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ESG-Kritiker Stuart Kirk: Die vernünftigen Ansichten des Ausgestoßenen

Kirk, Ex-Head of Responsible Investing bei der HSBC und FT Starkolumnist, war die Überraschung des Formats "IM Spezial" am Institutional Money-Kongress 2023 in Frankfurt. Sein rationaler Zugang zu Sustainability und seine Kritik am standardmäßigen Umgang mit ESG wurde mit kräftigem Applaus bedacht.

Stuart Kirk hielt am 14. Institutional Money-Kongress im Rahmen von "IM Spezial" einen vielbeachteten Vortrag, der institutionellen Investoren echten Mehrwert brachte.
Stuart Kirk hielt am 14. Institutional Money-Kongress im Rahmen von "IM Spezial" einen vielbeachteten Vortrag, der institutionellen Investoren echten Mehrwert brachte.© Nikola Haubner / Institutional Money

Stuart Kirk macht sich Gedanken über den richtigen Weg, wie man als institutioneller Investor am besten nachhaltig investiert. Denn es herrsche eine große Konfusion über die Definition des Begriffs "ESG". Und wenn man sich als Investor nicht darum kümmere, was ESG bedeute, dann sei man auch willens, eine Prämie für ESG-Aktien zu bezahlen, in die immer mehr Mittel flössen, so Kirk. So seien 80 Prozent der Investoren auch bereit, höhere Gebühren für ESG-Fonds zu akzeptieren, und die Hälfte sei bereit, eine ESG Performance Fee Prämie von drei bis fünf Prozent zu bezahlen. Dazu komme, dass 60 Prozent der Asset Manager nun sich das Thema ESG Performance Fees näher ansähen.

Zwei diametral entgegengesetzte ESG-Definitonen
Dabei muss man laut Kirk zwei gleichzeitig gültige Definitionen betrachten, die in einem Konflikt zueinander stehen: Die erste Definition bezieht sich auf ESG als einen Input-Faktor, wie sie auch die MSCI ESG Ratings als Risk-/Return-Matrix widerspiegeln. Wer hier als Investor agnostisch vorgeht, kann auch Titel mit niedrigem ESG-Rating erwerben, wenn sich die Transitionsrisiken stärker im Preis niederschlagen, als dies gerechtfertigt wäre, da man hier Wert heben könnte.

Diese Definition steht in krassem Gegensatz zu der zweiten, outputorientierten, die den Impact ins Zentrum rückt - oder die "Goodness", wie es Kirk nennt. Der Unterschied zur erstgenannten Definition bestehe darin, dass man hier Firmen mit schlechten ESG-Rating nie und nimmer erwerben würde, gleichgültig wie billig diese auch immer sein mögen. Dieses Aufeinandertreffen unterschiedlicher Interpretationen von ESG müsse gelöst werden, denn dann würde auch Problem wie jenes bei den DWS-Fonds, die "Goodness" verkauft hätten, obwohl man ESG als Input-Faktor benutzt habe, nicht mehr entstehen.

Kritik an Elon Musk
Einen Pfeil in Richtung des Tesla-Gründers schoss Kirk ab, indem er sagte, dass auch er, Musk, den Unterschied zwischen ESG als Imput- oder Output-Faktor nicht verstanden habe. Denn Musk habe sich darüber beschwert, dass Tesla bei den ESG-Ratings schlechter als BMW abschneide, wo er doch die "guten" neuen Autos produziere. Damit habe Musk, der ESG als outputorientiert im Sinne von Impact verstehe, die konträre Ansicht zu den Nachhaltigkeits-Ratingagenturen, die ESG inputorientiert betrachteten.

Zweites Problem: Was bedeutet "Investing" - Trading oder Financing?
Damit nicht genug, mahnt Kirk an, man müsse unterscheiden, was mit einem Investment genau gemeint sei. Das könne entweder ein Direct Financing, also eine Primärmarkt-Finanzierung sein, wo neue Mittel zuflössen, mit der sich dann nachhaltige Zwecke verfolgen ließen, oder eine Sekundärmarkttransaktion, die keine Auswirkung auf die betreffende Firma habe, da ja nur bestehendes Kapital gehandelt werde.

