Energieeffizienz und Reduktion der Umweltverschmutzung zu erfüllen. Eine Stromkrise könnte die Abschaltungen von Firmen verschärfen, wenn die Behörden Gas für Licht und Heizung in Haushalte umleiten.

Folgewirkungen
Wenn chinesische Fabriken mit einem weit verbreiteten Strommangel zu kämpfen haben, werden die Weltmarktpreise für Stahl und Aluminium in die Höhe schnellen. Noch dazu kämpft China auch noch mit einem Mangel an Kohle. Die Versorger in Japan und Südkorea sind weitgehend geschützt durch langfristige Flüssiggas-(LNG)-Verträge, die an den Ölpreis gekoppelt sind. Dennoch gab Korea Electric Power am 23. September bekannt, dass man die Strompreise zum ersten Mal seit fast acht Jahren(!) erhöhen werde. Ein plötzlicher Kälteeinbruch könnte mehr Stromversorger dazu zwingen, an den Spotmarkt zu gehen, um notwendiges Gas zu rekordverdächtigen Preisen zu kaufen. Genau das ist im letzten Winter passiert.

Politische Kontroversen
Die Kosten für die Sicherung der LNG-Lieferungen haben eine politische eine politische Kontroverse in Pakistan ausgelöst. Oppositionspolitiker forderten eine Untersuchung der Käufe durch den staatlichen Importeur. In Brasilien hat der niedrigste Wasserstand im Parana-Flussbecken seit fast einem Jahrhundert die Wasserkraftproduktion verringert und die
Versorgungsunternehmen gezwungen, stärker auf Gas zu setzen. Das Land steigerte die Gasimporte im Juli auf ein Allzeithoch, und die Stromrechnungen steigen. Da die Inflation bereits stark ansteigt, könnte dies Präsident Bolsonaros Chancen bei den Wahlen im nächsten Jahr beeinträchtigen.

Kampf um LNG
Die Bühne ist bereitet für einen regelrechten Wettlauf zwischen Asien, Europa, dem Nahen Osten und Südamerika um LNG-Lieferungen von Exporteuren wie Katar, Trinidad und Tobago und den USA. "Wir haben eine riesige Nachfrage von all unseren Kunden und leider können wir nicht alle bedienen", warnte Saad Al-Kaabi, Katars Energieminister, auf einer Branchenkonferenz in diesem Monat.

Was in den USA (nicht) geschieht
Die amerikanischen Exporteure sind bereit, mehr LNG als je zuvor zu verschiffen, da neue Projekte gegen Ende des Jahres ans Netz gehen. Aber je mehr Gas ins Ausland fließt, desto weniger wird im Inland zur Verfügung stehen. Auch wenn die Gaspreise in den USA deutlich niedriger als in Europa und Asien sind, bewegen sie sich auf dem höchsten Stand seit 2014.
Die Gasvorräte liegen unter ihrem fünfjährigen saisonalen Durchschnitt, doch die amerikanischen Schiefergasbohrfirmen zögern, aus Sorge, dass dies ihre Rentabilität schmälern und die Investoren abschrecken könnte, ihre Produktion zu erhöhen.

America first - what else
Der Verband Industrial Energy Consumers of America hat das Energieministerium aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das Energieministerium die US-Exporte reduziert, bis sich die Lagerbestände wieder normalisiert haben, ein Schritt, der die Engpässe im Ausland verschärfen könnte.

Alarmierte Bürger
Früher schenkte der Durchschnittsbürger dem Marktpreis von Erdgas wenig Aufmerksamkeit.
Denn es ist nicht wie beim Öl, wo eine eine kurzfristige Entscheidung der OPEC fast sofort den Preis an der Zapfsäule beeinflusst. In diesem Winter wird die Welt wahrscheinlich erfahren, wie sehr die Weltwirtschaft vom Erdgas tatsächlich abhängt. (kb)

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