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1/2024 | Steuer & Recht

Gewollte Verknappung

Die EU-Bodenstrategie für 2030 und das EU-Bodenüberwachungsgesetz haben zum Ziel, den Neuflächenverbrauch in der EU zu senken. Auf Bodenpreise und Mieten sollte sich das günstig auswirken, womit die Aussichten für Bestandshalter günstig sind.

Die EU-Bodenstrategie fordert, den Flächenverbrauch bis 2030 erheblich zu reduzieren. Spätestens bis 2050 soll die Inanspruchnahme neuer Flächen auf null gesenkt werden. 
Die EU-Bodenstrategie fordert, den Flächenverbrauch bis 2030 erheblich zu reduzieren. Spätestens bis 2050 soll die Inanspruchnahme neuer Flächen auf null gesenkt werden. © gmf

Zu den vergleichsweise wenig beachteten Themen innerhalb der Nachhaltigkeitsdiskussion in Verbindung mit Immobilien zählt der Bodenverbrauch. Wenn eine Ausweitung des Flächenverbrauchs politisch ­bekämpft wird, erzeugt dies eine Verknappung mit entsprechenden Auswirkungen auf den Preis der Fläche. Die Argumente der EU, die den Neuflächenverbrauch senken will, sind nachvollziehbar. Die Verlangsamung der Flächenversiegelung soll Wüstenbildung, Hochwasserbedrohungen und Wärmeinseleffekten in Städten entgegenwirken, wird aber Konsequenzen haben.

Bereits im November 2021 stellte die EU-Kommission ­ihre Bodenstrategie 2030 vor, die schließlich in das Euro­päische Bodenüberwachungsgesetz (Directive on Soil Monitoring and Resilience, COM(2023) 416) einfloss. Im Juni 2023 veröffentlichte die EU-Kommission dazu einen Legislativvorschlag, dessen Vision ist, dass sich bis 2050 „alle ­Bodenökosysteme in der EU in einem gesunden Zustand (befinden) und somit widerstandsfähiger (sind)“. Entsprechend strahlt die EU-Bodenstrategie auf weitere ökologische Themenbereiche aus (siehe Chart „Die EU-Bodenstrategie“).

Die EU-Bodenstrategie fordert, den Flächenverbrauch bis 2030 erheblich zu reduzieren. Spätestens bis zum Jahr 2050 soll die Inanspruchnahme neuer Flächen auf null gesenkt werden. Die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU müssen nun sehen, wie sie diese Strategie national umsetzen. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Novellierung des deutschen Bodenschutzgesetzes, wobei die bisherige Gesetzesgrundlage für die Bodenversiegelung das Baugesetzbuch ist. Die Neuregelung sieht vor, dass die Bauvorhaben in einer „flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen“ sind (§ 35 Abs. 5 BauGB). „Bisher ist das Gebot des sparsamen Umgangs mit Flächen aber noch nicht in hartes Gesetz gegossen. Es gibt noch kein ­Flächenreduzierungsgesetz in Deutschland“, sagt Hendrik Staiger, Vorstandssprecher des Asset Managers und Projektentwicklers Beos AG. „Trotzdem ist der sparsame Umgang mit Flächen ein logisches Ziel aus den Nachhaltigkeitsbestrebungen, und jeder dürfte verstanden haben, wohin der Trend geht“, meint Staiger. Fürs Flächensparen sieht er lediglich zwei Stellschrauben: Nachverdichtungen und das Nutzen von Brachflächen.

Beim Flächenrecycling sieht der EU-Gesetzgeber Verbesserungspotenzial. „Die erneute Bebauung oder die Sanierung von zuvor bereits bebauten Flächen machte (zwischen 2006 und 2012) nur 13,5 Prozent der städtischen Entwicklung in der EU aus“, steht im Vorwort zur EU-Bodenstrategie. Einige Mitgliedsstaaten hätten hier bereits Quoten von über 50 oder sogar bis zu 80 Prozent erreicht.

