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Europäische Firmen bangen vor teuren Refinanzierungen und Pleiten

Die Zinserhöhungen mögen sich in Europa auf ihren Höhepunkt zubewegen. Unternehmen, die während der Ära der extrem niedrigen Kreditkosten Billionen von Euro aufgenommen haben und auch deren Gläubigern steht aber noch viel Schmerz bevor.

© gguy / stock.adobe.com

Bis zum Ende dieses Jahrzehnts müssen Kreditnehmer auf dem ganzen Kontinent einen Berg von Schulden zurückzahlen, die zu Zeiten aufgenommen wurden, als die Finanzierungskosten noch um ein Vielfaches niedriger waren. Zwar ist die Anpassung vielerorts - auch in den USA - schmerzhaft, in Europa trifft es die Schuldner aber besonders hart. Die Zinssätze lagen dort acht Jahre lang unter Null. Viele Kreditnehmer haben die Refinanzierung in der Hoffnung aufgeschoben, dass die Zinsen wieder sinken würden. Da sich die Volkswirtschaften jedoch größtenteils besser entwickelt haben als erwartet, verblasst dieser Wunsch zunehmend. Das schreibt Bloomberg in einer längeren Analyse.

Schulden kommen teuer
Investoren erwarten, dass die kommenden Jahre von Zahlungsausfällen und Ausgabenkürzungen geprägt sein werden, da ein größerer Teil der Einnahmen von Unternehmen, Haushalten und Staaten in die Finanzierung von Schulden fließt. Ein deutlicher Indikator für den bevorstehenden Umbruch ist die Kluft zwischen dem, was Regierungen und Unternehmen weltweit derzeit an Zinsen zahlen, und dem zu zahlenden Betrag, wenn sie sich zu den heutigen Konditionen refinanzieren würden. Abgesehen von einigen Monaten während der globalen Finanzkrise lag dieser Wert immer unter Null. Jetzt pendelt er um ein Rekordhoch von 1,5 Prozentpunkten.

“Wenn Sie darauf gewettet haben, dass die 2010er Jahre die neue Normalität sind, in der die Zinssätze immer weiter sinken und Sie jederzeit refinanzieren können, dann ist dies ein wirklich schwieriges Umfeld”, sagte Mark Bathgate, ein ehemaliger Investor von Goldman Sachs und BlueBay Asset Management, der jetzt seine eigene Beratungsfirma leitet. “Die Probleme bei europäischen Krediten könnten viel schlimmer sein als in den USA. Der Spielraum für den Aufbau einer übermäßigen Verschuldung war sehr viel größer.“

Auf Unternehmen, die während der Pandemie viel Geld beschaffen mussten, kommt ab 2025 eine Refinanzierungswelle zu, die 2026 ihren Höhepunkt erreicht. Den von Bloomberg zusammengestellten Daten zufolge haben Emittenten im Hochzinsbereich in Europa in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Schulden in Höhe von knapp 400 Milliarden Euro zu begleichen, wie nachfolgende Grafik zeigt:

Viele Schulden müssen auf absehbare Zeit getilgt werden

Stress voraus
“Während der Jahre des billigen Geldes wurde nicht so viel darüber nachgedacht, wie ein Hochzinsumfeld aussehen könnte”, sagte Danielle Poli, Portfoliomanagerin bei Oaktree Capital Management. “Wir sehen immer noch Stress auf einige Kreditnehmer zukommen, vor allem auf diejenigen, die eine aggressivere Kapitalstruktur haben.”

Hoffen auf relativ niedrige Ausfallraten
Allerdings wird nicht erwartet, dass die Ausfallrate bei den risikoreichsten Unternehmen auch nur annähernd die 13,4 Prozent erreicht, die während der globalen Finanzkrise zu verzeichnen waren. Moody’s Investors Service prognostiziert, dass die weltweite Ausfallrate für Unternehmen mit Ramsch-Rating bis Ende dieses Jahres den historischen Durchschnitt übertreffen und im März 2024 mit 4,7 Prozent ihren Höhepunkt erreichen wird. Für Europa wird Mitte nächsten Jahres ein Peak von 3,8 Prozent prognostiziert.

Finanzchefs zeigen sich kreativ
Für die meisten Unternehmen dürften höhere Zinsen eher zu einem Rückgang der Investitionsausgaben führen, was wiederum das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen wird. Firmen in Europa, dem Nahen Osten und Afrika haben in den ersten fünf Monaten des Jahres so viele Anleihen zurückgekauft wie seit 2009 nicht mehr, um ihre Verschuldung abzubauen und die Zinszahlungen zu senken. Andere haben versucht, die Laufzeiten ihrer bestehenden Schulden zu verlängern. Dies wird zwar oft mit einer Anhebung des Kupons versüßt, ist aber billiger, als mit einer Neuemission an den Markt zu gehen und neue Investoren zu gewinnen.

Laut Jochen Schönfelder, Senior Partner bei der Boston Consulting Group in Köln, müssen Unternehmen möglicherweise schon ein Jahr vor Fälligkeit der Schulden mit der Beschaffung von Mitteln für die Refinanzierung beginnen, falls sie neue Kreditgeber finden müssen. Bereits jetzt würden einige Unternehmen in Deutschland ihre Kosten senken und sich an private Kreditfonds wenden, wenn sie schnell Geld bräuchten.

“Viele erwarten, dass sich einige der wichtigsten Sektoren in Deutschland, wie das Baugewerbe und die Automobilzulieferer, schlechter entwickeln werden”, so Schönfelder. “Die große Frage ist, ob dies auch auf Anlagen, Maschinen und Ausrüstungslieferanten übergreifen wird und wie sich das auf den privaten Konsum auswirken wird.”

“Die Zeitspanne, in der wir uns in diesem Umfeld höherer Kapitalkosten und restriktiver Geldpolitik befinden, ist für Kreditnehmer viel wichtiger als die Frage, wo die Zinssätze letztendlich landen werden”, sagte Amanda Lynam, Leiterin des Macro Credit Research bei BlackRock. (aa)

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