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2/2024 | Theorie & Praxis

Völatiles Währungsrisiko

Mit immer neuen geopolitischen Risiken steigen tendenziell Volatilität, Ineffizienz und Unsicherheit am Ölmarkt. Das scheint Transmissionseffekte auf die Währungen wichtiger Ölexporteure und -importeure nach sich zu ziehen.

Dass es einen Zusammenhang zwischen US-Dollar und Erdöl gibt, ist weitläufig bekannt. In einer bemerkenswerten CESifo-Arbeit wird nun aber dargelegt, wie die ­Volatilitäten von WTI und Shanghai auf der einen Seite und die Währungen der wichtigsten Ölex- und -importeure auf der anderen Seite zusammenhängen.
Dass es einen Zusammenhang zwischen US-Dollar und Erdöl gibt, ist weitläufig bekannt. In einer bemerkenswerten CESifo-Arbeit wird nun aber dargelegt, wie die ­Volatilitäten von WTI und Shanghai auf der einen Seite und die Währungen der wichtigsten Ölex- und -importeure auf der anderen Seite zusammenhängen.© EUDPIC | stock.adobe.com

Zwar geht der politische Trend in der Energiever­sorgung in relevanten Teilen der Welt in Richtung erneuerbarer Energien, die gegenwärtige Realität ist jedoch, dass die globale Wirtschaft nach wir vor von fossilen Brennstoffen abhängt. Wie wichtig ein gutes Verständnis dieses Sektors ist, konnte man in den vergangenen Jahren gut miterleben. Unvergessen bleiben die Turbulenzen von 2020, als enorme Probleme in den Lieferketten dazu führten, dass der Öl-Futures-Markt de facto zusammenbrach und den Ölpreis in negatives Terrain drückte ­– ein Marktmechanismus, der bis zu diesem Zeitpunkt als unmöglich gegolten hatte. Dieser Kollaps war zwar spektakulär, allerdings nur eines von vielen Indizien für die makroökonomischen Turbulenzen, die rund um den Ausbruch und den Verlauf der Covid-Krise herrschten. Seither beschäftigen geopolitische Unsicherheiten die Öffentlichkeit, abermals mit Auswirkungen auf den Ölmarkt. Die aktuellen Krisen sorgen im Gegensatz zu Covid tendenziell für Preisauftrieb.

Die CESifo-Gruppe hat vor diesem Hintergrund zwei Working Papers zum Thema Ölmarkt herausgebracht: erstens „Oil Market Efficiency, Quantity of Information, and Oil Market Turbulence“ von Marc Gronwald, Sania Wadud und Kingsley Dogah, die respektive an der International Business School Suzhou, der Leeds University Business School und der University of Nottingham Ningbo wirken. Zweitens „Volatility Spillover between Oil Prices and Main Exchange Rates: Evidence from a DCC-GARCH-Connectedness Approach“ von Leila Ben Salem, Montassar Zayati, Ridha Nouira und Christophe Rault. Die ersten drei Autoren forschen an der Sousse University,?Rault wirkt in Frankreich an der Universität von Orléans. Für die Redaktion verantwortlich zeichnet in beiden Fällen ifo-Chef Clemens Fuest. Die beiden Arbeiten bauen in gewisser Weise auf­einander auf. In der ersten wird die Effizienz oder Ineffizienz des Ölmarktes selbst betrachtet. Die zweite Publikation arbeitet die Auswirkungen von Ölmarktkapriolen auf die großen Währungen der Welt heraus. Was dieses Paper hervorhebt, ist, dass nicht nur die Wechselwirkung von US-Dollar und Öl herausgearbeitet wird, sondern generell die markttechnischen Interaktionen von Öl auf der einen Seite und den Währungen von großen Ölproduzenten und Ölimporteuren auf der anderen Seite.

