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1/2024 | Steuer & Recht

Grundsätzlich gut, aber …

Der Referentenentwurf für das deutsche Rentenpaket II liegt nun vor. Kernstück des Pakets ist ein Staatsfonds, der bis zum Jahr 2036 ein Volumen von 200 Milliarden Euro erreichen soll. An Kritik mangelt es nicht.

Angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland stellt die Reform der Altersversorgung eine Herkulesaufgabe dar. Der große Wurf ist das Rentenpaket II nicht, denn es wird die demografischen Probleme des umlagefinanzierten Rentensystems bei Weitem nicht lösen können.
Angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland stellt die Reform der Altersversorgung eine Herkulesaufgabe dar. Der große Wurf ist das Rentenpaket II nicht, denn es wird die demografischen Probleme des umlagefinanzierten Rentensystems bei Weitem nicht lösen können.© ratatosk | stock.adobe.com | generiert mit KI

Die beiden Bundesministerien für Arbeit und Soziales und für Finanzen haben am 5. März den Referentenentwurf für das deutsche Rentenpaket II vorgelegt. Die Kurzform des neuen Gesetzes heißt „Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz“; in der Langversion hat es den etwas sperrigen Namen „Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung“.

Stiftung Generationenkapital

Mit dem neuen Gesetz soll nun auch Deutschland einen ­kapitalgedeckten Baustein zur Altersvorsorge erhalten. Dies ist insofern keine Überraschung, als die Basis dafür bereits 2021 im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90?/?Die Grünen und FDP gelegt wurde. Darin heißt es: „Die Rente muss verlässlich und auskömmlich sein, darum sichern wir das Rentenniveau und ergänzen sie um kapitalgedeckte ­Elemente.“

Um jene kapitalgedeckten Elemente der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung zu beherbergen, soll nun ­eine Staatsstiftung ins Leben gerufen werden, die „Stiftung Generationenkapital“. Das wäre neben dem KENFO, dem „Fonds zur Finanzierung der Kerntechnischen Entsorgung“, die zweite Staatsstiftung Deutschlands. Doch während der KENFO „richtiges“ Eigenkapital enthält, wird die Stiftung Generationenkapital mit geliehenem Geld befüllt. Dem KENFO wurden 2017 von den Betreibern der 25 deutschen Kernkraftwerke insgesamt 24,1 Milliarden Euro Eigenkapital überwiesen – und wie sieht es mit der neuen Stiftung ­Generationenkapital aus?

Topf wird mit geliehenem Geld befüllt

„Ab dem Jahr 2024 werden dem Generationenkapital zwölf Milliarden Euro in Form von Darlehen zugeführt, dieser ­Betrag wird in den Folgejahren jährlich um drei Prozent ­erhöht“, heißt es im Referentenentwurf. Der deutsche Investmentverband BVI hält diese Kapitalisierung für viel zu niedrig. „Wir unterstützen grundsätzlich die Einführung der ­Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rentenversicherung, aber angesichts deren riesiger Finanzierungsprobleme sind zwölf Milliarden Euro in diesem Jahr ein Tropfen auf den heißen Stein. Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung die für dieses Jahr angekündigte Reform der privaten Altersvorsorge umsetzt“, sagt Thomas Richter, BVI-Haupt­geschäftsführer.

Refinanzierungskosten des Bundes

Die gewährten Darlehen des Bundes an die Stiftung Generationenkapital sollen in Höhe der Refinanzierungskosten des Bundes verzinst werden. Um abzuschätzen, wie hoch die Kosten sind, lässt sich die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere heranziehen. Diese lag am 13. März bei 2,37 Prozent im Jahr. Und in Zukunft? In einer Prognose aus dem Dezember 2023 schätzte die Bundesbank die Rendite ausstehender deutscher Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von über neun und bis zu zehn Jahren für 2025 auf 2,6 Prozent.

