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Columbia Threadneedle sieht echten Silberstreif bei diesen Aktien

Der Leiter britische Aktien bei Columbia Threadneedle Investments erklärt, worauf es bei Anlagen in Großbritannien ankommt, was er unter „bezzle“ versteht und warum dies zu jahrelangen Marktverzerrungen inklusive nachfolgenden Kursstürzen führte.

Richard Colwell, Head of UK Equities bei Columbia Threadneedle Investments
Richard Colwell, Head of UK Equities bei Columbia Threadneedle Investments© Columbia Threadneedle Investments

Britische Aktien sind zuletzt in der Investorengunst wieder etwas gestiegen. Nach Ansicht von Richard Colwell, Head of UK Equities bei Columbia Threadneedle Investments, sind sie eine verlässliche Alternative zu höher bewerteten und engen Märkten, sodass weiterhin Spielraum nach oben besteht – auch jenseits der dominierenden Energie- und Bergbauwerte, denen die Nachrichten über die infolge der Invasion Russlands in der Ukraine steigenden Rohstoffpreise vergleichsweise wenig zusetzten. Colwell erläutert in einem „Institutional Money“ exklusiv vorliegenden Beitrag, in welchen Segmenten und Aktien er Chancen sieht.

Unbeliebt und in globalen Portfolios untergewichtet
Nach dem pandemiebedingten wirtschaftlichen Stillstand zu Beginn des Jahres 2020 und der Aussetzung von Dividendenzahlungen hat der FTSE 100 während 2021 deutlich zugelegt und britische Unternehmen schütteten wieder Dividenden aus. Doch obwohl der britische Aktienmarkt auf ein ausgezeichnetes Jahr zurückblickt und der Markt deutlich besser als viele andere Indizes die jüngsten Turbulenzen am Markt verkraftet hat, war er bei vielen Anlegern weiterhin relativ unbeliebt, beklagt Colwell.

In fünf von sechs Jahren seit dem Brexit-Referendum waren Mittelabflüsse zu verzeichnen. Ein Grund für diesen Umstand dürfte Colwell zufolge die mangelnde Präsenz von Tech-Werten im britischen Leitindex gewesen sein, denn seit 2018 waren die US-Technologieriesen die maßgeblichen Triebfedern für die globalen Märkte. „Klammert man die „Big Six“ der Tech-Branche – Alphabet, Apple, Amazon, Facebook, Netflix und Microsoft – jedoch aus, ist die Performance des S&P 500 durchaus mit der Entwicklung anderer Indizes vergleichbar“, merkt Colwell an.

„bezzle“
Dieses Phänomen lässt sich laut Colwell mit dem Konzept, das sich hinter dem Begriff „bezzle“ verbirgt, erklären. Geprägt hat das Konzept der Ökonom John Kenneth Galbraith in den 1920ern in Anlehnung an „embezzlement“ (dt.: Unterschlagung). Übersetzt heißt es: Unangenehme Wahrheiten werden in guten Zeiten oft nicht erkannt und offenbaren sich erst in schwierigen Zeiten, wodurch es aufgrund verzerrter Bewertungen Gewinner und Verlierer gibt. Derzeit entdeckt eine ganze Generation den Handel mit Kryptowährungen und NFTs (Non-Fungible Tokens), statt sich mit den Aktienmärkten zu beschäftigen. Oder die Börsenneulinge tasten sich durch „Meme-Aktien“ an den Markt heran, die in den sozialen Netzwerken große Aufmerksamkeit erlangt haben und insbesondere bei Kleinanlegern beliebt sind.

Wenn die Zeiten härter werden, besteht allerdings die Gefahr, dass aufgeblähte Bewertungen schnell wieder in sich zusammenfallen und Illusionen zerplatzen. Die Stützungsmaßnahmen der Zentralbanken haben dazu geführt, dass die Anleger vermehrt auf Schnäppchenjagd gehen, gleichzeitig aber auch zu einer Destabilisierung des gesamten Systems beigetragen. Externe Schocks wie der Krieg in der Ukraine sorgten daher für eine steile Talfahrt an den Aktienmärkten.

Viele Investoren zögern noch
Nach den positiven Renditen des Jahres 2021 haben sich britische Aktien inmitten der Turbulenzen an den globalen Märkten in diesem Jahr gut gehalten, was durch die Rotation in Richtung Value und die Attraktivität des britischen Aktienmarktes als Inflationsschutz angesichts des großen Engagements der Börse in Energie- und Bergbauwerten unterstützt wurde.

„Wir sind jedoch der Meinung, dass es auch außerhalb dieser Sektoren viele attraktive Möglichkeiten gibt“, betont Colwell.

Trotz ihrer Outperformance in diesem Jahr würden britische Aktien zu sehr attraktiven Bewertungen gehandelt, da globale Vermögensverwalter gezögert haben, ihre Untergewichtung des Marktes zu korrigieren. Folglich seien im Vereinigten Königreich börsennotierte globale Unternehmen im Vergleich zu ihren Konkurrenten in Übersee nach wie vor günstiger zu haben. Dies habe dazu beigetragen, dass das Großbritannien im Jahr 2021 eine Rekordzahl von Fusionen und Übernahmen verzeichnen konnte. Dieser Trend könnte sich fortsetzen.

In der Zwischenzeit bleibt der britische Markt eine verlässliche Alternative zu höher bewerteten, „überfüllten“ Märkten. Die Verbreitung passiver und quantitativ orientierter Anlagen in den letzten Jahren sowie die jüngste Volatilität haben viele Möglichkeiten für Stock-Picker eröffnet. Die russische Invasion hat die Risiken für die Weltwirtschaft erhöht, da die Energiepreise in die Höhe geschnellt sind und es zu weiteren Unterbrechungen der Versorgungskette kommen kann. „Wir konzentrieren uns jedoch weiterhin darauf, mit Überzeugung zu investieren“, erklärt Colwell.

Ruhige Hand gefragt
Viele Anleger scheinen Aktien heutzutage nicht mehr ausgehend von bestimmten Fundamentaldaten zu kaufen oder zu verkaufen. Für Columbia Threadneedle sind diese jedoch eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Der britische Markt ist viel differenzierter als oft angenommen. Es handelt sich um einen Markt für Stock-Picker und das hauseigene Team sei darauf ausgerichtet.

„Wir versuchen aktiv, die Gründe für die Performance zu verstehen, und halten Ausschau nach ungeliebten Aktien, die zwar enttäuscht haben, aber dennoch gute Unternehmen sind.

Nach einer starken Erholung der Dividenden im Jahr 2021 sind die Aussichten für 2022 unserer Meinung nach weiterhin positiv. Wir konzentrieren uns auf Unternehmen mit nachhaltigen Erträgen, die sich auf eine starke Marktposition stützen und in der Lage sind, einen gesunden freien Cashflow zu erwirtschaften und diesen klug zu verteilen. Als engagierte aktive Anleger beschäftigen wir uns darüber hinaus intensiv mit den Gründen für die verzeichnete Performance. In der Erwartung, dass der sich am britischen Markt abzeichnende Silberstreif anhalten wird, nehmen wir eine pragmatische und geduldige Haltung ein“, betont Colwell abschließend. (aa)

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