In Deutschland hat der Bund Länder und Gemeinden ­bereits aufgefordert, die neuen Rahmenbedingungen in den Bebauungsplänen zu berücksichtigen. „Das merken wir beispielsweise, wenn wir Bauanträge stellen. Allerdings ist die Wirkung im Moment noch nicht sehr stark, und die Länder und Gemeinden verfolgen das unterschiedlich intensiv“, berichtet Staiger aus der Praxis. Er vermutet aber, dass der Druck zunimmt. „Für Bestandshalter ist das eine gute Sache, denn die Grundstücke werden tendenziell wertvoller.“ Institutionellen Immobilieninvestoren rät er: „Wir müssen uns darauf einrichten, dass es künftig mehr Brownfield-Entwicklungen gibt. Davor braucht aber niemand Angst zu haben“, ermuntert Staiger. Beos hat sich mit gelungenen Quartiersentwicklungen auf zentral gelegenen Industriebrachen einen Namen gemacht: das Carlswerk in Köln, die Westside in Frankfurt und die Berlin Decks. Es ist also möglich, dass sich Brownfield-Entwicklungen auch unter Kosten-Rendite-­Gesichtspunkten rechnen; schließlich agiert Beos seit 2018 unter dem Dach von Swiss Life Asset Managers und ist ­gehalten, für den Konzern langfristig stabile Anlageerträge zu erwirtschaften.

Aber nicht nur private Investoren sind in der Vergangenheit vor Brownfield-Entwicklungen zurückgeschreckt. „Städte und Gemeinden hatten bisher die Tendenz, Städte nach draußen wachsen zu lassen – vermutlich, weil es oft einfacher ist. Neue Bauplätze außerhalb zu schaffen verbraucht aber nicht nur Flächen, sondern führt zur berühmten Donut-­Bildung: Die Stadtkerne werden leer, und der Speckgürtel wächst“, meint Staiger und ergänzt: „Es macht keinen Sinn, Greenfield etwas zu bauen und attraktive Brownfield-Areale liegenzulassen.“ In der Wiederbelebung alter Industrieflächen sieht er daher einen anhaltenden Trend. „Deutschland spielt hier ganz vorn mit, denn aktuell wandert die Industrie aus Deutschland ab, insbesondere die Chemie und andere energieintensive Produktionen. Die Flächen stehen wieder zur Verfügung. Sie zu recyceln, daraus wieder etwas Neues zu machen, ist eine spannende Aufgabe“, findet Staiger.

Repositionierung im Bestand

Eine weitere Maßnahme stellen Ausgleichsflächen dar. „Das kennen wir aus dem Straßenbau. Beim Neubau einer Straße müssen ökologische Ausgleichsflächen geschaffen werden. Das Instrument ist bekannt, und ich kann mir gut vorstellen, dass das künftig auch auf Wohn- oder Gewerbebauten angewendet wird“, meint Dr. Christine Bernhofer, Vorstand des Immobilien-Spezialfonds-Anbieters Real I.S. Aber zunächst geböten es Nachhaltigkeit und Ressourcenverbrauch, bei jedem Neubau zu überlegen, ob sich nicht auch ein ­bestehendes Gebäude revitalisieren lässt. „Wichtig ist doch, dass ein Objekt nicht leer steht, denn eine leer stehende ­Immobilie wird nicht genutzt, aber die Bodenversiegelung bleibt.“ Mit dem BGV-V-Fonds hat Real I.S. kürzlich das ­Forum Steglitz modernisiert. „Wir haben das ehemalige Shoppingcenter grundlegend modernisiert und in eine ­gemischte Nutzung überführt. Jetzt ist auch Office dabei, um eine Mischung aus Arbeit, Einkaufen und Erlebnis zu bieten. Dadurch, dass wir nicht abgerissen und neu gebaut haben, konnten wir mehr als 30.000 Tonnen CO2-Emission einsparen“, so Bernhofer.

