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Blick in den BIP-Rückspiegel: Was kann man daraus ableiten?

Forschungsinstitute und Banken haben sich mit negativen Prognosen zur Entwicklung der US-Wirtschaft geradezu unterboten. Der eine erwartet im kommenden Quartal ein Minus von 2,25 Prozent, der andere eines von minus 10 Prozent. Kann man daraus Schlüsse für die Aktienmarkt-Entwicklung ziehen?

Maximilian Kunz, Senior Analyst bei HQ Trust
Maximilian Kunz, Senior Analyst bei HQ Trust© HQ Trust

Maximilian Kunz, Senior Analyst bei HQ Trust, hat die Schätzungen in den historischen Kontext eingeordnet, auch mit Blick auf die Entwicklung des Aktienmarktes. Dazu analysierte er die Phasen mit negativer Entwicklung des BIP ( Bruttoinlandsprodukt; GDP) seit dem Jahr 1950 und die jeweilige Performance des S&P 500. Den relevanten Zeitraum hierfür hat Maximilian Kunz mit sechs Monaten vor dem Quartalsbeginn bis zum Ende des Folgequartals erfasst – da Aktienmärkte häufig den wirtschaftlichen Zahlen vorauslaufen.

Erkenntnisse
„Seit dem Jahr 1950 gab es 24 Zeiträume, in denen sich das globale Bruttoinlandsprodukt negativ entwickelt hat“, registriert Kunz. „Im Mittel lag der maximale Verlust des Aktienmarkts bei 20,7 Prozent. Mit dem rasanten Abschwung um knapp 34 Prozent, den der S&P 500 von Ende Februar bis Ende März zurückging, wurde dieser Wert bereits deutlich überschritten.“

Kein klarer Zusammenhang
Daraus einen Rückschluss auf die aktuelle Krise zu ziehen, wäre aber falsch, meint Kunz: „Schon allein die Tatsache, dass die Punkte breit gestreut sind, zeigt, dass es in der Historie keinen klaren Zusammenhang zwischen der Entwicklung des US-BIP und der Aktienmarktperformance gibt.“

Historie zeigt nur schwachen Zusammenhang zwischen US-GDP und Aktienmarkt
Der Chart zeigt die Zeiträume seit dem Jahr 1950 mit einem Rückgang des GDP inklusive des Maximum Drawdowns im relevanten Zeitraum. Die Blasengröße (und Zahl bei Beschriftung der Blasen) gibt an, welches KGV der US-Aktienmarkt zu Beginn des jeweiligen Drawdowns hatte.

US-Aktien noch immer teuer
Dennoch zeigt die Analyse von Kunz, dass wir eine außergewöhnliche Situation erleben. „Treffen die Schätzungen zu, steht uns ein historisches Quartal bevor: Einen solch starken Einbruch des US-Wachstums gab es nur in wenigen Fällen, etwa in der Finanzkrise oder während der Ölkrise der 70er Jahre. In nur einem Quartal gab es ihn seit 1950 noch nicht.
Zudem trifft der GDP-Rückgang auf eine immer noch relativ hohe Bewertung von US-Aktien. Per Ende Februar lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 bei ca. 21. Bei historischen GDP-Rückgängen befand sich der Markt stets auf deutlich niedrigeren Niveaus.“

Lediglich in der Dotcom-Blase habe sich der US-Aktienmarkt auf teureren Bewertungsniveaus befunden, wo es aber zu einem deutlich geringeren GDP-Rückgang gekommen sei, so Kunz weiter. Die aktuelle Ausgangssituation erscheine somit schlimmer als das vierte Quartal 2008. Damals sei die Aktien günstiger bewertet gewesen als das jetzt der Fall ist – und das GDP sei weniger stark zurückgegangen.

Schnellere Reaktion von Politk und Zentralbanken
„Positiv sehen wir jedoch, dass die Politik und Zentralbanken aus der Finanzkrise gelernt haben und schneller sowie mit größeren Maßnahmen reagieren“, analysiert Kunz. „Insgesamt fällt es schwer, die aktuelle Situation in diesen Kontext einzuordnen, da ein vergleichbarer Rückgang bei gegebenem Bewertungsniveau im Betrachtungszeitraum noch nicht beobachtet werden konnte. Abzuwarten bleiben zudem die tatsächliche Höhe sowie die Dauer des aktuellen GDP-Rückgangs.“ (kb)

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