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3/2017 | Theorie & Praxis

»Eine Professionalisierung muss her«

Viele Stiftungen ächzen unter dem Joch niedriger Zinsen und magerer Erträge. ­Institutional Money hat mit einem ausgewiesenen Experten des Stiftungswesens über ­Auswege aus dem Dilemma von Negativzinsen und das Impact Investing diskutiert.

Wer heute für die Anlagestrategie einer Stiftung verantwortlich zeichnet, sieht sich gleich einer ganzen Reihe von Problemfeldern gegen­über. Nicht nur dass die Ertragsseite unter dem Niedrigzinsniveau leidet, allein schon die Verwahrung der Stiftungsgelder auf dem Bankdepot sorgt für Kopfschmerzen, weil man jederzeit damit rechnen muss, für die liquiden Teile des eigenen Vermögens in Form von Negativzinsen ins Minus zu gera­ten. Ein großes Problem bereitet darüber hinaus die Größe von Stiftungen. Die meis­ten der laut Bundesverband mehr als 21.000 dieser zweckgebundenen Einrichtungen haben von Anfang an nicht die erforderliche Größe, um ihre Anlagen breit genug diversifizieren zu können. Die Redaktion hat mit Jörg Seifart, Geschäftsführer der Gesellschaft für das Stiftungswesen, über die Situation von Stiftungen gesprochen. Dessen Rat: Mögliche ­Optionen besser nutzen!

Herr Seifart, es gibt aktuell einen ganzen Strauß an Themen, die Stiftungen bewegen. Zunächst zu einer eher trockenen Materie: Was können die Marktteilnehmer aus Ihrer Sicht von der Reform des Stiftungsrechts ­erwarten?
Jörg Seifart: Dazu vielleicht vorweg: Es ist in der Tat mühsam, sich die teilweise über hundert Seiten langen Protokolle der Arbeitsgruppe und die diversen Stellungnahmen zu erarbeiten. Man muss sich mitunter schon ein wenig wundern, wofür sich der Gesetzgeber Zeit nimmt. Im Gespräch ist ein sogenannter Rechtsformzusatz für Stiftungen, und der wird wohl auch mit einiger Sicherheit kommen.

Wie soll denn dieser Zusatz aussehen?
Seifart: Genau wie eine Aktiengesellschaft die Abkürzung „AG“ in ihrer Firmierung führen muss, soll diese Verpflichtung jetzt auch für Stiftungen gelten. Rechtsfähige Stiftungen sollen künftig zusätzlich die ­Abkürzung „aS“ für „anerkannte Stiftung“, rechtsfähige Verbrauchsstiftungen „aVS“ für „anerkannte Verbrauchsstiftung“ im ­Namen führen müssen. Das hat etwa für die Praxis zur Folge, dass alle Stiftungen ihr Briefpapier abändern werden müssen, weil dort die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben aufzuführen sind. Sicher scheint auch zu sein, dass Stiftungen genau wie eine gemeinnützige GmbH mit dem zusätzlichen kleinen „g“ in ihrer Firmierung auf ihre ­Gemeinnützigkeit hinweisen dürfen. Da gibt es sicherlich wichtigere Probleme.

Durchaus. So wünschen sich viele Asset Manager eine Art Positiv- beziehungsweise Negativliste, die aufzeigt, welche Anlageprodukte für Stiftungen erlaubt sind und welche nicht. Können Sie in dieser Hinsicht Hoffnung auf eine Vereinfachung machen?
Seifart: Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen, möchte aber auch den Gesetzgeber an dieser Stelle gleich in Schutz nehmen. So praktikabel dieser Wunsch für einen ­Anwender klingen mag, in der Praxis ist das fernab von jeder Umsetzbarkeit. Wenn Sie sich die Innovationsstärke der Finanzindustrie vor Augen führen und sich dann überlegen, dass für jedes neue Produkt eine Gesetzesanpassung erfolgen müsste, erkennt man schnell, dass dieses Anliegen in der Praxis schlicht und ergreifend nicht zu realisieren ist.

