Logo von Institutional Money
| Märkte

Die Letzten werden die Ersten sein - sagt Peter E. Huber

Abseits ausgetretener Pfade sucht der sich derzeit im Un-Ruhestand befindliche Starinvestor Peter E. Huber nach Ertrag versprechenden Opportunitäten. In seinem jüngsten Marktkommentar lässt er uns an seinen Gedanken teilhaben.

Peter E. Huber hat manches mit Oscar Wilde gemein. So schätzt er dessen Bonmot: "Mit 90 Prozent aller Menschen nicht übereinzustimmen ist eines der wichtigsten Anzeichen für geistige Gesundheit."
Peter E. Huber hat manches mit Oscar Wilde gemein. So schätzt er dessen Bonmot: "Mit 90 Prozent aller Menschen nicht übereinzustimmen ist eines der wichtigsten Anzeichen für geistige Gesundheit."© José Poblete / FONDS professionell

Das letzte Jahrzehnt war an den Aktienmärkten vor allem durch zwei bemerkenswerte Entwicklungen geprägt: die weit überdurchschnittlichen Wertsteigerungen von US-Aktien gegenüber dem Rest der Welt und die enormen Kursgewinne von hoch bewerteten Wachstums- und Qualitätsaktien gegenüber niedrig bewerteten Value-Titeln. "Beides versucht man eifrig rational zu begründen, doch sind diese Argumente wirklich stichhaltig?", fragt sich Peter E. Huber.

Schonungslose Befundaufnahme
Von 2010 bis 2019 stieg der amerikanische S&P 500-Index um satte 265 Prozent, während sein europäisches Pendant, der EuroStoxx 600-Index gerade mal 64 Prozent zulegen konnte. Allein die fünf als FAANG-Aktien bekannten Unternehmen (Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google) verfügen inzwischen über einen Börsenwert von 5,5 Billionen US-Dollar, während die 50 größten europäischen Gesellschaften im EuroStoxx 50-Index gerade einmal 4,6 Billionen US-Dollar auf die Waage bringen. Mit einem Shiller-KGV von 31,1 sind US-Aktien heute entsprechend viel höher bewertet als europäische (19,5) oder asiatische (16,3) Dividendenpapiere. Zur Erinnerung: Das Shiller-KGV ist ein geglättetes und inflationsbereinigtes Kurs/Gewinn-Verhältnis aus den Unternehmensgewinnen der letzten zehn Jahre.

Share Buy-Backs, US-Steuerreform, Budgetdefizite sind nicht nachhaltig
"Die Outperformance der US-Valoren und deren höhere Bewertung versucht man damit zu rechtfertigen, dass innovative US-Gesellschaften in vielen Bereichen der Zukunftstechnologien weltweit führend sind – von Biotechnologie bis Informationstechnologie – und damit auch deutlich bessere Gewinnperspektiven haben", erläutert Huber. "Tatsächlich ist die bessere Kursentwicklung aber vor allem zwei Faktoren zu verdanken: Erstens haben US-Unternehmen das niedrige Zinsniveau genutzt, um in einem Rekordvolumen billige Kredite aufzunehmen und damit eigene Aktien zurückzukaufen. Dies führte auf der einen Seite zu einem deutlichen Anstieg der Gewinne je Aktie, auf der anderen Seite zu einer entsprechend höheren Unternehmensverschuldung. Zweitens hat Präsident Trump durch eine Senkung der Unternehmenssteuern von 35 auf 21 Prozent und massive Fiskalprogramme die ohnehin gut laufende Konjunktur zusätzlich angeheizt auf Kosten einer deutlich höheren Staatsverschuldung. Beides ist nicht nachhaltig."

Das japanische Beispiel sollte man nicht vergessen
Ältere Leser mögen sich daran erinnern, so Huber weiter, dass es schon einmal zu einem Auseinanderdriften der Börsenentwicklung gekommen sei. Von 1980 bis 1990 stiegen japanische Aktien um 900 Prozent während US-Aktien mit einem Plus von 220 Prozent deutlich hinterher hinkten. Damals begründete man die Höherbewertung der Nippon-Papiere mit der überlegenen Unternehmenskultur und europäische Topmanager wurden nach Japan geschickt, um diese zu studieren. "Das Resultat ist bekannt. Alles war nur heiße Luft. Seit Anfang 1990 fiel der Nikkei-Index von 39.000 auf heute 23.800 Punkte, während der S&P 500-Index von 350 auf 3300 Punkte gestiegen ist", resümiert Peter Huber.

Langfristig gleichen sich Bewertungsunterschiede immer wieder aus
Das Schicksal setzt den Hobel an und hobelt alle gleich. Die Erklärung dafür ist auch einleuchtend, findet Peter Huber: "Warum sollen international tätige Unternehmen höher oder niedriger bewertet werden, nur weil sie ihren Firmensitz zufällig in den USA, Europa oder Asien haben? Es kann deshalb auch nicht verwundern, dass sich der MSCI-Europa und der MSCI-USA in den letzten fünfzig Jahren ziemlich parallel entwickelt haben und temporäre Divergenzen immer wieder ausgeglichen wurden."

