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Baillie Gifford: Warum sich ein langer Anlagehorizont rechnet

Stuart Dunbar, Partner beim schottischen Asset Manager Baillie Gifford, bricht eine Lanze für eine unaufgeregte, langfristig Herangehensweise bei Aktienengagements. Mit der notwendigen Einstellung und ausreichend hohen Risikobudgets sind langfristig satte Überrenditen möglich.

 Stuart Dunbar, Partner des schottischen Asset Managers Baillie Gifford
 Stuart Dunbar, Partner des schottischen Asset Managers Baillie Gifford© Baillie Gifford

Institutionelle Investoren mit einem langen Atem bei der Anlage können auf überdurchschnittlich hohe Renditen am Aktienmarkt hoffen, sofern sie ein paar wichtige Dinge berücksichtigen, die Baillie Gifford-Partner Stuart Dunbar in einem „Institutional Money“ exklusiv vorliegenden Beitrag anführt. Interessant ist in diesem Beitrag u.a. auch, wie viele Aktien eines Markts im Grunde für die Langfristperformance verantwortlich sind…: (aa)


„Quartalszahlen, Konjunkturdaten, Präsidententweets – die globalen Finanzmärkte hetzen von einer Nachricht zur nächsten. Die Halbwertzeit der meisten – vermeintlichen – Nachrichten ist kurz. Und die Wahrheit ist: Die meisten sind für langfristige Investoren komplett irrelevant. Was sich auszahlt sind der lange Blick und eine große Portion Geduld. Deswegen brauchen wir einen Sinneswandel. Weg von der Fixierung der Asset Manager auf den Wettbewerb mit anderen Anbietern, weg von der Ausrichtung an kurzfristigen Erträgen und weg von der Orientierung an immer neuen Kennzahlen.

Wir müssen wieder bei der großen Frage anfangen: Was ist der Zweck von Aktienmärkten? Die ebenso einfache wie geniale Idee der Aktie besteht darin, die Ersparnisse der Gesellschaft zu nutzen, um das notwendige Risikokapital bereitzustellen, und um damit sowohl den wirtschaftlichen Fortschritt voran zu treiben als auch den Sparern Gewinne zu liefern. Auf diese Weise hat die Börse frühe industrielle Errungenschaften wie die Eisenbahn mitfinanziert. Und in ganz ähnlicher Weise haben auch in China die Ersparnisse der Bevölkerung einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Transformation des Landes in einen führenden Industrie- und Technologiestandort geleistet.

Das Ideal ist eine produktive Investition und nicht die kurzfristige Spekulation. Aber dieses Ideal ist bei vielen professionellen Akteuren am Aktienmarkt längst verblasst. Dies gilt vor allem für die westlichen Industrienationen. So zahlen die Firmen – oft auf Druck von Investoren – weit mehr Geld über Dividenden und Aktienrückkäufe aus als sie durch Kapitalerhöhungen erhalten. Noch schlimmer: Insgesamt wenden die Unternehmen einen geringeren Anteil ihres Cashflows für Investitionen in die Zukunft auf als sie für Dividenden ausgeben.

Ist es das, was Investoren wollen? Gerade in Deutschland heißt es manchmal, die Dividende sei der neue Zins. Und so kommt es, dass Investoren Schlange stehen, wo hohe Dividenden gezahlt werden. Wenn Risikokapital für Wachstum benötigt wird, ist dies schon weniger der Fall. Sicherlich hat ein stetiges Dividendeneinkommen für Anleger seine Vorteile. Und sicherlich können Unternehmen versucht sein, in einem schwierigen Umfeld zu viel Geld in wenig aussichtsreiche Projekte zu investieren. Das Problem sind aber nicht einzelne Unternehmen, die bei Investitionsentscheidungen Fehler machen können. Sondern das Problem sind diejenigen Finanzmarkt-Profis, die sich von Risiko- und Verlustaversion leiten lassen, anstatt dem Ideal einer produktiven Investition leiten zu lassen: dies sind oftmals die Fondsmanager.

Speziell ausgebildete Fachkräfte, die das Geld der Sparer in Unternehmen investieren, gibt es erst seit 1945. Und die einzige wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung ist in den meisten Fällen, dass dafür Gebühren fällig werden. Oftmals hohe. Die geradezu zerstörerische Wirkung dieses Modells ist, dass es sich kein Fondsmanager leisten kann, über längere Zeit schlechter als der Vergleichsindex abzuschneiden, um seine Gebührenströme und seinen guten Ruf wahren zu können. Kurzum: Die meisten sehen ihre Funktion darin, ihren Arbeitsplatz und das verwaltete Vermögen ihres Arbeitgebers zu erhalten, ohne den Index zu unterschreiten. Die Protagonisten der akademischen Portfoliotheorie und ihre begeisterten Anhänger mit dem Label „Chartered Financial Analyst (CFA)“ machen daraus eine intellektuelle Konformität, indem sie Risiko als Volatilität um einen Index definieren, der über kurze historische Horizonte gemessen wird.

