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| Kommentar

Target2-Salden als Basis für einen deutschen Staatsfonds?

Dr. Daniel Stelter trat vor einigen Wochen mit der Idee an die Öffentlichkeit, Teile von Deutschlands Target-2-Salden, die aus statistischen Überlegungen zum Auslandsvermögen der deutschen Bevölkerung zu zählen sind, als Anfangsguthaben in einen solchen Fonds zu investieren.

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Dass ein deutscher Staatsfonds eine gute Sache wäre, ist unter Ökonomen fast unbestritten. Mit dem Atomfonds hat man schon ein ähnliches Konstrukt in die Welt gesetzt. Damit eine Beteiligung am Produktivvermögen der Welt und damit eine Partizipation an fortschrittlichen Geschäftsmodellen mit hoher Wertschöpfung geschehen kann, die nicht zuletzt wegen der real existierenden "Steuerwüste Kontinentaleuropa" mit ihrer überbordenden Bürokratie fast ausnahmslos anderswo stattfinden, nämlich in den USA, Großbritannien, Asien und Skandinavien, müsste ein solches Vehikel eher früher als später angestoßen werden.

Sind Target 2-Forderungen dafür wirklich geeignet?
Dr. Daniel Stelters Idee, einen Teil von Deutschlands Target-2-Salden vom mittlerweile mehr als einer Billion Euro, die Auslandsvermögen der deutschen Bevölkerung darstellen, als Anfangsguthaben in einen solchen Fonds zu investieren, hat zweifellos großen Charme. Per 30. September waren es im Übrigen genau 1.115.189.250.498,07 Euro an Forderungen gegen das Verrechnungssystem der Notenbanken im Euroraum, wie der Homepage der Deutschen Bundesbank zu entnehmen ist. Die Grundidee ist, einen Teil davon an ausländische Banken zu verkaufen und den Erlös als Anfangsdotation für den neuen Staatsfonds zu verwenden.

Wer sollte das tun?
Targetsalden sind so eine Sache: Sie besitzen keine Fälligkeit, können als Verrechnungssalden nicht fällig gestellt werden und verzinsen sich auch nicht. Welcher Preis für ein solches Asset wäre hier angemessen? Dr. Thorsten Polleit, Chefökonom von Degussa Goldhandel, schreibt in einem Eintrag auf der Homepage des Ludwig von Mises Instituts Deutschland etwa: "Die Target2-Forderung der Bundesbank ist eine risikoreiche Kreditgewährung, sie ist unverzinst und unbesichert. Kein Privater, keine private Bank würde so etwas Absurdes im Geschäftsleben machen!"

Was ein Deal zu einem Discount bedeuten würde
Ohne einen deutlichen Abschlag - sagen wir einmal 50 Prozent vom Nennwert - würde sich wohl keine US-Investmentbank oder wer auch immer dafür auch nur annähernd für einen Forderungsankauf interessieren, um diese etwa an Kreditfonds (Distressed Credit?) weiterzureichen. Gesetzt den Fall, es würde Deutschland gelingen, 100 Milliarden Saldenguthaben für 50 Milliarden Euro zu verkaufen, was hätte das für unmittelbare Konsequenzen? Einmal müsste das bedeuten, dass alle anderen Notenbanken neben Deutschland mit deutlich positiven Target2-Salden wie jene von Irland den Niederlanden, Luxemburg und Finnland wohl Wertberichtigungen vornehmen müssten, was zu negativen Eigenkapitalausstattungen dieser Zentralbanken führen würde. Da eine Notenbank daran nicht Pleite gehen wird, ist wenig Trost, wird doch damit die ganze Euro-Konstruktion vehement in Frage gestellt, was den Außenwert des Euro belasten könnte.

Strategieoptionen....
Ob etwa eine deutsche Forderung nach - teilweiser - Besicherung dieser Salden Erfolg hätte"? Ein gewißes "Optimierungspotential" gegenüber dem Euro-System hätte die Möglichkeit eines Target2-Deals Deutschlands zu einem Discount allemal, so man ein Bankenkonsortium fände, das ein solches Angebot über ein nennswertes Nominale läge. Warum soll nur Italien und wohl auch Spanien durch "Too Big to Fail" in der Lage sein, das Euro-System zu erpressen?

und Planspiele...
Wenn Deutschland Kante zeigt und bei den Verhandlungen am Ende herauskommt, dass zehn Prozent der Forderungen mit Gold besichert werden müssen, wären das beim Target2-Negativsaldo der Banca d' Italia von 522,9 Milliarden Euro per 31. August 2020 schlanke 52,29 Milliarden, die mit Gold als Sicherheit unterlegt werden müssten. Nach dem die italienische Zentralbank einer der größten Goldbesitzer ist - wir sprechen hier von 2,451 Tonnen - und wenn man dazu einem Goldpreis von 50.000 Euro je kg unterstellt, gibt es hier Sicherheiten von insgesamt 122,55 Milliarden Euro. Eine zehnprozentige Bedeckung von Italiens Target2-Verbindlichkeiten entspräche 42,67 Prozent des Goldbestands des Landes und wäre grundsätzlich leistbar.

Weitere Vorteile
Die hätte zusätzlich den unbestreitbaren Vorteil, dass Italiens Wunsch, einmal den Euro zu verlassen, deutlich gebremst wäre, da das verpfändete Gold dann Deutschland gehören würde, einen rechtzeitigen Übertrag des Goldes an eine neutrale - und nicht erpressbare - Lagerstelle vorausgesetzt. Zusätzlich ginge man im Falle des Euro-Zusammenbruchs wenigstens nicht ganz leer aus, sondern würde wenigstens zehn Prozent seiner Target2-Forderungen in Gold abgegolten bekommen. Mit diesen und den eigenen Goldbeständen könnte man mit einer neuen goldgedeckten Währung wieder durchstarten und dem Fiat Money adieu sagen. Das würde allerdings eine andere Politikergeneration mit viel Sachverstand, einer anderen psychischen Verfasstheit und "cojones" erfordern, die die Interessen Deutschlands voranstellt und sich nicht als trotz allem unbeliebter Zahl- und kastrierter, nicht ernst genommener Zuchtmeister in Euroland geriert.

Alternative Schuldenaufnahme
Der einfachere Weg ist freilich, Fremdkapital im zig-Milliarden-Volumen, vor allem im zehn- und dreißigjährigen Bereich zu Negativzinsen aufzunehmen. Das wichtigste wir aber sein, ein Regelwerk zu etablieren, dass den Einfluss der Politik heraushält und eine Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament definiert. Als Aufsichtsräte sind etwa Finanzminister der Bundesländer oder hohe Bürokraten auf Bundesebene ein absolutes No-Go. Fachleute sollten hier das letzte Wort haben und mehr als das Abrufen der laufenden Erträge (Kupons und Dividenden) sollte dem Staat nicht erlaubt werden, um den Vermögensstock dieses Generationenfonds aufzubauen.

Nicht kleckern, klotzen!
Ein Billionen-Vermögen wäre wohl auf mittlere Sicht wohl nötig, um mit den laufenden Erträgen nennenswerte Pensionszuschüsse zu erzielen. Je früher und kreativer man mit der Mittelaufbringung beginnt - und es ist bereits fünf vor zwölf - desto besser! (kb)

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