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Gertrud Traud, Helaba, warnt vor französischen Plänen für die EU

Die Chefvolkswirtin und Leiterin des Researchs der Helaba geht in einem aktuellen Kommentar zur Zukunft der Europäischen Union auf die Rolle Frankreichs ein und erklärt, warum Frankreichs Ziele nicht immer gut für Deutschland und andere Länder sind.

Der von Frankreich gewünschte Staatskapitalismus entspricht nicht dem europäischen Wettbewerbsgedanken, betont Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin und Leiterin des Researchs der Helaba, in einem aktuellen Kommentar. Aber auch der Wunsch nach mehr Vergemeinschaftung und damit Zentralisierung ist ein zweischneidiges Schwert, warnt Traud.

Frankreich setzt auf Vergemeinschaftung
Auch wenn der französische Staatspräsident Emmanuel Macron als Europäer auftritt und dies im Umfeld zunehmender Europaskepsis sehr zu begrüßen sei, entspricht die grundlegende Herangehensweise zur Fortentwicklung Europas dem traditionellen französischen Ansatz, der sich auch bei der Schaffung der europäischen Währungsunion durchgesetzt hatte: Vergemeinschaften und auf Konvergenz hoffen.

Konvergenz mit der Brechstange erzwingen ist gewagtes Experiment
Die Entwicklung der Währungsunion der letzten 20 Jahre habe laut Traud aber gezeigt, dass sich Konvergenz nicht automatisch einstelle. "Nunmehr mit weiteren Instrumenten neben der gemeinsamen Geldpolitik auch noch die Schulden und die Sozialsysteme zu vereinheitlichen und einen gemeinsamen Mindestlohn einzuführen, also die Konvergenz quasi mit der Brechstange schaffen zu wollen, ist sicherlich ein sehr gewagtes Experiment mit hohen Risiken", warnt Traud.

Das Ziel Macrons, Europa zu stärken, sei sicherlich richtig, der Weg sollte aber ein anderer sein. Die Weiterentwicklung der EU kann nur gelingen, wenn sich die Staaten bei aller notwendigen Zusammenarbeit in ihrer Souveränität respektiert fühlen.

Handeln und Haften darf man niemals trennen
Der schwebende Brexit ist ein Beispiel dafür, welch Schaden angerichtet werden kann, wenn diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt scheint. Deshalb ist die Subsidiarität als eines der Grundprinzipien zu beachten, etwa in der Haushaltspolitik. Zu groß sind die Risiken, dass Handeln und Haften noch mehr entzweit und Konsolidierungsbemühungen in den einzelnen Ländern gänzlich aufgegeben werden.

Der in Frankreich tief verankerte Glaube an eine Industriepolitik entspricht laut Traud nicht dem europäischen Grundprinzip des Wettbewerbs. Vergemeinschaftung ist Traud zufolge hingegen dort anzustreben, wo Vielfalt keine Stärke ist. Dies gilt insbesondere für die Sicherheits- und Außenpolitik.

Handlungsmaxime für die EU
Die Chancen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung erhöhen sich nach Trauds Einschätzung durch folgende Handlungsmaxime:

Rückbesinnung auf das, was bereits vorhanden ist, um die Komplexität zu begrenzen. Regeln müssen verlässlich gelten, um verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen.

Das Regulierungsdickicht ist zu lichten, um Europa verständlicher zu machen.

Zur gemeinsamen Arbeit am Haus Europa gehört aber auch, das Verständnis von Transferzahlungen und Strukturfondsmitteln zu überdenken. Zu sehr scheint das Ziel, möglichst viel herauszuholen, mittlerweile in den Vordergrund gerückt.

Es gilt laut Traud dort anzusetzen, wo Europa für alle sichtbar wird. Nur wenn Europa keine abgehobene Idee ist und nicht der Verlust von Einfluss damit verbunden wird, kann eine weitere Ausbreitung nationalstaatlichen Denkens, das sich EU-weit in Wahlen gezeigt hat, verhindert werden.

"Gleichmacherei" führt zur Armut aller
Letztendlich sollten die Versprechungen nicht zuvollmundig ausfallen. Eine vollkommene Konvergenz sei nämlich nicht zu erwarten. Selbst in Deutschland konnte das erklärte Ziel „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ nicht erreicht werden.

Vielmehr zeigt der Blick beispielsweise auf die Landkreise in Hessen, dass der Wohlstand zwischen einzelnen Regionen sehr unterschiedlich verteilt ist – trotz aller wirtschaftspolitischen Anstrengungen. Niemand käme auf die Idee, deshalb die Zusammensetzung des Landes Hessens in Frage zu stellen. Bei Europa sieht dies jedoch ganz anders aus. "Wer verspricht, dass mit mehr Zentralisierung alles gleich gut wird, läuft entweder Gefahr, dass es überall schlechter wird oder das Vertrauen in das europäische Projekt gänzlich verloren geht", warnt Traud. (aa)

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