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"Bei der jüngsten EZB-Sitzung haben manche die Flöhe husten gehört"

Obwohl es noch nicht zu einem konkreten Kurswechsel in der europäischen Geldpolitik gekommen ist, haben die Renten- und Devisenmärkte nach der jüngsten EZB-Sitzung mit gewaltigen Abverkäufen reagiert. Anleihenspezialist Guido Barthels hält das für klar übertrieben und rechnet mit Gegenbewegungen.

Guido Barthels, TBF Global AM, plädiert dafür, die Kirche im Dorf zu lassen.
Guido Barthels, TBF Global AM, plädiert dafür, die Kirche im Dorf zu lassen.© TBF Global AM

Es ist vor allem die inzwischen schon als beängstigend empfundene hohe Inflation, die dazu geführt hat, dass die Rufe nach einer Straffung der Geldpolitik schon weit im Vorfeld der jüngsten Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) immer lauter geworden sind. Entsprechend enttäuscht zeigten sich viele Marktbeobachter, dass es in der am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Entscheidung der EZB keine handfesten Hinweise auf einen geldpolitischen Kurswechsel gegeben hat.

Allerdings schossen aufgrund von bestimmten Formulierungen von EZB-Chefin Christine Lagarde so manche Spekulationen ins Kraut, wonach es eventuell schon im März zu ersten Schritten in Richtung einer quantitativen Straffung, sprich einer Reduktion der Anleihenkäufe durch die Notenbank kommen könnte. Manche Beobachter gehen inzwischen sogar davon aus, dass es bereits im Juni zu ersten Zinsanhebungen kommen wird und haben sich entsprechend positioniert.

Neue Maßstäbe bei Christine Lagarde
Guido Barthels, seit Mitte 2019 Senior Portfoliomanager bei der Hamburger Fondsboutique TBF Global Asset Management, hält die Reaktion an den Märkten allerdings für übertrieben. "Bei der jüngsten EZB-Sitzung haben manche die Flöhe husten gehört", kommentiert Barthels die Entwicklung im Nachgang zu der EZB-Entscheidung. Zwar sei man daran gewöhnt, dass die Worte bei Pressekonferenzen von Zentralbankern auf die sprichwörtliche Goldwaage gelegt werden. "Aber bei Christine Lagarde sind regelrecht neue Maßstäbe angelegt worden", so Barthels.

Das gelte vor allem, wenn man die Auswirkungen auf den Kapitalmarkt ins Verhältnis setze. "Denn die europäischen Bondmärkte haben einen Abverkauf hingelegt, der in seinen Dimensionen doch erschreckt", ist der TBF-Experte überzeugt. Schließlich handle es sich um einen Markt mit einem Volumen von 20 Billionen Euro, der am Tag der EZB-Entscheidung immerhin einen Prozentpunkt an Wert verloren habe. "Hinzu kommen noch die Bewegungen an den Devisenmärkten, wo der US-Dollar deutlich 1,5 Prozent gegenüber dem Euro an Wert verloren hat", so Barthels. Dazu aber sei es lediglich deshalb gekommen, weil einige Beobachter Lagardes Worte so interpretiert hätten, dass die EZB bereits in ihrer März-Sitzung eine straffere Geldpolitik einschlagen werde.

Völlig überzogene Interpretation
"Wir halten diese Interpretation für völlig überzogen und wären von Gegenbewegungen an den Kapitalmärkten nicht überrascht", zeigt sich Barthels zuversichtlich für die kurzfristige Entwicklung an den Rentenmärkten. Bestimmte Teile des Kapitalmarkts würden ebenfalls für eine etwas realistischere Sicht der Dinge sprechen. Am Geldmarkt zum Beispiel werde nach der EZB-Entscheidung gerade einmal eine Zinserhöhung um 40 statt zuvor 27 Basispunkten erwartet, ein Delta von lediglich 13 Basispunkten. Barthels Fazit: "Wir plädieren dafür, Ruhe zu bewahren und eventuelle Gegenbewegungen an den Renten- und Devisenmärkten für Risikoadjustierungen zu nutzen." (hh)

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