Der Ausgangsbetrag von zwölf Milliarden Euro, der dem Generationenkapital noch 2024 zugeführt wird, soll über die Jahre weiter aufgestockt werden. „Bis zum Jahr 2036 soll das Generationenkapital ein Volumen von 200 Milliarden Euro erreicht haben“, heißt es im Referentenentwurf. Es stellt sich die Frage, ob, solange der Topf mit geliehenem Geld befüllt ist, überhaupt von einem „kapitalgedeckten Element der ­Altersversorgung“ gesprochen werden kann. Echtes Eigen­kapital soll jedoch auch hinzukommen.

„Zur Eigenkapitalunterlegung des Generationenkapitals sollen bis zum Jahr 2028 Übertragungen von Eigenmitteln im Umfang von 15 Milliarden Euro in das Stiftungsvermögen erfolgen“, heißt es im Referentenentwurf, und es folgt gleich eine Warnung: „Durch eine zukünftige Übertragung vorhandener Vermögenswerte des Bundes auf die Stiftung Generationenkapital können jährlich bisher im Bundes­haushalt vereinnahmte Vermögenserträge entfallen und einmalige Mehrausgaben im Bundeshaushalt in Zusammenhang mit der Übertragung der Vermögenswerte entstehen.“ Es ist nett, dass der Referentenentwurf darauf aufmerksam macht, dass es jeden Euro nur einmal geben kann, aber wichtiger ist die Frage der Rendite, die das Generationen­kapital erwirtschaften soll.

Anlagerichtlinie weit gefasst

Für die erforderliche Performance sorgen soll der KENFO, in dessen Hand die Kapitalanlage des Generationenkapitals gelegt wird. Die Anlagerichtlinie der Stiftung Generationenkapital sollen das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemeinsam erlassen. Sie ist dann im „Bundesanzeiger“ bekannt zu geben. Generell ist das Stiftungsvermögen „renditeorientiert und global diversifiziert zu marktüblichen Bedingungen anzu­legen“. Dabei soll sich die Stiftung an den Anlagemöglichkeiten des Versicherungsaufsichtsgesetzes (§ 215 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 7) und der Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung (§ 17 Absatz 1, 2 und 4) orientieren, die beide sehr weit gefasst sind.

Bisher investiert der KENFO sein Portfolio breit in unterschiedliche Assetklassen, Investmentstile, Regionen und Branchen. Kern der Investitionstätigkeit ist die Strategische Asset Allocation (SAA), die sowohl liquide als auch illiquide Assetklassen umfasst. Dabei arbeitet der KENFO mit einer personell schlanken Struktur – derzeit umfasst der Mitarbeiterstamm gut 30 Personen. Während das eigene Team die Allokation der einzelnen Teilsegmente über strategische und taktische Entscheidungen und das Risikomanagement ­steuert, vergibt der KENFO Asset-Management-Mandate an jeweils auf die Assetklasse spezialisierte externe Manager. ­Insofern dürfte sich die Branche über ein zusätzliches Volumen freuen, das sie künftig managen darf.

Eine positive Rendite kann das Kapital der Stiftung Generationenkapital nur dann haben, wenn die Performance des angelegten Stiftungskapitals langfristig über dem Zinssatz für die zu zahlenden Darlehenszinsen liegt. Vor Aktieninvestments mit geliehenem Geld werden Privatanleger zwar allerorten gewarnt, aber in der Hand einer Staats­stiftung scheint man diesem Konzept regierungsseitig mehr Vertrauen entgegenzubringen. Immerhin ist der Sollzinssatz so niedrig, wie er eben sein kann, denn die Bundesrepublik ist ein guter Schuldner. So könnte das Konzept der fremd­finanzierten Aktienanlage aufgehen. Die Kapitalmärkte ­haben gezeigt, dass Aktienrenditen langfristig über denen von Bundesanleihen liegen.

