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An die Kommission: "Erweitern Sie EU-Taxonomie um soziale Dimension!"

Vor mehr als fünf Monaten hat die Arbeitsgruppe der EU Platform on Sustainable Finance ihren Abschlussbericht zur sozialen Taxonomie vorgelegt. In einem offenen Brief an die EU-Kommission verlangt der gesamte Vorstand der Evangelischen Bank eG nun ein rasches Handeln auf Seiten Brüssels.

© sebra / stock.adobe.com

Der Brief im Originalton: Als nachhaltig führende Spezialbank für Kunden aus Kirche, Diakonie, Gesundheits- und Sozialwirtschaft sowie für alle privaten Kund:innen mit christlicher Werteorientierung begrüßen wir ausdrücklich die Einführung einer sozialen Taxonomie. Es ist allerdings an der Zeit, dass auf der Basis des Berichts nun die nächsten Schritte erfolgen. Nur ein verbindliches Rahmenwerk kann Unternehmen sowie Anlegern und Kreditgebern klare Leitlinien dafür liefern, was sozial nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten sind.

Käme ein solches Rahmenwerk in der Form einer sozialen Taxonomie nicht oder zu spät, hätte dies gravierende Nachteile für alle Akteur:innen im sozialen Bereich. Schon jetzt durchlebt die Gesundheits- und Sozialwirtschaft schwierige Zeiten und steht vor großen Aufgaben. Die Leidenschaft und das Engagement derer, die in sozialen Berufen tätig sind – allein in Deutschland sind dies mehr als acht Millionen Menschen –, darf nicht durch zögerliches oder gar unentschlossenes regulatorisches Handeln gebremst werden. Genau das droht aber zu passieren, wenn für soziale Aktivitäten keine Klassifizierung in der Weise entwickelt wird, wie dies für ökologisch nachhaltige Aktivitäten bereits weitgehend geschehen ist. Der Status quo, also eine Taxonomie lediglich mit globalen sozialen Mindeststandards, wird der gesellschaftlichen Bedeutung sozialer Produkte und Dienstleistungen nicht gerecht.

Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat die Bedeutung beispielsweise des Gesundheitssektors weithin sichtbar vor Augen geführt. Dennoch können die Aktivitäten etwa eines Krankenhausbetreibers bislang kaum als nachhaltig im Sinne einer Taxonomie bezeichnet werden. Auch verwandte Sektoren wie der Pflegebereich und die Behindertenhilfe stehen hinsichtlich der politischen und rechtlichen Würdigung ihrer Beiträge zur Gestaltung einer nachhaltig lebenswerten Gesellschaft derzeit eher im Schatten: Sie sind bei den bisherigen Bemühungen, mehr Kapital in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken, offenbar übersehen worden. Dabei vollbringen gerade auch diese Sektoren unschätzbar wichtige Dienste am Menschen: Die hier geleistete Arbeit, die ein faires Miteinander, die aktive Einbindung benachteiligter Gruppen in die Gemeinschaft oder gute Lebensbedingungen für alle schafft, ist jedenfalls nach unserer Auffassung ein zentraler Anker für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und deshalb besonders schützenswert.

Vor diesem Hintergrund sollte die Gesundheits- und Sozialwirtschaft mit anderen Maßstäben gemessen werden als beispielsweise industrielle Branchen. Denn die Gesundheits- und Sozialwirtschaft stützt das soziale Fundament unserer europäischen Volkswirtschaften, aber sie verfügt nicht – anders als etwa der Chemie- oder Automobilsektor – über allzu viele investive und finanzielle Möglichkeiten, ihren CO2-Ausstoß zu senken. Die logische Folge kann unseres Erachtens nur sein: Sozial nachhaltige Aktivitäten müssen ebenso anerkannt werden wie ökologisch nachhaltige Aktivitäten. Oder anders ausgedrückt: Die Sozial- und Gesundheitswirtschaft muss fehlende Verbesserungspotenziale hinsichtlich ihres „Umwelt-Impacts“ kraft ihrer besonderen Gemeinwohlorientierung gleichsam kompensieren können.

Wir bitten Sie also: Lassen Sie die Akteur:innen aus dem sozialen Bereich aus dem Schatten heraustreten! Verschaffen Sie ihnen mehr Wertschätzung auch dadurch, dass Sie zusätzliches Kapital in sozial nachhaltige Aktivitäten lenken helfen – durch die zügige und rechtsverbindliche Einführung einer sozialen Taxonomie! Denn die meisten Investor:innen – zum Beispiel Pensions- und Versorgungskassen, Stiftungen, aber auch Landeskirchen – sind längst dabei, Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) in ihren Strategien umzusetzen. Eine langfristige ausbalancierte Strategie umfasst alle drei Bereiche gleichermaßen. Soziale Wirtschaftstätigkeiten sollten in den Anlage- und Kreditportfolios daher eine ebenso starke Berücksichtigung finden wie ökologische Wirtschaftstätigkeiten.

Bereits seit mehr als 50 Jahren leitet Nachhaltigkeit mit ihren drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales alle Entscheidungen der Evangelischen Bank. Nachhaltigkeit ist für uns insofern kein Trend, sondern eine Haltung. Diese treibt uns auch an, wenn wir uns heute so eindringlich an Sie wenden: Vervollständigen Sie das begonnene Rahmenwerk, indem Sie die ökologisch ausgerichtete EU-Taxonomie um eine soziale Dimension erweitern!

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Vorstand der Evangelischen Bank eG

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