Als Teil des BayernLB-Konzerns beschäftige man sich bei Real I.S. intensiv mit ESG. „Wir haben 75 Prozent unserer Immobilienfonds nach Artikel 8 ertüchtigt“, sagt Bernhofer. „Aber manchmal ist die Aufgabe, das E und das S zusammenzubringen, sehr anspruchsvoll, beispielsweise bei Wohnhochhäusern, eine Wohnform, die viele Menschen nicht ­bevorzugen. Umfragen zeigen, dass mehrheitlich Wohnwünsche mit dem Einfamilienhaus verbunden werden. Für viele Menschen steht diese Wohnform für mehr Lebensqualität. Dennoch gilt, wenn verstärkt in die Höhe gebaut wird, hält das den Flächenverbrauch geringer.“

Sie fügt an, dass Bauherren und Investoren zunehmend von sich aus auf ökologische Aspekte, auch auf die Ver­meidung von Flächenversiegelung, achten, weil sich dies am Ende auch ökonomisch rechne. „Früher ist man baulich in Regionen vorgedrungen, in denen man nicht bauen sollte. Investoren betrachten heute Risiken aus verschiedenen ­Perspektiven und ziehen mögliche Naturgewalten bei der Auswahl der Lage ins Kalkül“, so Bernhofer.

Viele kleine Stellschrauben

Es seien die vielen Kleinigkeiten, die in Summe einiges ausmachen. „Wir überlegen zum Beispiel, wie wir Regen­wasser nutzen und speichern können oder Parkplätze nicht mehr asphaltieren, sondern wasserdurchlässig gestalten. Für solche Dinge sehe ich eine Zukunft, aber dazu müssen Sie jedes Objekt betrachten und überlegen, was Sie im Einzelfall tun können“, erklärt Bernhofer. Sie berichtet von einem Büroobjekt ihres Hauses in Paris, bei dem Regenwasser ­gesammelt wird, um es zur Bewässerung von Grünflächen zu nutzen, und bei dem ökologisch sinnvolle und recycelte Materialien eingesetzt werden. „Anleger akzeptieren für ­solche Maßnahmen einen gewissen Preisunterschied, und wir überlegen jetzt, wie wir eine mögliche Investition in ein Nahversorgungszentrum in Australien mit ESG-Themen verbessern können und damit ,grüner‘ bekommen“, so Bernhofer.

Aber auch in den Kommunen sei mehr Flexibilität ­gefragt, beschreibt sie: „Manchmal scheitern gute Ideen am Genehmigungsrecht, beispielsweise für Nahversorgungs­objekte. Wohnnutzung in Gewerbegebieten ist aus unserer Beobachtung immer noch ein schwieriges Thema.“ Schon relativ kleine Maßnahmen, etwa Dächer zu begrünen oder Parkplätze durchlässig zu bepflastern, böten Potenzial. „Die Verwendung neuer Werkstoffe, die wasserdurchlässig sind, können uns dem Ziel näherbringen.“

Umsetzung in nationales Recht

Insgesamt nimmt die Immobilienbranche wahr, dass der Druck, weniger Flächen zu verbrauchen, zunimmt, wenn auch erst langsam. Das Umweltbundesamt hat bereits 2013 bis 2017 einen Modellversuch zu einem Flächenzertifikatehandel ins Leben gerufen, an dem 87 Kommunen aus ganz Deutschland teilgenommen haben. Nun fordert die Bundesregierung im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie, den Flächenverbrauch bis 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, was ungefähr einer Halbierung entspricht. ­Spätestens bis zum Jahr 2050 soll die Inanspruchnahme neuer Flächen in Deutschland auf null reduziert werden. „Das sind nur noch 26 Jahre, was im Lebenszyklus einer ­Immobilie nicht viel ist“, meint Tobias Kassner, Head of ­Research und Mitglied der Geschäftsleitung bei Garbe ­Industrial Real Estate.