Findet man mit diesem Ansatz diejenigen erfolgreichen Unternehmen, die für Investoren die wirklich attraktiven Renditen bringen? Mit ziemlicher Sicherheit: nein. Denn es ist klar, dass, wenn ein Unternehmen versucht, eine große Geschäftsidee in einer komplexen und unsicheren Welt umzusetzen, es fast immer Risiken eingehen und eine starke Volatilität der Ergebnisse und des Aktienkurses ertragen muss. Die Möglichkeit eines Scheiterns ist unvermeidlich, notwendig und keineswegs beschämend. Das ist nicht nur das, was der wirtschaftliche Fortschritt erfordert, sondern auch das, was zu Börsenrenditen führt. Es sind eine kleine Anzahl besonders erfolgreicher Unternehmen, die langfristig die Wertschöpfung und damit die Aktienmärkte treiben. In den USA haben zum Beispiel seit 1926 nur 90 Unternehmen gemeinsam die Hälfte der gesamten Marktrendite gebracht. Die Unzahl der übrigen fast 25.000 Unternehmen hat in vielen Fällen weniger eingebracht als kurzlaufende Staatsanleihen.

Was müssen wir als Investoren also tun? Wir sollten aktiv in solche Unternehmen investieren, von denen wir überzeugt sind, dass sie eine echte Chance haben überdurchschnittlich stark zu wachsen, sich zu verdoppeln oder sogar zu vervielfachen. Um diese Unternehmen zu finden, braucht es Vorstellungskraft und Optimismus, Überzeugung und Geduld. Das gilt in jeder Phase der Entwicklung eines Unternehmens. Solange wir eine realistische Wahrscheinlichkeit auf das angestrebte große Wachstum sehen, sollten wir dabeibleiben und uns nicht vom Auf und Ab der Aktienkurse leiten lassen. Wir haben beispielsweise mit unserem Investment in Amazon im Jahr 2003 zeitweise fast die Hälfte unseres Kapitals verloren – zumindest auf dem Papier und wenn man sich für Aktienkurse interessiert. Stand heute haben wir unseren Einsatz versiebenundvierzigfacht. Das zeigt: Beim überzeugten Investieren geht es um Zeithorizonte von fünf bis zehn Jahren, nicht um Quartale.

Dieser langfristige und geduldige Ansatz kann beizeiten auch die Unterstützung für ein Unternehmen in schwierigen Momenten erfordern. Wir haben dies bei Unternehmen erlebt, die heute Riesen sind, die weit über unsere Vorstellungskraft hinausgehen, aber dennoch gerne mit uns kommunizieren. Das gilt für Alibaba (investiert seit 2010), für Tencent (2006) und für Amazon (2005). Das gilt für Illumina (2011), die wir in schwierigen Momenten vor einer feindlichen Übernahme geschützt haben und durch die wir Zugang zu einer Welt der genomischen Innovation erhalten haben. Es gilt für Spotify (2017) in seinen Versuchen zu beweisen, dass ein europäisches Unternehmen eine Online-Branche dominieren kann.

Wir sind dabei keineswegs die besseren Unternehmer als die Manager unserer Portfoliounternehmen. Das Ziel ist es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die viel scharfsinniger, viel sachkundiger und viel besser darin sind, in die Zukunft zu sehen und ein Unternehmen aufzubauen. Wir haben kein Interesse daran, eines unserer Unternehmen führen zu wollen. Oftmals aber können wir bei der Kommunikation mit den Kapitalmärkten und in Fragen der Unternehmensführung helfen.

Was wir tun, ist geduldige Unterstützung auf der Suche nach außergewöhnlichen Möglichkeiten. Dazu gehört oft, dass man akzeptiert, dass es Jahre der Anstrengung vor dem Erfolg geben wird. Das ist oftmals schlecht für unsere monatliche Volatilität im Vergleich zu irgendwelchen Indizes. Aber wir glauben, dass es der bessere Weg ist, um langfristige Renditen zu erzielen – und einen Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Fortschritt zu leisten."



Baillie Gifford ist einer der vielen, namhaften Sponsoren des 13. Institutional Money Kongresses (25. bis 26. März 2020 im Wiesbadener Congress Center). Neben einem Workshop gibt es auch ein Gruppengespräch zum Thema langfristige Aktieninvestments. Interessiert? Nähere Informationen sowie eine Anmeldemöglichkeit finden Sie nachfolgend.

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