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China: Coronaausbruch belastet und bedroht erneut globale Lieferketten

Nach zwei Jahren relativer Ruhe ist das Corona-Virus nun auch wieder in China angekommen – diesmal in Form der extrem ansteckenden Omikron-Variante. Trotz einer rigiden „Zero-Covid-Strategie“ nehmen die Fallzahlen deutlich zu.

Dr. Thomas Meißner, Abteilungsleiter Makro- und Strategy-Research bei der LBBW
Dr. Thomas Meißner, Abteilungsleiter Makro- und Strategy-Research bei der LBBW© LBBW

Der gleitende Wochendurchschnitt in China bei den Neuinfektionen liegt zwar noch unter
1.000 Neuinfizierten pro Tag. Die jüngsten Tagesdaten liegen aber schon deutlich höher, das heißt, der Ausbruch ist ernst zu nehmen, schrieben die Analysten um Dr. Thomas Meißner,
Abteilungsleiter Makro- und Strategy-Research der LBBW.

Kräftiger Aktienmarkteinbruch als Folge
Chinas Regierung reagiert wie immer in solchen Fällen mit rigiden „Lockdowns“ ganzer Städte. Epizentrum des Ausbruchs ist die Provinz Jilin im Nordosten an der Grenze zu Nordkorea – die gesamte Provinz ist vom Lockdown betroffen. Auch für die Metropole Shenzhen mit 17,5 Millionen Einwohnern gilt vorerst ein dreitägiger Lockdown. Insgesamt bestehen Lockdown-
Maßnahmen derzeit für 13 Städte, für eine ganze Reihe anderer Städte - darunter Shanghai - gelten Teil-Beschränkungen. Rund 30 Millionen Einwohner Chinas befinden sich aktuell in einer mehr oder weniger scharfen Form der Isolierung. Die Herausforderung für Chinas Behörden ist
also groß, wie nicht zuletzt der kräftige Einbruch der chinesischen Aktienmärkte signalisiert. Denn auch die chinesische Produktion leidet natürlich unter diesen Maßnahmen. Das VW-Werk in Changchun zum Beispiel muss nun für mindestens drei Tage schließen.

Jüngste Wirtschaftsdaten waren gut
Die jüngsten Wirtschaftsdaten in China waren aber nicht schlecht, so doe LBBW Analysten. Die
Industrieproduktion im Zeitraum Januar/Februar lag um 7,5 Prozent über dem Vorjahreszeitraum, die chinesischen Exporte haben im Januar/Februar um 16,3 Prozent (Y-Y) zugelegt, und auch ausländische Direktinvestitionen fließen kräftig ins Land. Bei den inländischen Investitionen zeigte sich zuletzt sogar eine signifikante Belebung, was neben niedrigeren Zinsen und einer starken weltweiten Nachfrage nach chinesischen Gütern mit „großzügigeren“ Investitionen staatlich gelenkter Unternehmen zu tun hat. China tut derzeit wieder einiges, um die Konjunktur am Laufen zu halten.

Investitionen Staats- und Privatunternehmen (prozentual im Jahresabstand)

Quelle: Refinitiv, LBBW Research

Auch die staatlichen Infrastrukturinvestitionen wurden zuletzt wieder
deutlich ausgeweitet (Februar: +8,1 Prozent Y-Y).

Privater Konsum steht wohl vor einem Covid-Dämpfer
Der private Konsum entwickelte sich ebenfalls ermutigend. Die Einzelhandelsumsätze
stiegen im Januar/Februar auf Jahresbasis um immerhin 6,7 Prozent. Genau hier dürfte sich der jüngste Corona-Ausbruch aber am stärksten dämpfend auswirken. Die sich nun wohl signifikant verschlechternde Stimmung unter den Konsumenten sollte deren Kauflaune vorerst
deutlich senken.

Wie geht es weiter?
Es bleibt abzuwarten, ob Chinas Behörden den Corona-Ausbruch rasch in den Griff bekommen werden und zu welchen Kosten dies geschehen wird, so die Analysten vom LBBW Research. Noch vor wenigen Wochen war eher die Rede von einer Lockerung der „Zero-Covid-Strategie“. Die Annahme einer „flexiblen Zero-Covid-Strategie“ ließ hoffen, die Pandemie sei nun nahezu überwunden und die Gefahr für die internationalen Lieferketten damit gebannt. Diese Hoffnung
ist nun erst einmal passé. Erneute strikte Eindämmungsmaßnahmen werden den Aufschwung in China erst einmal verlangsamen, im ungünstigsten Fall sogar temporär völlig ausbremsen. Es steht zudem zu befürchten, dass die internationalen Lieferketten erneut in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn China wieder rigide Lockdown-Maßnahmen über Industriestädte
und Containerhäfen des Landes verhängt.

Maßnahmen wohl heftig, aber kurz
Es besteht aber Grund zur Hoffnung, dass solche Maßnahmen dann recht kurz sein werden. Es gab auch in den beiden vergangenen Jahren immer wieder Corona-Ausbrüche in China, die durch scharfe Maßnahmen rasch unterdrückt wurden. Die Lockdown-Dauer war meist nur wenige Tage bis maximal zwei Wochen. Die Omikron-Variante ist zwar extrem ansteckend. Allerdings ist der Winter vorbei, das heißt die Hochsaison für Infektionen ist vorüber, und die Impfquote in China liegt über 85 Prozent. Die chinesischen Impfstoffe sind zwar deutlich schlechter als die mRNA-Vakzine im Westen, einen Schutz vor schweren Verläufen bieten sie dennoch, und auch China will jetzt einen mRNA-Impfstoff und neue Medikamente zur Behandlung von Covid-19 einsetzen. Umfangreiche Test-Aktivitäten runden die Maßnahmen ab.

Lieferkettenunterbechung
Die Chancen stehen daher nicht schlecht, den Corona-Ausbruch innerhalb weniger Wochen in den Griff zu bekommen. In dieser Zeit ist allerdings mit erneuten Unterbrechungen der Lieferketten zu rechnen, wenn Industriebetriebe in China Auszeiten nehmen oder Containerhäfen wieder zeitweise stillgelegt werden müssen.

Mit Blick auf das BIP-Wachstum in China sehen die Analysten vonm LBBW Research sich mit ihrer Prognose von 5,0 Prozent für 2022 noch nicht im Zugzwang. Der Jahresauftakt in China war sehr gut, die konjunkturstützenden Maßnahmen der Regierung dürften im Jahresverlauf eher noch intensiviert werden, um das offizielle Wachstumsziel von 5,5 Prozent zu erreichen, und es ist noch recht früh im Jahr. Ausfälle im Frühjahr können im Jahresverlauf durchaus noch
kompensiert werden. Hinzu kommt ein recht hoher statistischer Überhang für dieses Jahr von etwa +1,1 Prozent-Punkten.

Fazit
Eine Revision der BIP-Prognose würde nach Ansicht der LBBW-Experten dann erforderlich, wenn der Corona-Ausbruch völlig aus dem Ruder liefe und China zu den Mega-Lockdowns des Jahres 2020 zurückkehren müsste. Eine solche Entwicklung war bisher aber in keinem Land, das von der Omikron-Variante heimgesucht wurde, zu beobachten – auch nicht in Emerging Markets wie etwa Südafrika. (kb)

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