Wer hier behaupte, es sei unmoralisch, solche Aktien zu halten, und verkauft diese an jemand anderen - denn es muss ja einen Käufer am Markt für diese Papiere geben - der handele eigentlich unlogisch.

Viel besser im Sinne von Nachhaltigkeitszielen wär es, engagiert zu bleiben, und durch Engagement und die Ausübung der Stimmrechte, Druck in Richtung eines Umdenkens der Unternehmensführung zu erzeugen. Divestment führe nur dazu, dass Aktien und Beteiligungen an Öl-, Gas- und Kohlefirmen in den Händen von Privatmarkt-Akteuren - sprich bei Privat Equity-Häusern - landeten, die diese verhasste Assets zu kräftigen Abschlägen erwerben und damit hohe Profite generieren würden. Auch würde diese Player dann für die Finanzierungen via Private Debt sorgen, und die ESG-Anhänger hätten nichts erreicht. Nach einem Delisting zähle nur mehr eines, nämlich die Rendite.

Was sich ändern müsste: Raus aus NZAMI und NZAOI
Impact sei nur gut dort möglich, wo Einflussmöglichkeiten - etwa bei Listed Equity und Credit in Developed genauso wie in Emerging Markets - bestünden, so Kirk weiter. Asset Manager und Asset Owner sollten sich auf Private Equity und Venture Capital fokussieren und bei gelisteten Aktien dem Druck widerstehen, bestimmte Branchen oder Firmen auszuschließen oder sich bestimmten Zielen unterzuordnen. Firmen aus heiklen Sektoren würden zunehmend die Böre verlassen.

"Raus aus der Net Zero Asset Managers Initiative (NZAMI) beziehungsweise der Net Zero Asset Owner Alliance (NZAOI)", fordert Kirk. Diese Initiativen seien fragwürdig und könnten nicht funktionieren. Stattdessen sei der Schlüssel zum Erfolg Engagement. Öl- und Gaskonzerne sollten finanziert werden, denn fossile Energiewende würden noch eine Zeit lang gebraucht werden. Zudem seien diese Firmen auch jene, die große Investitionen in Renewables tätigten. Es gelte generell, dem PR-Terror zu widerstehen. Zudem hätten Studien gezeigt, dass es keine Korrelation zwischen Trading-Volumen und Aktienkursen gebe.

Geforderte Regulatoren
Regierungen und Regulatoren sollten zwischen ESG-Input und ESG-Output Greenwashing unterscheiden. Außerdem sollten sie den Zurufen widerstehen, die da einer Standardisierung der ESG Input-Kennzahlen das Wort redeten. Vielmehr sollten Regulatoren die ESG Output-Kennzahlen standardisieren. Des Weiteren forderte der Brite, man möge die ESG-Regularien für den Sekundärmarkt aus den oben genannten Gründen fallen lassen.

Zur Divergenz USA-Europa betreffend ESG
Wie die News der letzten Monate gezeigt haben, gab es unter Trump eine Bewegung weg von ESG, während die Demokraten ESG auf ihre Fahnen heften. Dirty Assets konnten unter Trump ihren Discount zu den ESG-Titeln abbauen, doch das hat sich dies unter der Biden Administration wieder geändert. Ein Übergreifen der Contra-ESG-Bewegung, wie sie in republikanisch geführten Bundesstaaten zu beobachten sei, könne sich Kirk für Europa nicht vorstellen.

Idee eines "Bad Fund" plus Engagement
Diesem Konzept, in verhasste Branchen zu investieren und durch konstantes Engagement Veränderungen bezüglich des ESG-Outputs zu erreichen, kann Kirk einiges abgewinnen. Sie widerspricht dem, was am Markt unter ESG-Jüngern Usus ist.

Fazit
Kirk wünscht sich, dass der Regulator endlich eine verpflichtende Definition von ESG schafft, an die sich dann alle Marktteilnehmer zu halten hätten, um Missverständnisse ein für alle Mal auszuräumen. Seine grundvernünftigen Ansichten haben ihn den Job bei der HSBC gekostet, und bis auf weiteres wird er wohl in der dem Zeitgeist hinterher hechelnden Finanzindustrie nicht mehr aufschlagen können, wie ihm Headhunter immer wieder in den letzten Monaten bescheinigten. Ermutigungen für Vordenker abseits des Mainstream sehen anders aus..... (kb)

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