Methodisch sinnvoll wollen wir uns zunächst generell der Markteffizienz widmen. Wann also ist der Ölmarkt relativ berechenbar, wann herrscht von dieser Seite Planungssicherheit für Politik, Wirtschaftstreibende und Konsumenten? „Um das herauszufinden, greifen wir auf ein kürzlich vorgeschlagenes quantitatives Maß für die Markteffizienz zurück, das auf einer neuen Interpretation des fraktionalen Integrationsparameters ,d‘ basiert. Dieser Ansatz ermöglicht es nicht nur zu analysieren, ob ein bestimmter Markt effizient ist oder nicht, sondern auch, wie sich der Grad der Ineffizienz eines Marktes über die Zeit verändert, und eben diesen Effizienzgrad über verschiedene Marktregimes hinweg zu vergleichen“, erklärt Wadud. Dieser Parameter nimmt je nach Marktlage verschiedene Größen an. Ist „d“ beispielsweise größer als eins, so ist der Markt ineffizient, die Informationstransmission exzessiv, der Schockzustand des Marktes kann „explosiv“ werden, wie es die Autoren formulieren. Entspricht „d“ eins, ist der Markt hingegen effizient. Der Parameter kann diverse Größen annehmen, die verschiedenste Marktzustände beschreiben, was wiederum und letztendlich auf den Entwurf eines von den Autoren „D-Index“ genannten Maßes hinausläuft, das die Informationseffizienz des ­Ölmarktes messen soll.

Verschiedene Szenarien

Mit „Ölmarkt“ ist aufgrund von Relevanz, Datenmenge und Datenzugriff nordamerikanisches WTI-Öl gemeint. Ausgewertet werden die täglichen Preise von Januar 1997 bis September 2022, wobei die Ölpreisrückgänge von 2008, 2014 und 2020 genauer analysiert werden. Es zeigt sich, dass der Ineffizienzwert „D“ erst mit einer gewissen Verzögerung ­ansteigt, wenn die Preisrückgänge steiler werden. Dies liegt an der Schätzung des Integrationsparameters „d“, der erst bei einer ausreichend großen Zahl an Beobachtungen aus der Rückgangsphase wirklich greift (Anm.: Siehe roter Chart­verlauf in den Schaubildern „Ölmarkt-Ineffizienz und Unsicherheit“). So begannen die Ölpreise bereits Anfang 2020 zu fallen, bevor Covid-19 von der WHO zur Pandemie erklärt wurde. Der Rückgang wurde im März dieses Jahres steiler – und das ist der Zeitpunkt, ab dem das Ineffizienzmaß reagiert und zu steigen beginnt.

Die nächste extreme Ölpreisepisode folgte in Form eines massiven Anstiegs als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine Anfang 2022, gefolgt von recht volatilen Preisbewegungen im restlichen Verlauf des Jahres 2022. Auch in diesem Fall steigt das Ineffizienzmaß sprunghaft an – aber wiederum erst nach dem steilen Rückgang, der auf den ­anfänglichen Preisanstieg folgt.

Doch wie wirkt sich der Ölpreis auf die verschiedenen und markttechnisch relevanten Stimmungslagen aus? Um das zu bestimmen, ziehen die Autoren drei Unsicherheitsmaße heran: Makro- und Finanzmarktunsicherheit, wie von Baker et al. im Jahr 2016 vorgeschlagen, und den „Global Economic Policy Uncertainty“-Index von Jurado et al. aus dem Jahr 2015. Die Verläufe dieser Unsicherheitsmaße sind im Vergleich zur WTI-Ineffizienz recht unterschiedlich: So gibt es 2007/2008 einen Aufwärtsschub bei der globalen wirtschaftspolitischen Unsicherheit, dem ein anhaltender Anstieg dieses Maßes folgt. Die Unsicherheit auf den ­Finanzmärkten scheint hingegen zu pendeln und zu den ­jeweiligen Ölturbulenzen auszuschlagen, um dann wieder in Richtung der Niveaus vor den Ineffizienzen zu sinken.

