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Absturz der Gemeinschaftswährung auf 20-Jahres-Tief zum US-Dollar

Der Euro rutscht bedrohlich nahe an die Parität zum Dollar heran. Das ist zwar potentiell ein Segen für Exporteure, doch Investoren sehen darin derzeit eher eine weitere dunkle Wolke, die die düstere Stimmung in der Region noch verstärkt. Zudem wird Inflation importiert.

Oliver Scharping (Bild), Portfoliomanager bei Bantleon, sagt zur Entwicklung des Euro-Kurses: “Je tiefer wir fallen, desto nervöser wird die EZB werden, und leider sind ihr jetzt schon die Hände gebunden.”
Oliver Scharping (Bild), Portfoliomanager bei Bantleon, sagt zur Entwicklung des Euro-Kurses: “Je tiefer wir fallen, desto nervöser wird die EZB werden, und leider sind ihr jetzt schon die Hände gebunden.”© Bantleon

Der Euro ist derzeit zwar nicht die größte Sorge der Investoren, doch der Absturz der Gemeinschaftswährung symbolisiert die europäische Malaise und reflektiert die wenig erbauliche Konjunktur. Der jüngste Kurssturz gegenüber dem Dollar bedeutet ein 20-Jahres-Tief für den Euro. Die Atempause, die Aktienmärkte durch die Möglichkeit einer weniger aggressiven Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank gewonnen haben könnten, ist damit in Gefahr.

Parität ante portas
“Es scheint so, als ob nichts den Zusammenbruch des Euro derzeit aufhalten kann. Parität ist eher eine Frage von Wochen als von Monaten”, sagte Oliver Scharping, Portfoliomanager bei Bantleon im Talk mit Bloomberg. “Je tiefer wir fallen, desto nervöser wird die EZB werden, und leider sind ihr jetzt schon die Hände gebunden.”

Wachstum gerät immer mehr ins Stocken
Die Einkaufsmanagerindizes sind rückläufig. Die Nachricht, dass Uniper womöglich staatlich gestützt werden muss, zeigt das Ausmaß der Energiekrise. Die eskalierende Energiesituation in Deutschland sei ein massives Abwärtsrisiko, so Scharping weiter. Falls es zu einer weiteren Währungskrise kommt, hätte das Auswirkungen auf alle Branchen.

Bankaktien stehen an vorderster Front
Ein stärkerer Euro gilt als Barometer für das Vertrauen in die Konjunktur und für die Aussichten auf höhere Zinssätze. Beides sind Voraussetzungen für gute Geschäfte bei den Banken. Das Dilemma, mit dem die EZB konfrontiert ist - hohe Inflation und schwaches Wachstum - schränkt den Spielraum der Zentralbank zur Unterstützung der Finanzbranche ein.

Winner and Loser der Zukunft
Für Investoren ist es an der Zeit, voraussichtliche Gewinner und Verlierer auszuwählen. Die anhaltende Abwertung des Euro wirkt sich stärker auf Aktien aus, die sich auf die Eurozone konzentrieren, als auf solche, die in den USA engagiert sind. In den letzten zwölf Monaten ist ein Korb europäischer Aktien mit hohem Dollaranteil am Geschäft, den Goldman Sachs berechnet, nur um etwa drei Prozent gefallen. Der vergleichbare Korb von Unternehmen, die stärker in der Eurozone engagiert sind, fiel um 15 Prozent. Tenaris, Galapagos, BAE, Aegon, MTU Aero und UCB gehören zu diesen Dollar-Gewinnern. Auf der anderen Seite stehen KPN, Worldline, Engie, Vinci, EDF sowie eine Reihe von Banken: ihre Erträge sind am stärksten von Geschäft innerhalb der Eurozone abhängig.

Branchenprofiteure und -verlierer
“Insgesamt dürfte der schwache Euro gut für Automobil-, Industrie- und Chemiewerte sein, aber schlecht für Versorger, Reise- und Freizeitunternehmen”, sagt Joachim Klement, Leiter der Abteilung Strategie, Rechnungswesen und Nachhaltigkeit bei Liberum Capital.

Die schwache Währung wird sich schließlich in gewissem Maße auf die europäischen Gewinne auswirken und wird nach Ansicht der Strategen von Barclays dadurch zu einem relativen Rückenwind. Aber nicht für alle: Defensive Sektoren wie das Gesundheitswesen und Basiskonsumgüter, die stark vom Dollar abhängig sind, könnten dadurch einen zusätzlichen Schub erhalten.

Die Aussichten auf eine Erholung der Gemeinschaftswährung scheinen verhalten
“Der Euro ist bereits unterbewertet, aber der Trend kann sich noch fortsetzen”, so Xueming Song, oberster Währungsstratege bei der DWS. (kb)

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