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Bundesbankpräsident über Gemeinschaftsschulden, Inflation und Sweet Spot

Dr. Joachim Nagel stellt sich gegen Gemeinschaftsschulden, um die Rüstung zu finanzieren und warnt vor höherer struktureller Inflation. Auf der anderen Seite könnten sich die Gelpolitik in einem "Sweet Spot" befinden, sofern die Inflationserwartungen nicht wieder steigen.

Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank
Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank© Frank Rumpenhorst

Bundesbankpräsident Dr. Joachim Nagel hat unter anderem Zweifel an der Notwendigkeit weiterer gemeinsamer Anleiheemissionen der Europäischen Union geäußert, wie Bloomberg News berichtet.

“Ich sehe nicht viel Sinn darin, Anreize auf der fiskalischen Seite zu geben, um Subventionen und staatliche Beihilfen zu erhöhen”, sagte Nagel am Dienstag in Frankfurt. “Und es wird Sie nicht überraschen, dass die Bundesbank einer Ausweitung der gemeinsamen Kreditaufnahme über das NextGenerationEU-Programm hinaus skeptisch gegenübersteht.”

Zur Einordnung: Die EU ist bestrebt, ihre Verteidigungsfähigkeit wieder zu stärken, nachdem sie nach dem Kalten Krieg jahrelang zu wenig Geld ausgegeben hat. Einige Regierungschefs, insbesondere im Süden Europas, haben vorgeschlagen, dass eine gemeinsame Kreditaufnahme zu diesem Zweck genutzt werden könnte. Die Bundesregierung gehört zu jenen, die einen solchen Schritt ablehnen.

“Wir halten eine gemeinsame Verschuldung auch für Verteidigungszwecke nicht für notwendig”, sagte der Bundesbankpräsident. “Höhere Verteidigungsausgaben sind im Rahmen der üblichen Haushaltsverfahren durchaus möglich. Es ist aber unbestreitbar, dass die EU derzeit vor großen geopolitischen Herausforderungen steht und robuster werden muss.”

Die Corona-Pandemie bot der EU die Gelegenheit, ein beispielloses finanzielles Hilfsprogramm - NextGenEU - aufzulegen, das die gemeinsame Schuldenaufnahme beinhaltete. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmte dem Vorhaben zu.

“NextGenEU war eine verständliche Reaktion auf die Pandemie-Notlage”, sagte Nagel. “Aber angesichts des derzeitigen Integrationsniveaus sollte es eine einmalige Ausnahme von der Regel bleiben, dass die EU kein Geld leihen darf.”

Nagel warnt: Strukturelle Faktoren könnten Inflation hoch halten
Faktoren wie Geopolitik und Dekarbonisierung könnten laut dem Bundesbankpräsident die Inflation im Euroraum in den kommenden Jahren hoch halten, wie Bloomberg des Weiteren berichtet.

“Eine Reihe potenzieller Faktoren könnte in Zukunft zu einem höheren Inflationsdruck führen”, so das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank. Demografische Trends könnten dabei ein “anhaltend höheres Lohnwachstum” bedingen.

Zwar seien weitere Untersuchungen erforderlich, doch rechnet Nagel nicht mit einer Rückkehr zu den niedrigen Inflationsraten wie vor der Pandemie.

Zur Erinnerung: Nachdem die Inflation in der Eurozone zwischen 2013 und 2019 im Durchschnitt nur die Hälfte des EZB-Ziels von zwei Prozent betragen hatte, stieg sie 2021 sprunghaft an und erreichte im darauffolgenden Jahr einen Rekordwert von 10,6 Prozent. Jetzt liegt sie wieder bei 2,4 Prozent, aber die Meinungen gehen auseinander, ob ein Über- oder Unterschießen das größere Risiko für die Zukunft ist.

“Müssen wir uns mit Blick auf die Zukunft auf eine Rückkehr zu einer Welt mit zu niedriger Inflation vorbereiten, wie wir sie im letzten Jahrzehnt gewohnt waren? Davon bin ich nicht überzeugt”, sagte Nagel.

"Sweet Spot" versus Rückkehr der Inflation
Das Zusammenspiel der strukturellen Triebkräfte könnte “zu einer Art Sweet Spot für die Geldpolitik führen - mit einer Inflation von etwa zwei Prozent und einem nicht zu hohen Zinsniveau, das sich in sicherer Entfernung von der effektiven Untergrenze befindet”, sagte er.

Nagel warnte jedoch davor, dass im Falle eines mittelfristig wieder aufkommenden Preisdrucks Handlungsbedarf bestünde.

“Selbst eine vorübergehende Duldung höherer Inflationsraten birgt das Risiko, dass sich die Inflationserwartungen entkoppeln”, sagte er. “Wir sollten nicht zulassen, dass dieses Risiko eintritt.” (aa)

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