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Verpasste Chance: zehnjährige Bünde mit negativer Rendite

Es ist schon geraume Zeit her, dass die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe im positiven Bereich lag. Dies ist von besonderer Relevanz, fungiert doch die deutsche Zehnjährige als wichtigste Benchmarkanleihe innerhalb der Eurozone. Der Zinsanstieg der US-Treasuries macht sich also bemerkbar.

© fotogestoeber / stock.adobe.com

Was hätte man ­in Zeiten negativer zehnjähriger Renditen nicht alles mit geborgtem Geld, das nicht nur nichts kostete, sondern neben den Einnahmen von heute eine Rückzahlung von 95 bis 96 Prozent in zehn Jahren vorsah, Vernünftiges finanzieren können!. Anstatt sich an eine schwarze Null zu klammern, hätte man einen kräftigen Schluck aus der Schuldenpulle nehmen können, um etwa die marode klassische Infrastruktur zu modernisieren und die Digitalisierung anzuschieben. Und/ Oder man hätte zig Milliarden Euro aufgenommen, um damit einen Staatsfonds aufzusetzen, der analog zu nordischen Vorbildern Aktien kauft, um mit diesen Beteiligungen am Produktivkapital das Rentensystem à la longue zukunftsfit zu machen.

Schulden-Machen wie die anderen, aber in Form von klugen Investitionen
Beides wäre insofern klug gewesen, als man den Abstand in der Schuldenquote zu Frankreich und Italien hätte verringern können, denn - Hand aufs Herz - an die Rückzahlung der Staatsschulden glauben doch nur mehr Naivlinge. Vielmehr werden in Hinterzimmern von Staatskanzleien und Think Tanks bereits Pläne gewälzt, wie man einen beachtlichen Teil der Staatschulden - bis zu 80 Prozent Staatschuldenquote jedes Landes - in einer einmaligen Hau-Ruck-Aktion im Bauch der EZB durch Ankäufe verschwinden lassen könnte - als Perpetuals mit einem Kupon von 0,0000001 Prozent oder gleich unverzinst. Dumm, wenn man danach als einziges großes Land schuldenfrei dasteht, während die meisten anderen Euro-Staaten (Ausnahme: Griechenland) auf erträglichen Staatsschuldenquoten von nur mehr 40 bis 60 Prozent sitzen. Hätte Deutschland nämlich nach dieser Aktion 20 oder 30 Prozent Schuldenquote, sähe man bonitätsmäßig noch immer besser als die anderen aus, hätte aber in der Zwischenzeit sinnvolle Investments zum Nulltarif tätigen können.

Marathon
So eine Politik erfordert allerdings ein über eine Legislaturperiode hinaus reichendes Handeln, gepaart mit wirtschaftlichem Sachverstand. Als flankierende Maßnahmen müsst das System der Schulbildung entrümpelt werden - Stichwort mehr Wirtschafts- und Börsenwissen statt zeitgeistigem Gender-Gaga, Weltenrettung und Umwelt-Fundamentalismus. Schließlich soll das achte Weltwunder - der Zinseszinseffekt - in die Köpfe Eingang finden, sodass die Basis bei den Bürgern für die Umstellung auf kapitalgedeckte Renten gelegt wird.

Undenkbares denken und danach handeln
Vernetztes, Ressort-übergreifendes Denken, dazu Zero-Base-Budgeting statt kameralistischer Fortschreibung traditioneller Budgetansätze, verbunden mit einer Staatsreform abseits aller Neiddebatten wäre hilfreich. Was spräche etwa dagegen, einen Verkehrsminister danach zu entlohnen, wie viel oder wenig Stau-Stunden in Städten und auf Autobahnen anfallen? Wenn es diesem gelänge, Millionen unproduktive Stunden einzusparen, die sowohl zu Lasten der Unternehmer, die diese im Berufsverkehr bezahlen müssen, als auch der Arbeitnehmer gehen, die dadurch Lebenszeit verlieren, dann soll er auch mit einem Millionen schweren Bonus nach Hause gehen können, hat er doch der Volkswirtschaft Milliarden erspart.

Ein solches Set-Up hätte auch zur Folge, dass sich nicht nur Berufspolitiker an den öffentlichen Pfründen gütlich tun, sondern dass die Durchlässigkeit von der Wirtschaft in Richtung Verwaltung und vice versa zunimmt. Warum sollte beispielsweise nicht ein erfolgreicher Logistiker am Ende seiner Industriekarriere sich dieser Aufgabe annehmen, weil er sich selbst und seinem Umfeld beweisen möchte, dass er dazu imstande ist?

Ernüchternder Befund
Der Kapitalismus- und damit der Kapitalmarkt - ist den Deutschen suspekt. In Deutschland haben deutlich mehr Menschen eine positive Meinung zum Sozialismus als zum Kapitalismus, wie man hier nachlesen kann. Das Land hat einen Bundeskanzler, der anderen zum Aktienbesitz rät, selbst aber keine besitzt, und hatte bis vor kurzem einen Wirtschaftsminister, der nur ein Sparbuch und eine bescheidene Immobilie sein Eigen nennt. Kapitalmarktaffinität sieht anders aus.

Dafür wurde Friedrich Merz, der als einer von wenigen Politikern etwas von Altersvorsorge versteht, von Journalisten dafür getadelt, dass er sich als Gutverdiener zur gehobenen Mittelschicht zählt. Der links dominierte Journalismus tut das Seine dazu, dass rot-grünes kapitalismusfeindliches Gedankengut die Gazetten, Tweets und Bildschirme überschwemmt. Umerziehung ist sein Programm.

Und dann sind da noch die Lehrer. Wie diese politisch verortet sind, wird hier auf Seite 113 offenbar. Bevor Pädagogen die Jugend an Wirtschaft und Börse heranführen, würden sie lieber den reinen Sozialismus predigen, um den Nachwuchs vor den "Auswüchsen des Kapitalismus" zu "schützen". Zudem verlassen leistungswillige Akademiker scharenweise das Land, wie hier festgestellt wurde.

Konsequenzen
Diese Gemengelage erweist sich als schwierig. Den Ideologen das Feld zu überlassen, statt dem Hausverstand zum Durchbruch zu verhelfen, kann nicht die Lösung sein. Einzelne Initiativen gibt es bereits, die die herrschenden Zustände nicht länger als gegeben hinnehmen möchten, sondern mit demokratischen Mitteln nach Veränderung streben. Viel Zeit bleibt aber nicht, wenn Deutschland und Europa mit den aufstrebenden Volkswirtschaften Asien mithalten möchten. Dort zählt nämlich Leistung - ein Begriff, der in unserem Schulwesen heutzutage kaum mehr vorkommt; stattdessen wird vom von Kompetenzerwerb geschwurbelt.

Ob sich asiatische Regierungen so ein Window of Opportunity in Form einer Negativzinsphase hätten entgehen lassen? Das darf getrost bezweifelt werden.... (kb)

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