Logo von Institutional Money
| Märkte

Dirk Hasselbring: „Auch Artikel 6 kann grün sein“

Die Einstufung von Immobilienfonds nach den SFDR-Kategorien der hat nur bedingte Aussagekraft. Investoren, die ihre Entscheidungen unabhängig von Artikel 9, 8 oder 6 treffen, können Produkte mit hohem ökologischem Impact und sehr attraktiver Rendite finden, meint der Vorstand von d.i.i. Investment.

Dirk Hasselbring, Vorstand d.i.i. Investment GmbH
Dirk Hasselbring, Vorstand d.i.i. Investment GmbH© DIC Asset

Es hat sich eingebürgert, Produkte mit dem Label Artikel 9 als „dunkelgrün“, also in hohem Maße Nachhaltigkeitszielen dienend, zu bezeichnen. Während Artikel 8 immerhin mit „hellgrün“ in Verbindung gebracht wird und sich für viele Investoren als Mindestvoraussetzung für ein Engagement etabliert hat, gelten Artikel-6-Produkte als „nicht grün“, und es wird vermutet, dass sie keinen Nachhaltigkeitszielen dienen.

An dieser Einteilung regt sich Kritik, schreibt Dirk Hasselbring, Vorstand der d.i.i. Investment GmbH, in einem „Institutional Money“ exklusiv vorliegenden Beitrag.

Insbesondere mit Blick auf Immobilienfonds führe die Einteilung Investoren in die Irre, führe zu Fehlallokationen und konterkariere die Nachhaltigkeitsziele, argumentiert der europäische Immobilienfonds-Verband INREV in einer aktuellen Studie. Da die Kriterien für die Einordnung nach Artikel 9, 8 oder 6 weitgehend statisch seien und eine „Momentaufnahme“ darstellten, bevorzugten sie Vehikel, die in Neubauobjekte investieren. Diese haben von Beginn an einen zeitgemäßen und hohen energetischen Standard, der sich auch problemlos nachweisen lässt, merkt Hasselbring an.

Verzerrungen zulasten von Sanierungsmodellen
Anlagestrategien, die sich auf den Erwerb unsanierter Bestandsimmobilien konzentrieren, um diese energetisch zu ertüchtigen, haben es dagegen erheblich schwerer, sich als „hellgrün“ oder gar als „dunkelgrün“ zu qualifizieren, da das bestehende Portfolio im Durchschnitt einen niedrigeren energetischen Standard aufweist als ein reines Neubauportfolio. Während Neubauinvestoren einfach nur die Energieausweise ihrer Objekte vorlegen müssen, ist es deutlich komplexer, eine Manage-to-green-Strategie plausibel zu erläutern.

Die Folge ist laut INREV, dass sich Investoren bei Immobilieninvestments deutlich stärker auf Neubauportfolios fokussieren. Das stellt dem Verband zufolge eine Fehlallokation dar. Denn zum Erreichen der Klimaziele sei die energetische Ertüchtigung des Bestands erheblich wichtiger als der Neubau. Die Auslegung der Offenlegungsverordnung führe gar zu einem „unnötigen Neubau“. Das habe zusätzlich negative ökologische Implikationen, weil Neubau durch Herstellung und Transport der Baumaterialen und den Bauprozess selbst deutlich mehr Treibhausgasemissionen verursache als Sanierungen. Diese sogenannte graue Energie werde aber bei der Auslegung der Offenlegungsverordnung nicht berücksichtigt.

Artikel-8-Kriterien sind erfüllbar
Tatsächlich ist es aufwändiger, einen Fonds, der ökologischen Impact durch Bestandssanierung anstrebt, rechtssicher als Produkt nach Artikel 8 der Offenlegungsverordnung zu qualifizieren, als ein reines Neubauportfolio. Es ist aber auch nicht so, dass die Anforderungen dafür unerfüllbar wären. Der Fondsanbieter muss darlegen, welche Art von Objekten er erwirbt, und dafür eine plausible Sanierungsstrategie vorlegen. Dazu gehört auch eine Planung, welcher Anteil der Objekte im Bestand in welchem Zeitraum saniert wird und eine Quantifizierung der dadurch eingesparten Emissionen.

Wichtig ist laut Hasselbring, dass die Ziele auch dann erreichbar sind, wenn gestiegene und volatile Kosten für Materialien und Dienstleistungen und Verzögerungen bei der Beschaffung für zusätzliche Unsicherheiten sorgen. Wohnungsunternehmen, die nicht dem Trend der letzten Jahre gefolgt sind, Leistungen wie Asset- oder Projektmanagement outzusourcen, sind heute deutlich im Vorteil. Sie haben unmittelbaren Kontakt zum Markt, können in der Beschaffung kurzfristige Preis-Dips nutzen und sich durch langfristige Rahmenverträge Verfügbarkeit und dauerhaft günstigere Konditionen sichern.