Leider spät

Ohne das an sich sinnvolle Konzept der kapitalgedeckten ­Altersvorsorge zerreden zu wollen, ist der Zeitpunkt der Einführung nicht optimal gewählt. Bis Sommer 2022 mussten sich alle Kapitalmarktteilnehmer mit extrem niedrigen Zinsen plagen, bei denen Bunds teilweise negative Zinssätze aufwiesen. In der Zeit der Extremniedrigzinsen wäre es deutlich leichter gewesen, mit der Performance über dem Sollzinssatz zu liegen als zu Zeiten der nunmehr gestiegenen Zinsen. Es muss die Frage erlaubt sein: Warum erst so spät, wo die ­demografische Situation bereits seit Jahrzehnten bekannt ist?

Schweden hat seinen großen Systemwechsel vom Umlagesystem zu einem Mischsystem bereits Ende der 1980er- Jahre durchgeführt. Insofern hat Deutschland gegenüber Schweden 35 wertvolle Jahre verloren, in denen der Kapitalstock hätte aufgebaut werden können. In diese Kerbe schlägt auch Thomas Richter vom BVI: „Das Generationenkapital ist ein politischer Kompromiss. Das ursprünglich von der FDP vorgeschlagene Modell der Aktienrente nach schwe­dischem Vorbild war besser. In Schweden erfolgt die Finanzierung des kapitalgedeckten Anteils in der gesetzlichen Rente über regelmäßige Beitragszahlungen der Arbeitnehmer in einen staatlichen Fonds oder private Fonds.“

Der staatliche Pensionsfonds Norwegen (Government Pension Fund Norway, GPFN) wurde sogar schon 1967 eingerichtet.

Rendite, aber dalli!

Immerhin soll der Kapitaltopf noch im laufenden Jahr aufgesetzt werden. Der Referentenentwurf zeigt allerdings, dass sich der KENFO mit der Erzielung einer guten Rendite ­sputen muss. „Aus dem Stiftungsvermögen des Generationenkapitals sind ab dem Jahr 2036 durchschnittlich Ausschüttungen in Höhe von jährlich zehn Milliarden Euro vorgesehen, die der gesetzlichen Rentenversicherung zweckgebunden zugeführt werden“, heißt es im Rentenentwurf. Mit den Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von zehn Milliarden Euro will man die Entwicklung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung stabilisieren, die dann nicht ganz so stark ansteigt wie ohne diese Einnahmen. Außerdem sollen dadurch der allgemeine Bundeszuschuss sowie die Beiträge des Bundes für Kindererziehungszeiten weniger hoch ausfallen. Schon heute macht der Bundeszuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung etwa ein Viertel des Bundeshaushalts aus, schränkt also den Handlungsspielraum der Regierung nicht unerheblich ein. Insofern ist zwar verständlich, dass die Regierung sich hier Erleichterung wünscht, aber dennoch scheint das Konzept des Rentenpakets II arg auf Kante genäht zu sein.

Es braucht Magie

Darüber hinaus hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Aktionsspielraum der Regierung weiter eingeschränkt, indem er mit dem Rentenpaket II auch andere Aspekte der Altersversorgung festgezurrt hat. „Das Rentenniveau von 48 Prozent soll für heutige und künftige Rentenbezieherinnen und Rentenbezieher dauerhaft gesichert werden. Dies wird als Grundsatz gesetzlich normiert und stärkt das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung als tragende Säule der Alterssicherung in Deutschland“, heißt es im Referenten­entwurf.

Während man das Rentenniveau „dauerhaft gesichert“ hat, lässt das Rentenpaket II zu, dass die Beitragssätze steigen – von derzeit 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent im Jahr 2035. ­Insofern erkennt die Bundesregierung an, dass die doppelte Haltelinie angesichts der demografischen Situation bereits auf mittlere Sicht nicht mehr zu halten ist. Das Renteneintrittsalter soll hingegen nicht weiter steigen – vermutlich weil dies politisch ein äußerst heißes Eisen darstellt.