Währungen

Womit wir bei den Auswirkungen der Turbulenzen auf den Währungsmarkt angekommen wären. Die Autoren des ­bereits erwähnten Volatility-Spillover-Papers schätzen dabei zunächst einen statischen Spillover-Index basierend auf vektorautoregressiven (VAR) Modellen. Dann wenden sie den neuen DCC-GARCH-Connectedness-Ansatz an, den David Gabauer 2020 in seiner Arbeit „Volatility impulse response analysis for DCC-GARCH models: The role of volatility transmission mechanisms“ vorgeschlagen hat. Auf diese Weise wird eine zeitvariable Analyse ermöglicht, die die dynamische Verbindung zwischen WTI-Preisen, Shanghai-Rohöl-­Futures und den Währungsmärkten untersucht. Am Ende des Rechenprozesses steht ein dynamischer Spillover-Index, der das Ausmaß der Überschwappeffekte abbildet. Die Auto­ren untersuchen den Volatilitäts-Spillover, indem sie sich auf eine Stichprobe der wichtigsten ölexportierenden und -importierenden Länder konzentrieren, wobei sie tägliche Daten von 4. März 2018 bis 25. August 2023 verwenden. Sie analysieren diese Wechselwirkungen während vier Phasen: über die gesamte Stichprobe, vor Covid-19, während Covid-19 und während des russisch-ukrainischen Krieges. (Anm.: Beim Berichten der Ergebnisse beschränken wir uns auf die grafische Abbildung derselben. Die exakten Stärken der Richtungsvektoren, die angeben, von wo die Volatilität wie stark austritt und wo sie auftritt, führen wir in den meisten Fällen aus Platzgründen nicht an).

Zunächst jedenfalls die Analyse des gesamten Beobachtungszeitraums: Hier legen die Daten nahe, dass Übertragungen im Fall von Shanghai-Öl und WTI-Öl 43,13 beziehungsweise 43,34 Prozent der gesamten Volatilitäts-Fehler­varianz über alle elf beobachteten Märkte ausmachen. Die norwegische Krone erweist sich als der größte durchschnittliche Verursacher von Volatilitätsübertragungen auf andere Märkte, während sich die schwedische Krone als größter Empfänger von Volatilitätsübertragungen herausstellt.

Im Prä-Covid-19-Zeitraum scheint es keine signifikante Volatilitätsansteckung zwischen WTI und Shanghai zu geben. Allerdings wirken sowohl WTI als auch Shanghai als Überträger von Schocks auf die Devisenmärkte. Unter allen Devisenmärkten erweist sich das britische Pfund als der ­primäre Empfänger von Schocks ­– sowohl durch Shanghai als auch von WTI. Umgekehrt fungiert der mexikanische ­Peso als aktiver Katalysator für die Ölmarktvolatilität.

Covid und Krieg

Während der Corona-Pandemie wiederum wurde der Shanghai-Ölmarkt ein Nettoempfänger von Schocks insbesondere seitens der norwegischen Krone und des mexikanischen Peso – also die beiden Währungen der wichtigsten Ölexportländer. Für WTI gilt:?Obwohl der Netto-Über­tragungswert von 15,16 auf 2,69 gesunken ist, bleibt WTI ein Markt, der Schocks auf die Devisenmärkte überträgt.

Im letzten Beobachtungszeitraum – seit dem russischen Angriff auf die Ukraine – scheint es, dass sich die Interaktionen zwischen den Märkten signifikant verändert haben, insbesondere für WTI. In diesem Zeitraum beträgt der Stärkewert des Volatilitätssende-Vektors etwa 2,47 für Shanghai und 26,56 für WTI. Die Volatilitätsübertragung von allen Währungsmärkten auf den Ölmarkt beträgt jedoch 1,57 für Shanghai und 14,23 für WTI, „was darauf hindeutet, dass der russische Krieg die dynamischen Verbindungen zwischen der Volatilität von WTI und Wechselkursen aufgrund der erhöhten Unsicherheit und des starken Rückgangs der Ölpreise ­verstärkt hat“, wie Co-Autor Rault meint. Das ­Niveau der ausgehenden Volatilitätsübertragung ist hier deutlich höher als das Niveau der empfangenen Volatilitätsübertragung. Folglich ist der Grad der Netto-Volatilitätsübertragung vom Rohölmarkt positiv und hat sich während der Kriegskrise deutlich erhöht. Insbesondere hat sich der Nettowert von minus 16,42 für Shanghai und 2,69 für WTI während der Covid-19-Periode auf 0,90 respektive 12,33 während des Krieges ­erhöht. „Der von Russland geführte Konflikt in der Ukraine hat zu Wechselkursvolatilität geführt, die Öl­preise in die ­Höhe getrieben und der bereits aus dem Gleichgewicht ­geratenen Weltwirtschaft weitere Unsicherheit hinzugefügt“, fasst Rault zusammen.

Hans Weitmayr

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