Ein weiteres häufig zu hörendes Anliegen an den Gesetzgeber ist, Stiftungen die ­Option einzuräumen, sich von einer Ewigkeitsstiftung in eine Verbrauchsstiftung umzuwandeln.
Seifart: Nach dem jetzigen Stand der Diskussion soll eine Abänderung des Kapitalerhaltungskonzepts einer Stiftung auch weiterhin grundsätzlich nicht zulässig sein. In den Protokollen der Arbeitsgruppe heißt es dazu ausdrücklich, dass es einem Stiftungsgründer zuzumuten sei, sich zum Zeitpunkt der Gründung zum Kapitalerhaltungskonzept ausreichend Gedanken zu machen und sich daran auch zu binden. Ob dies bei Gründungen in der Praxis wirklich ausreichend thematisiert wird, sei dahingestellt. Gerade in der Gründungsphase wird häufig genug die Chance auf eine sinnvolle Regelung ­vergeben. So kann man einer Stiftung beispielsweise einen drei Jahre langen Zeit­raum vorgeben, innerhalb dessen der Kapitalerhalt angestrebt werden soll. Damit können Sie als Stiftungsverantwortlicher eine schwierige Marktphase „aussitzen“, ohne sich den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Erhaltungsprinzip gefallen lassen zu müssen. Die aus meiner Sicht ohnehin relevanteste Änderung für Stiftungen zum Kapitalerhalt ist bis jetzt weitestgehend unbeachtet schon in der Welt.

Was genau meinen Sie?
Seifart: Stiftungen werden von der Stiftungsaufsicht daraufhin überprüft, inwieweit ­ihnen der Kapitalerhalt gelungen ist. Das ist bei schwankenden oder gar fallenden Märkten schon nicht einfach, aber erst die halbe Miete. Dieser Nachweis muss mit der ­Bilanz oder einer Vermögensübersicht erbracht werden. Nun gilt seit Kurzem, dass eine Stiftung in der Handelsbilanz nicht mehr über die Anschaffungskosten hinaus zuschreiben darf. Das ist für eine Stiftung natürlich verheerend, weil sie die Wertzuwächse so gegenüber der Behörde gar nicht abbilden darf. Der Depotauszug per Jah­resende als naheliegende Option enthält diese Information aber nicht, weil das zu erhal­tende Vermögen fast nie auf den Cent genau allokiert ist. Fast jede Stiftung hat entweder einen kleinen Teil ihres Stiftungsvermögens als Cashreserve oder einen Teil der zeitnah zu verwendenden Mittel mit angelegt, was auch sinnvoll sein kann. Aus unserer eigenen Beratungspraxis wissen wir zudem, dass es gegebenenfalls vorteilhaft ist, über Umschichtungen, die als in den Büchern abzubildende buchhalterische Gewinnmitnahme für eine Stiftung ohnehin immer eine Option sind, nachzudenken oder ein für die Stiftung als Nachweis geeignetes Reporting für die Behörden zu entwickeln.

Das Anlegen der Stiftungsgelder haben Sie gerade angesprochen. Was sind aus Ihrer Sicht Themen, vor denen man heute als ­Stiftungsverantwortlicher steht?
Seifart: Das augenscheinlichste Problem, von dem man in vielen Gesprächen hört, sind die vor dem Hintergrund der extrem niedrigen Zinsen drohenden Guthabengebühren. Als Stiftungsmanager muss man heute wirklich aktiv daran arbeiten, eventuell anfallende Negativzinsen, so gut es geht, zu vermeiden, sofern es für die betreffenden Cash-Bestände nicht gute Gründe gibt. In jedem Fall sollte spätestens jetzt jede betroffene Stiftung in einer der nächsten Gremiensitzungen dokumentieren, warum sie Negativzinsen in Kauf nimmt.

