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2/2024 | Theorie & Praxis

Gefragte Erfahrung

Trading wird vielfach als Spekulation betrachtet und ist manchen suspekt. Doch gerade bei Unternehmensanleihen gibt es klare Vorteile, wenn Fondsmanager über Erfahrung und Netzwerke aus dem aktiven Handel verfügen.

Aktiver, rascher Handel von Wertpapieren mit dem Ziel, kurzfristige Preisschwankungen zu nutzen, genießt in der breiten Öffentlichkeit nicht den besten Ruf. 
Dieses Image ist vor allem durch fiktionale Beschreibungen geprägt, in der Realität ist die dabei gewonnene Erfahrung durchaus nützlich.
Aktiver, rascher Handel von Wertpapieren mit dem Ziel, kurzfristige Preisschwankungen zu nutzen, genießt in der breiten Öffentlichkeit nicht den besten Ruf. 
Dieses Image ist vor allem durch fiktionale Beschreibungen geprägt, in der Realität ist die dabei gewonnene Erfahrung durchaus nützlich.© Gorodenkoff | stock.adobe.com

Fragt man 100 Leute auf der Straße, wie sie Börsenhändler beziehungsweise Trader als Berufsgruppe einschätzen, sind wahrscheinlich nicht allzu viele ­positive Aussagen dabei. Zwar dürften die meisten Befragten nicht im Detail wissen, wie dieser Job in Wirklichkeit aussieht, aber die subjektive Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit wurde in der Vergangenheit durch erfolgreiche ­Bücher und Filme insgesamt deutlich zum Negativen be­einflusst. Die Protagonisten waren darin oft zwielichtige ­Gestalten, die als Händler mit hohem Risiko, illegalen Geschäften, rücksichtslosem Verhalten und exzessivem Lebensstil auffielen. Ein Klassiker war der Film „Wall Street“ aus dem Jahr 1987. Darin wurde der Insiderhandel mit Aktien porträtiert und das Motto „Gier ist gut“ geprägt. Anders als diese fiktive Story basiert das 1989 erschienene Buch „Liar’s Poker“ auf den Erfahrungen des Autors Michael Lewis im Anleihenhandel. Auch hier kamen Trader nicht viel besser weg, denn sie folgten dem „Gesetz des Dschungels“. Ein drittes Beispiel ist das 2007 veröffentlichte Buch „The Wolf of Wall Street“ von Jordan Belfort. Es beruht auf einer wahren Begebenheit rund um Pump-and-Dump-Geschäfte mit Pennystocks.

Man kann zwar davon ausgehen, dass einige Darstellungen in Büchern und Filmen stark übertrieben sind. Doch die öffentliche Wahrnehmung wird dadurch trotzdem nachhaltig beeinflusst. Zudem haben einzelne Skandale aus der realen Welt das negative Bild noch verfestigt. So etwa ­„Rogue Trader“ wie Nick Leeson, der 1995 die Barings Bank zu Fall brachte, oder Jérôme Kerviel, dessen nicht autorisierte Trades die Société Générale im Jahr 2008 mit einem horrenden Verlust von 4,9 Milliarden Euro schließen musste.

From Fiction to Fact

Die meisten Skandale stammen aus einer Zeit, da Banken umfangreich Eigenhandel betreiben durften und die Regulierung weniger streng war. Man könnte also behaupten, dass vieles davon heute so nicht mehr möglich wäre. Hinzu kommt, dass der Job eines Traders in Wirklichkeit ganz anders aussieht, als es sich viele auf Basis von Büchern und Filmen vorstellen und es häufig in den Medien dargestellt wird. Die Handelsumsetzung ist keine mechanische Tätigkeit im Sinne von „Wertpapier wählen, Knopf drücken, Gewinn oder Verlust abwarten“. Denn viele Fälle, in denen das möglich ist, werden längst durch Algorithmen abgewickelt. Menschliche Trader kommen dagegen zum Einsatz, wenn es sich um große Positionen oder komplexe Bereiche handelt.

Letzteres ist beim Handel von Unternehmensanleihen der Fall. Die Komplexität ist hoch, da der Markt segmentiert und relativ illiquide ist. Das liegt auch an aufsichtsrecht­lichen Änderungen wie der Volcker Rule in den USA und den Basel-Anforderungen in Europa, die zu einer Reduktion der Aktivitäten im Market Making geführt haben. Seitdem werden Transaktionen vermehrt im Voraus arrangiert. Zudem konzentriert sich das Trading auf wenige große Händler. Deshalb wird das Geschäft bis heute von persönlichen Beziehungen mitbestimmt. Aus diesen Gründen ist der ­Anteil des elektronischen Handels immer noch vergleichsweise gering und nimmt auch nur langsam zu. Anders als Aktien werden Corporate Bonds von Profis nach wie vor überwiegend telefonisch gehandelt (siehe Grafik „Telefon­handel dominiert immer noch“).

