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| Kommentar

Binsenweisheit: Je mehr Zappelstrom, desto mehr Gaskraft

Wie Bloomberg News vermeldet, wird Deutschland laut einer Studie der Bundesnetzagentur (BNetzA) in den kommenden Jahren mehr Gaskraftwerke benötigen, um eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Halleluja!

Die verfemte Kohle erweist sich als Retter in der Not: Kohlekraftwerke springen ein, um Netzstabilität zu erreichen. Von deren Klimaschädlichkeit liest man derzeit nicht allzu viel, retten sie doch zumindest vorläufig eine nicht richtig orchestrierte, als unabdingbares Must dargestellte Energiewende.
Die verfemte Kohle erweist sich als Retter in der Not: Kohlekraftwerke springen ein, um Netzstabilität zu erreichen. Von deren Klimaschädlichkeit liest man derzeit nicht allzu viel, retten sie doch zumindest vorläufig eine nicht richtig orchestrierte, als unabdingbares Must dargestellte Energiewende.© martingaal

Nun weiß also auch die Bundesnetzagentur und hoffentlich das Wirtschaftsministerium offiziell das, was kluge Ökonomen wie Professor Hans-Werner Sinn bereits vor Jahren anmahnten: Es braucht gerade infolge des Ausbaus erneuerbarer Energien, die Zappelstrom produzieren, der noch nicht gespeichert werden kann, eine grundlastfähige komplementäre Stromerzeugung, um Blackouts (Stichwort Dunkelflaute) zu vermeiden und die Versorgungssicherheit zu erhalten. Grundlastfähig sind Atomkraft und Kohle, aus denen man um jeden Preis für die Rettung des Weltklimas aussteigen will, und eben Gaskraftwerke, von denen man zu wenige besitzt.

Aber auch dann, wenn man diese Kapazitäten hat, ist viel zu tun
Es bedarf wohl mehrerer tausend Eingriffe jährlich mit steigender Tendenz, um die größer werdende erratische Produktion der Erneuerbaren zu kompensieren. Die Redispatch-Maßnahmen (siehe erste Grafik) - darunter versteht man Eingriffe zur Anpassung der Leistungseinspeisung von Kraftwerken, um regionale Überlastungen im Übertragungsnetz zu vermeiden oder zu beseitigen - und auch deren Kosten (zweite Grafik) sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, wie man unschwer erkennen kann. Diese Kosten landen dann bei den Stromverbrauchern.

Fehlendes Knowhow im Portfolio Management rächt sich
Wie kann man eigentlich auf die Idee kommen, Unsicherheit ins Stromnetz zu importieren und die Netzstabilität zu gefährden, ohne entsprechend vorzusorgen, dass genügend grundlastfähige Kapazitäten vorhanden sind? Ist es nur grob fahrlässig oder schon vorsätzlich, wenn man Atomkraftwerke abschaltet, ohne die entsprechenden Kapazitäten bei Gaskraft ausgebaut zu haben?

Ein weiterer Schildbürgerstreich ist es, billiges Pipelinegas aus Russland durch LNG, das ein Mehrfaches kostet, zu ersetzen. Dann baut man im Schnellverfahren einen LNG-Terminal, der statt einer Milliarde das Sechsfache kostet, und schaut beifallheischend in die Runde. Wie teures Gas die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhalten soll, steht in den Sternen. Aber vielleicht ist ja in manchen Kreisen die Abwrackung Deutschlands als Wirtschaftsstandort das eigentliche Ziel - getreu dem Motto: wenig Industrie bedeutet wenig Emissionen und mehr Weltenrettung....

Eklatante Managementfehler
Mit einem guten Portfolio Management hätte sich sowohl die zuletzt allzu starke Abhängigkeit von russischem Gas innerhalb des Gasportfolios verringern lassen, indem man in ruhigen Zeiten eine Diversifikation bei den Lieferanten, als auch überhaupt eine breitere Aufstellung bei konventionellen Energieformen - etwa durch den Ausbau der Atomkraft, die ja CO2-neutral ist - vorgenommen hätte. Der Grundsatz der Risikostreuung wurde gröblich vernachlässigt. In der Energiewendepolitik sind Geisterfahrer unterwegs, die sich ähnlich einem institutionellen Investor verhalten, der das ihm anvertraute Pensionsvermögen in fünf Aktien, davon vier Growth-Titel, investiert, wobei 50 Prozent des Portfolios aus Tesla-Aktien bestehen, wo er doch monatliche Cashflows für die Rentenzahlungen benötigt.

Woran das wohl liegen mag?
Kaufleute und Banker, die davon etwas verstehen, findet man kaum in der Politik aus vielerlei Gründen: Die Gagen sind nur für Minderleister und/oder Weltverbesserer interessant, die in der freien Wirtschaft kaum ihren Lebensunterhalt angemessen bestreiten könnten.

Stichwörter sind hier eine mangelnde abgeschlossene Ausbildung und keinerlei Berufserfahrung außerhalb des geschützten Sektors. Für alle anderen kommt dazu der Zeitaufwand, der dann zu Lasten des eigenen Fortkommens abseits der Politik geht. Denn zum Unterschied von Berufspolitikern würden solche Leute die Politik als maximal fünf- bis zehnjähriges meist nebenberufliches Gastspiel ansehen, wo man seine Erfahrungen quasi als Dienst an der Gesellschaft einbringt, um sich dann wieder ausschließlich seinem bürgerlichen Beruf zu widmen.

Doppelte Kosten
Dazu kommt, dass neben der "alten" Infrastruktur, in die nicht zuletzt durch neue Gaskraftwerke weiter investiert werden muss, eine neue auf Basis der Erneuerbaren finanziert wird. Doppelte Kosten also bei gleichzeitig sinkender Resilienz der Energieversorgung, ein großer Fortschritt fürwahr.

Auswirkungen auf die Börse
Vielerorts wundert man sich, dass europäische und auch deutsche Aktien viel billiger als amerikanische sind und wohl auch bleiben werden. Wahnhafter Diletantismus in der Energiepolitik, verbunden mit einer überbordenden Bürokratie, woraus eklatante Wettbewerbsnachteile entstehen, sind hierfür wohl der Hauptgrund. Auch eine kleine Jahresanfangsrallye kann über die vielen hausgemachten Probleme nicht hinwegtäuschen. Dass sich 2023 hier etwas zum Besseren wendet, bleibt wohl frommes Wunschdenken. (kb)

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