Wie gehen Stiftungen denn grundsätzlich mit dem Thema Negativzinsen um?
Seifart: Negativzinsen sind für viele Stiftungen gefühlt sozusagen nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Selbst viele der großen Stiftungen mit einer eigenen Abteilung für die Vermögensverwaltung können das nicht hundertprozentig vermeiden. Die eigentliche Herausforderung stellt aber die Niedrigzinssituation insgesamt dar. Viele Stiftungsverantwortliche tun sich schwer, Anlagen mit auskömmlichen Ausschüttungen zu allo­kieren. Hinzu kommt, dass es in den letzten Jahren diverse Urteile zur Haftung in der Vermögensanlage von Stiftungen gab, die Handlungsängste der Gremien, aber auch der Berater zur Folge haben. Nichts zu machen und zu hoffen, die Niedrig- oder gar Negativzinsphase aussitzen zu können, ist sicherlich keine Lösung, die rechtlich haltbar ist.

Sehen Sie im Impact Investing, von dem man immer mehr hört, einen Lösungsansatz für Stiftungen?
Seifart: Mit der Antwort mache ich mich teilweise sicherlich nicht besonders beliebt. ­Zunächst einmal sehe ich im Impact ­Inves­ting – also Anlagestrategien, bei denen die gesellschaftlichen Aspekte der Anlage eine ebenso wichtige Rolle spielen wie die ökonomischen – ein sehr spannendes Thema und eine gute Idee für denjenigen, der Dinge nach seinem Gusto bewegen will. So können Sie beobachten, dass zum Beispiel Facebook-Gründer Mark Zuckerberg oder Amazon-Chef Jeff Bezos sich auf diese Weise engagieren. Genauer betrachtet engagieren sich beide aber nicht mittels Stiftungen, auch nicht nach amerikanischem Verständnis, sondern sie haben eine Art Mantelgesellschaft gegründet. Diese ist zwar nicht gemeinnützig, erlaubt dafür aber ein Engagement ohne die Beschränkungen des Gemeinnützigkeitsrechts. Langer Rede ­kurzer Sinn: Aus meiner Warte ist Impact Investing eher als eine Alternative zur Gründung einer Stiftung als ein für Stiftungen geeigneter Anlagestil zu sehen. Aus ­unserem Bankenumfeld höre ich, dass es derzeit auch kein zufriedenstellendes Angebot für Stiftungen der verschiedenen Größenordnungen gibt. Sicherlich kann man über eine Beimischung nachdenken, aber die große Lösung aller Stiftungsprobleme sehe ich aktuell im Impact Investing nicht. Es ist ohnehin so, dass es das Asset Management allein nicht richten kann. Für Stiftungen gibt es neben der Vermögensanlage weitere Stellschrauben.

Nennen Sie uns konkrete Beispiele?
Seifart: Auf einen Nenner gebracht spricht man vom ABC-Ansatz in der Beratung. Die Abkürzung steht für A(ccounting), B(argaining) und C(ampaigning). Dabei geht es für eine Stiftung darum, ihre Kennzahlen, das Ausgabeverhalten und das Mitteleinwerben zu optimieren, um sich darüber weitere Möglichkeiten zu eröffnen, ihre Stiftungsziele zu erreichen. Wenn Sie als Stiftung Ihre Kennzahlen, das Accounting, optimieren, haben Sie auch von der Risikostruktur einer denkbaren Allokation ganz andere Möglichkeiten, einmal dahingestellt, ob das nun sinnvoll ist. Die anderen Bereiche haben mit der Vermögensverwaltung weniger zu tun, können aber genauso effizient sein. Beim Bargaining geht es darum, die internen und externen Kostenstrukturen auf Einsparungs- oder Effizienzpotenziale kritisch zu hinterfragen.

Das Fundraising wiederum ist für eine Stiftung fast vergleichbar mit der Vermögensanlage. Man bezahlt einen Mitarbeiter oder externen Berater, der durch das Einwerben von Zustiftungen das Vermögen erhöht oder weitere, dann aber externe Erträge für die Stiftungszwecke erwirtschaftet. Vom Ergebnis her macht aus Stiftungssicht ein Asset Manager nichts ­anderes. Ich meine, dass man Stiftungen ­generell viel ganzheitlicher sehen muss, um die Verzahnung zwischen Wirkungsebenen zu optimieren.