Dieses Umfeld erfordert ein hohes Maß an Expertise, sowohl was die Strukturierung der Transaktionen als auch das Risikomanagement angeht. Erfahrene Trader können deshalb einen echten Mehrwert darstellen. So beschreibt etwa Sonali Pier von Pimco in einem Interview mit „The Desk“, wie Händler als Portfoliomanager fungieren. Sie haben ­Augen und Ohren am Markt, tauschen sich mit anderen Tradern über technische Daten aus und pflegen ihre Beziehungen. Sie wissen, wo welche Anleihen gehandelt werden, was die Emittenten wirklich brauchen und wo sich aktiv auf eine besondere Gelegenheit hinarbeiten lässt. Doch das ist noch nicht alles. Sie tragen auch dazu bei, Alphaquellen zu heben, Transaktionskosten zu verringern und Risiken zur richtigen Zeit zu reduzieren, wie aus dem Paper „Once a Trader, ­Always a Trader: The Role of Traders in Fund ­Management“ hervorgeht, das von Gjergji Cici (University of Kansas) sowie Philipp Schuster und Franziska Weishaupt (beide Universität Stuttgart) verfasst wurde.

Die Autoren untersuchen die Rolle der Händler im Fondsmanagement von Corporate Bonds. Es geht also nicht um den Trading Desk, sondern um Händler, die direkt in das Portfoliomanagement eingebettet sind. Der Anteil der Fonds, die mindestens einen Ex-Händler im für das Port­foliomanagement zuständigen Team haben, lag demnach Ende 2020 bei 63 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2003 waren es noch 34 Prozent (siehe Grafik „Steigende Trader-Quote“).

Erfahrung als Trader oder Analyst

Die Forscher untersuchen den beruflichen Werdegang der Manager und unterscheiden dabei, ob diese zuvor als Trader oder als Analyst gearbeitet haben. Anhand dessen wird analysiert, welchen Beitrag frühere Händler beim aktiven Management von Corporate Bonds spielen. Die Autoren identifizieren Trader-Manager, indem sie die einzelnen Biografien mit Informationen von Morningstar, FactSet und LinkedIn überprüfen. Insgesamt umfasst die Stichprobe 2095 Manager im Zeitraum von 2003 bis 2020.

Allerdings macht dabei der große Anteil von Fonds, die von Managerteams verwaltet werden, die Zuordnung der Ergebnisse zu den Aktivitäten einzelner Personen schwierig. Deshalb verfolgen die Autoren zwei Ansätze für ihre Vergleiche. Zum einen betrachten sie Fonds, die nur von einem Manager verwaltet werden. Hier können die Fähigkeiten recht präzise den erzielten Fondsergebnissen zugeordnet werden. Zum anderen nutzen sie die gesamte Stichprobe, um die Leistung von Fonds, deren Teams lediglich von ­Trader-Managern dominiert werden, mit anderen Fonds zu vergleichen. Die Klassifizierung als Trader-dominiert erfolgt dabei, wenn der Anteil der Trader-Manager im obersten Quintil aller Fonds liegt.

Die Daten zu Positionen, verwalteten Vermögen und Renditen der betrachteten US-Fonds stammen von Morningstar und umfassen neun Kategorien von Anleihenfonds. Im Mittel müssen Fonds 40 Prozent des Vermögens in ­Unternehmensanleihen gehalten werden, um in die Untersuchung aufgenommen zu werden. Die Stichprobe bein­haltet insgesamt 710 Fonds.

Klare Vorteile

In den Untersuchungen betrachten die Forscher das Maß der Renditelücke. Das ist die Differenz zwischen der gemeldeten Fondsrendite und der bestandsbezogenen Rendite des zuletzt offengelegten Portfolios.

Auf diese Weise lässt sich der Renditebeitrag messen, den Trader-Manager durch zwischenzeitliche Handelsaktivitäten nach Kosten erzielen. Dabei zeigt sich, dass Fonds, deren Team von Trader-Managern dominiert wird, im Durchschnitt eine um 2,34 Basispunkte pro Monat höhere Ren­ditelücke aufweisen. Für Fonds von Single-Trader-Managern liegt die Differenz bei 3,82 Basispunkten pro Monat. Die Unterschiede sind statistisch und wirtschaftlich signifikant. Zum Vergleich: Für den durchschnittlichen Fonds in der ­gesamten Stichprobe beträgt die Renditelücke minus 0,63 Basispunkte pro Monat.