Andere Unternehmen agieren angesichts höherer Unsicherheiten am Markt vorsichtiger und verzichten auf eine Artikel-8-Einstufung, um sich nicht im ungünstigen Fall dem Vorwurf des Greenwashings auszusetzen. Tatsächlich gibt es Fonds, die mit Bestandssanierungen großen ökologischen Impact erzeugen, jedoch als Artikel-6-Produkte deklariert sind.

Zudem ist das INREV-Argument, dass die ökologische Bilanz reiner Neubauportfolios bei Berücksichtigung der grauen Energie schlechter ausfallen würde, nicht von der Hand zu weisen. Insofern führt die Offenlegungsverordnung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung tatsächlich zu einer gewissen Verzerrung zum Nachteil von Fonds, die auf energetische Bestandsertüchtigung setzen.

Neubau und Sanierung sind gleichermaßen wichtig
Damit soll nicht gesagt sein, dass wir dem Vorwurf des „unnötigen Neubaus“ zustimmen. Angesichts der akuten Wohnungsnot in Deutschland müsste viel mehr neuer Wohnraum geschaffen werden. Natürliches Bevölkerungswachstum, hohe Nettozuwanderung durch Arbeitskräfte und Kriegsflüchtlinge sowie der wachsende Flächenbedarf pro Person aufgrund kleiner werdender Haushalte lassen die Nachfrage dauerhaft steigen. Dem wurde die Neubautätigkeit schon in den vergangenen Jahren nicht gerecht. Zwar können Unternehmen mit den oben genannten Qualifikationen und Kapazitäten auch im aktuellen Umfeld steigender Baukosten und Zinsen profitabel bauen, insgesamt aber sind am Neubaumarkt starke Bremseffekte zu beobachten, und für eine wieder zunehmende Aktivität gibt es zurzeit keine Anzeichen.

Das verstärkt auf absehbare Zeit den Nachfragedruck auf Bestandsimmobilien, insbesondere solche mit bezahlbaren Mieten. Von den mehr als 20 Millionen Wohngebäuden in Deutschland ist allerdings der größere Teil so alt, dass er über keinerlei Wärmeschutzfeatures verfügt. Da die Treibhausgasemissionen zu fast 40 Prozent aus Gebäuden stammten, ist die energetische Ertüchtigung dieser Bauten unabdingbar für das Erreichen der Klimaziele.

Die Bundesregierung stellt darum große Summen bereit, um Sanierungen zu fördern, die sich Investoren zunutze machen. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung 11,5 Milliarden Euro für energetische Maßnahmen zur Verfügung gestellt. Hinzu kamen Zuschüsse der KfW für Einzelmaßnahmen, die bis zu 20 Prozent der Kosten decken, und solche der BAFA von bis zu 45 Prozent. Da die Politik die Bedeutung der Bestandsertüchtigung für das Erreichen der Klimaziele erkannt hat, dürften die Fördertöpfe in diesem und den kommenden Jahren mindestens ebenso groß sein.

Das sind Hebel, die Wohnungsunternehmen nutzen, um energetische Sanierungen profitabel durchzuführen und den Wiederverkaufswert und die Mietrendite ihres Bestands deutlich zu steigern. Für Bestandsmieter hält sich die Belastung dabei in Grenzen: Da die Energiepreise in den letzten Monaten enorm gestiegen sind, haben die Maßnahmen einen sehr spürbaren Effekt in Form geringerer Nebenkosten, die die höhere Kaltmiete aufgrund umgelegter Sanierungskosten zum überwiegenden Teil aufheben.

„Für Anleger in Immobilienfonds bedeutet das alles: genau hinschauen! Die Klassifizierung nach Artikel 9, 8 oder 6 weist Mängel auf, die ihre Aussagekraft in Bezug auf Immobilienfonds einschränken. Aus politischer Sicht sind Investitionen in Neubau und Bestand gleichermaßen erwünscht. Das Sanieren von Wohnimmobilien-Portfolios erweist sich bei genauerer Betrachtung als ökologisch vorteilhafter, als es der Blick auf die Kategorien der Offenlegungsverordnung suggeriert. Profitabel durchführbar sind sie allemal“, betont Hasselbring abschließend. (aa)

Dieses Seite teilen