Zurück zur eigentlichen Vermögensanlage. Was kann eine Stiftung mit der Vorgabe ­einer konservativen Anlagestrategie heut­zutage machen?
Seifart: Eines vorangeschickt: Das Wort konservativ halte ich in diesem Zusammenhang für falsch. Stiftungen haben normalerweise zwei Vorgaben, die sie in der Vermögensanlage beachten müssen. Das ist einmal der Kapitalerhalt und zum Zweiten das Gebot der ertragreichen Vermögensanlage. Es ist also dafür Sorge zu tragen, dass für die eigentliche Stiftungsarbeit genügend Mittel zur Verfügung stehen. Wie und auf welchem Wege Stiftungen dies zu erreichen versuchen, steht ihnen eher frei. Das kann man nicht ernsthaft konservativ nennen. Richtiger wäre es aus meiner Sicht, davon zu sprechen, ob eine Anlagestrategie stiftungsgeeignet ist oder eben nicht. Ohnehin gibt es keine generell geeignete Strategie für jede Stiftung. Es kommt vielmehr auf die individuellen Kennzahlen wie das aktuelle Risi­kobudget einer Stiftung und ­deren Ziele an, sprich: ob der Fokus nun eher auf den Kapitalerhalt oder die ausschüttungsfähigen Erträge gelegt wird. Der ehemalige Leiter der Stiftungsabteilung ­einer großen deutschen Geschäftsbank hat sehr treffend formuliert, dass eine professionelle Stiftungsberatung auf der Bilanz und den Vorgaben der Satzung respektive denen der Anlagerichtlinie aufsetzen muss.

Was würden Sie denn kleineren Stiftungen raten, die die Möglichkeiten einer großen Stiftung nicht haben? Überspitzt gefragt: Ist eine Stiftung mit einem Vermögen von unter einer Million Euro in der derzeitigen Marktphase zum Scheitern verurteilt?
Seifart: Selbstverständlich nicht! Wenn überhaupt, ist der Fehler an einer anderen Stelle, meist zum Zeitpunkt der Gründung, passiert. Viele der kleineren Stiftungen haben in der Tat ein Nachfolgeproblem, wenn ein Vorstand sein Amt nicht mehr ausüben kann oder will beziehungsweise wenn er sich mit der Komplexität der Vermögensanlage überfordert fühlt. In solchen Fällen wäre eine schlanke Treuhandstiftung sicherlich die bessere Lösung gewesen. Das Argument der fehlenden Größe für eine erfolgversprechende Anlage von Stiftungsgeldern lasse ich auch nicht gelten. Keine Frage der ­Größe sind zum Beispiel die Festlegung der Anlageziele ausgehend vom langfristigen Finanzbedarf oder die Erarbeitung entsprechender Richtlinien zur Vermögensanlage und ihre administrative Umsetzung einschließlich der internen Verantwortlichkeiten. Auch kann sich jede Stiftung Klarheit über mögliche Reserven verschaffen, die eventuell zu heben wären, um so wenigstens mit­telfristig mehr Freiheitsgrade zu haben. Aus meiner Sicht ist die Frage eher, ob eine ausreichende Professionalisierung der Gremien und Berater vorhanden ist.

Wir danken für das Gespräch.


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Ausgewiesener Stiftungsexperte
Jörg Seifart ist geschäftsführender Gesellschafter der GfdS Gesellschaft für das Stiftungswesen, ein Multi-Foundation-Office mit Sitz in Düsseldorf. Der Jurist ist Fachanwalt für Steuerrecht und gilt als Experte für komplexe Fragestellungen rund um das Stiftungswesen, insbesondere auch die nichtjuristischen. Mit diversen preisgekrönten ehrenamtlichen Engagements in seiner Vita ist er seit vielen Jahren im Stiftungsmarkt aktiv.

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