US-Outperformance versus Europa: ein Phänomen der letzten zehn Jahre?
Von 1969 bis zur Finanzkrise hat Europa die USA über nahezu jede Halteperiode übertroffen.

Quelle: MSCI, StarCapital per 31.12.2019 in Euro

Gretchenfrage: der Herde hinterher hecheln oder etwas anderes wagen?
Die entscheidende Frage besteht heute darin, ob man weiter auf die Börsenfavoriten der letzten Jahre setzen und vielleicht die Positionen hier sogar noch verstärken soll oder in vernachlässigte und niedrig bewertete Substanzwerte investiert, deren Kursentwicklung extrem enttäuschend verläuft. Der vorherrschende Performancedruck gerade bei Fondsmanager und Vermögensverwaltern führt dazu, dass in der Regel der erste Weg beschritten wird. Mit der Folge, dass gerade Institutionelle in den teuren Wachstumswerten massiv überinvestiert sind.

Antizyklik hat Charme
Dies ist jedoch keine Garantie, dass diese Strategie auch in Zukunft funktioniert. Weshalb es sich langfristig lohnt, antizyklisch zu investieren, ist aus der folgenden Tabelle zu ersehen. So haben IT-Werte als Spitzenreiter der letzten zehn Jahre im Jahrzehnt davor besonders schlecht abgeschnitten. Genau umgekehrt lief es bei Energietiteln. Ähnlich ist es in anderen Bereichen. Vielleicht werden die Letzten ja wieder die Ersten sein, gibt Peter Huber zu bedenken.

Weshalb Huber antizyklisch investiert
Die Gewinner der letzten 10 Jahre enttäuschen häufig in der folgenden Dekade.

Quelle: Thomson Reuters Datastream, StarCapital für den weltweiten Aktienmarkt auf Basis von MSCI Sektoren per 31.12.2019

Analyse der Energiewerte
Auf den ersten Blick sieht es da tatsächlich schlecht aus. "Die Produktion von Erdöl ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was man ökologisch unter Nachhaltigkeit versteht. Nachdem selbst der norwegische Staatsfonds seinen Ausstieg aus Ölaktien angekündigt hat und die strikte Einhaltung von ESG-Kriterien zunehmend Anhänger gewinnt, kommen diese Titel immer mehr unter Druck – zusammen mit dem Ölpreis selbst", analysiert Huber.

Was trotzdem für Öl- und Gas-Titel spricht
Entsprechend verfügen gerade die integrierten europäischen Ölkonzerne heute über attraktive Bewertungen, satte Dividendenrenditen und teils üppige Aktienrückkaufprogramme. Und wenn alles negativ gesehen wird, tun sich langfristig oft interessante Einstiegschancen auf. So wird der Ölverbrauch trotz Klimakrise weiter steigen, dank einer wachsenden Weltbevölkerung und deren Wunsch nach Wohlstand. Laut einer Prognose der US-Energiebehörde EIA wird der Bedarf bis 2050 um weitere 22,3 Prozent zulegen – von 100 Millionen Barrel pro Tag auf 122,3 Millionen. Noch stärker wird der Verbrauch von Erdgas zulegen, da damit zunehmend Kohle substituiert wird, die immer noch 30 Prozent des weltweiten Energiebedarfs deckt.

Gleichzeitig wird immer weniger in die Erschließung neuer Vorkommen investiert, wie man an der desolaten Lage vieler Ölservice-Gesellschaften sieht. Neue Funde liegen so niedrig wie zuletzt 1940 und vorhandene Quellen erschöpfen sich schrittweise. Es kann daher sein, dass die Ölpreise auf mittlere Sicht selbst bei verhaltener Nachfrage deutlich anziehen. Huber dazu: "Ebenso investieren einige der größten Ölkonzern massiv in den Bereich der erneuerbaren Energien. Sie haben erkannt, dass Ökostrom der Rohstoff der Zukunft ist und Klimaschutz viel mehr Strom erfordert. So will beispielsweise Shell bis zum Jahr 2035 das Stromgeschäft zu einer tragenden Säule ausbauen, die rund ein Drittel des gesamten Konzerngeschäfts ausmacht. Das Ziel ist, Weltmarktführer bei klimaneutralem elektrischen Strom zu werden. Dem Konzern kommt dabei zugute, dass die traditionellen Stromversorger wegen dem Rückbau von Kernkraftwerken und dem Ausstieg aus der Kohle finanziell geschwächt sind."

Auch der französische Ölkonzern Total ist auf dem Ökotrip
Er besitzt einen 47 Prozent-Anteil an SunPower, einem führenden Spezialisten für Hochleistungs-Solarstromtechnologien und 3 Gigawatt an Solarkapazität. Außerdem wurden der Batteriehersteller Saft übernommen und Investments in die Stromversorgung in Frankreich und Belgien getätigt. (kb)

Dieses Seite teilen