Bei Ökonomen trifft die Rentenreform auf Kritik, insbesondere was die Finanzierbarkeit betrifft. „Heil plant die Quadratur des Kreises: Das Rentenniveau bei 48 Prozent zu belassen und das Renteneintrittsalter nicht zu erhöhen ist ökonomischer Wahnsinn und wäre in Mathe eine Sechs“, wird Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen in ­einem Gespräch mit „The Pioneer“ zitiert.

Auch von Seiten der Asset Manager hagelt es Kritik. „Das Ziel der Generationengerechtigkeit bleibt mit dieser Reform weiterhin auf der Strecke: Das Aushebeln des Nachhaltigkeitsfaktors und weitere teure Leistungsversprechen sind ein herber Rückschlag für die jüngere Generation und gehen einseitig zulasten der Beitrags- und Steuerzahler“, sagt Christof Quiring, Head of Workplace Investing bei Fidelity International, und fährt fort: „Ein besseres Ergebnis erzielen zu wollen, sprich: Rentenauszahlungen für eine wachsende Zahl von Anspruchsberechtigten, ohne dabei die Variablen, also die Beitragshöhe, die Rentenhöhe und den Renten­beginn, zu verändern, ist schlichtweg nicht möglich.“ Tatsächlich braucht es eine fantasievolle Vorstellung möglicher Renditen am Aktienmarkt und womöglich etwas Magie, um die festgelegten Eckpunkte des Rentenpakets II alle gleichzeitig erfüllen zu können.

Lob nur für die Kapitaldeckung

Zustimmung findet in der Branche allerdings die Einführung einer teilweisen Kapitaldeckung: „Ein Schritt in die richtige Richtung ist immerhin die Aufstockung des Generationenkapitals auf 200 Milliarden Euro bis Mitte der 2030er Jahre und der Einstieg in eine partielle Kapital­deckung. Dies begrüßen wir ausdrücklich“, teilt Quiring mit. Er hält allerdings die Kapitalausstattung des Generatio­nenkapitals für zu gering: „Um die zusätzlichen Kosten zu decken, müsste der Kapitalstock ein Vielfaches der 200 Milliarden Euro sein.“ Er zitiert Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft, nach denen bis 2035 ein Betrag von 877 Milliarden Euro notwendig wäre.

Auch beim Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA) ist man nicht zufrieden: „Die Reform kommt zwar einen Schritt voran, aber gleichzeitig geht der Bundesarbeitsmi­nister bei der Konzeption des Rentenpakets zwei Schritte ­zurück, indem Anpassungen des Rentensystems mit zwei anderen Stellschrauben kategorisch ausgeschlossen werden“, erklärt DIA-Sprecher Klaus Morgenstern. Er spricht damit die Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent und des Renteneintrittsalters an.

Der Einstieg in eine Teilkapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung kann in Morgensterns Augen nur ein allererster Schritt zur Stabilisierung der Rentenfinanzen sein. „Mehr Kapitaldeckung ist ohne Frage zu begrüßen. Aber die Entlastung durch das Generationenkapital wird nicht ausreichen. Es ist zu einem großen Anteil kreditfinanziert. Vom Anlageergebnis muss also noch der Kreditzins abgezogen werden.“ Außerdem machten die erhofften zehn Milliarden Euro jährlichen Erträge ab Mitte der 30er-Jahre nur einen Bruchteil der Gesamtausgaben der Rentenversicherung aus, die schon im vergangenen Jahr bei rund 375 Milliarden ­Euro lagen und weiterhin ansteigen würden.

Auch aus Sicht des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellt die Reform der gesetz­lichen Rentenversicherung zwar einen wichtigen, aber nur einen ersten Schritt dar. „Das Rentenpaket macht hoffentlich den Weg für notwendige Reformen der betrieblichen und privaten geförderten Altersvorsorge frei. Aufgrund der rapiden demografischen Entwicklung sind Reformen in der gesamten Alterssicherung überfällig“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV.

Anke Dembowski

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