Als Nächstes untersuchen die Autoren den Einfluss der Handelskosten. Zwar lassen sich diese nicht direkt beobachten. Doch man kann die Veränderungen der Portfoliobestände der jeweiligen Fonds betrachten, mit tatsächlichen Geschäften (auf Basis von TRACE-Transaktionsdaten der FINRA) in dieselbe Richtung und in derselben Größe abgleichen und dann auf die jeweiligen Fonds hochrechnen. Das Ergebnis: Fonds, deren Team von Trader-Managern ­dominiert wird, weisen um 5,5 Basispunkte beziehungs­weise 25 Prozent niedrigere Kosten auf. Größer ist die Differenz mit 12,3 Basispunkten beziehungsweise 56 Prozent bei von Single Trader Managern verwalteten Fonds.

Weitere Untersuchungen der Forscher zeigen, dass die Renditelücken der von Händlern dominierten oder direkt von ihnen verwalteten Fonds in Zeiten von Marktstress, wenn die Illiquidität ausgeprägter ist oder es große Zinsschwankungen gibt, größer ausfallen. Eine Erklärung dafür ist, dass Trader-Manager in diesen Zeiten noch mehr von ­ihrer Erfahrung profitieren können, wie man kurzfristige Handelsmöglichkeiten profitabel ausnutzt und Transaktionskosten begrenzt. Letzteres ist wohl auf die Connections zurückzuführen, die Trader-Manager zu wichtigen Händlern aufgebaut haben. Allerdings scheint in illiquiden Markt­phasen die Reaktionsfähigkeit eine wichtigere Rolle zu spielen als die Begrenzung der Kosten, so die Autoren.

Keine Draufgänger

Insgesamt handeln Trader-Manager also opportunistischer. Das könnte darauf hinweisen, dass sie höhere Risiken eingehen, wenngleich fernab des eingangs beschriebenen Bildes. Doch es lässt sich auch umgekehrt argumentieren, dass ­Trader-Manager genau deshalb ausgewählt wurden, weil ihre Fähigkeiten zum angemessenen Risikomanagement bei Marktstress besonders wichtig sind.

Die Forscher bewerten die Unterschiede in der Risikobereitschaft zwischen den Gruppen von Managern anhand des Reaching-for-Yield-Maßes und seiner Komponenten (Reaching for Maturity und Reaching for Rating). Das Ergebnis: Im Durchschnitt unterscheiden sich von Tradern dominierte Fonds nicht von anderen. In Zeiten hoher Illiquidität oder starker Zinsänderungen reduzieren sie aber ihr Engagement in Anleihen mit geringerer Bonität. Zusammen mit der ­höheren Renditelücke in diesen Phasen deutet das darauf hin, dass Trader-Manager bei Marktstress profitable Gelegenheiten ausnutzen sowie Risiken im Portfolio verringern können. Diese Skills sind dabei in Zeiten großer Zinsänderungen wertvoller als in Zeiten hoher Illiquidität. Zwar gibt es Hinweise, dass von Tradern dominierte Fonds ihre Portfolios auf Anleihen mit längeren Laufzeiten ausrichten, was höhere Zinsänderungsrisiken bedeutet. Allerdings sind sie dabei in der Lage, das Risiko angemessen zu managen, so die ­Autoren. Insgesamt scheinen Trader-Manager also zwei ­Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Einerseits schrecken sie nicht davor zurück, in Zeiten von Marktstress auf Basis ihrer Erfahrung und Fähigkeiten von besonderen Gelegenheiten zu profitieren, die andere Fonds nicht ohne Weiteres ausnutzen können. Andererseits handeln sie dabei weitgehend bedacht und halten das Risiko unter Kontrolle. Hinzu kommt der Vorteil bei den Kosten.

Schlussfolgerungen

Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass Trader-Manager beim Handel von Unternehmensanleihen gefragt sind. Zum Teil haben Asset Manager frühere Trader zum festen Bestandteil ihres Anlageprozesses in diesem Segment gemacht und ihnen eigenen Entscheidungsspielraum oder direkte Mandate für das Portfoliomanagement zukommen lassen. Allerdings können die Forscher nicht statistisch signifikant nachweisen, dass die Vorteile der Trader-Manager ausreichend groß sind, um über den gesamten Untersuchungszeitraum eine bessere Performance beziehungsweise ein höheres Alpha zu erzielen. Demnach erzielen von Trader-Managern dominierte Fonds über den Gesamtzeitraum ähnliche risikobereinigte Renditen wie andere Fonds. Damit bleibt der dokumentierte Vorteil bis auf Weiteres auf turbulente Phasen beschränkt. Doch erfahrungsgemäß sind diese am Ende die wichtigsten.

Dr. Marko Gränitz

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