Letztlich konkurrieren alle Segmente des Immobilien­bereichs um die knapper werdenden Flächen. „Es ist davon auszugehen, dass dieser Sachverhalt ganz klassisch von ­Angebot und Nachfrage geprägt sein wird“, meint Kassner. Insofern wären das für Bestandshalter gute Aussichten. Den größten Bedarf für neue Flächen sieht Kassner aktuell bei den Segmenten Wohnen und Logistik. „Die Nachfrage nach Logistikflächen war in den letzten Jahren enorm. Alle Akteure am Markt sehen sich mit der Situation konfrontiert, dass immer weniger Flächen zur Verfügung stehen. Die Kommunen könnten weitere Flächen ausweisen, tun das aber nicht im notwendigen Maß“, erklärt Kassner. Er verweist darauf, dass die Kommunen zunächst eine Inventur machen und dann ein Industrie- und Logistikflächenkonzept erstellen müssten. „Das braucht Zeit, und so lange werden weniger Grundstücke ausgewiesen. Letztlich haben die Gemeinden die Planungshoheit für die Flächenpolitik, denn sie setzen am Ende die Bodenpolitik um“, weiß Kassner.

Skepsis bei Logistikimmobilien

Gerade bei Logistikimmobilien befürchten die Kommunen, dass sie viel Fläche verbrauchen und nur wenig Arbeitsplätze und Gewerbesteuer bringen. „Oft ist das ein Trugschluss. Logistik wird zunehmend mit verbundenen Dienstleistungen angereichert, die von den Industrieunternehmen an spezialisierte Logistikdienstleister ausgelagert werden, beispielsweise Reparaturen oder Retourenmanagement“, meint Kassner. Auch in der Produktion übernehmen Logistiker immer häufiger Bestandteile in der Wertschöpfungskette. In vielen Logistikimmobilien arbeiten durchaus viele Menschen.

Doch unabhängig davon hoffen viele Kommunen lieber auf die Ansiedlung eines großen Industrieunternehmens wie die Batteriefabrik von Northvolt in Schleswig-Holstein, Intel in Magdeburg oder Tesla in Brandenburg. „Das sind aber nur einzelne, herausragende Industrieansiedlungen, die global ausgeschrieben werden. In Summe war Logistik über viele Jahre der viel größere Nachfragetreiber als einzelne große Industrieansiedlungen. Einige Kommunen haben das ­erkannt und sind hier offener“, beobachtet Kassner.

Er empfindet den Preisdruck auf Logistikimmobilien derzeit noch als erträglich. „Die aktuellen geopolitischen Verwerfungen und der wirtschaftliche Rückgang führen dazu, dass viele Unternehmen erst mal auf die Pausetaste drücken. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Logistikflächen spätestens Ende nächsten Jahres wieder anspringt. Da der Nachfrageüberhang der vergangenen Jahre trotz der normalisierten Flächennachfrage noch nicht aufgelöst wurde, wird der Preisdruck anziehen, sobald sich die Konjunktur erholt. Um den Unternehmen hier Ansiedlungsentscheidungen zu erleichtern, sollte auch die Flächenausweisungspolitik der Kommunen forciert werden“, so Kassner.

Tendenz zum Höherbauen

Eine weitere Möglichkeit, Flächen einzusparen, ist, in die Höhe zu bauen. Daher wird schon länger erwartet, dass die Zeit der Flachbauten vorbei ist, beispielsweise bei Discountern. „Richtig durchgesetzt hat sich das allerdings noch nicht. Allenfalls innerstädtisch werden Discounter mehrgeschossig gebaut“, beobachtet Staiger. Künftig erwartet er hier mehr Entwicklung. „Bisher ist es schwierig, auf Discountmärkte Wohnungen oder Büros zu bauen, weil der Lärm des Zulieferverkehrs Ärger bereitet. Das sind Dinge, die ­womöglich durch geeignete Andockmechanismen und E-Lkws gelöst werden können. Solche Dinge werden kommen, sobald es ökonomisch sinnvoll ist, sprich: wenn der Preisdruck bei den Flächen größer wird“, meint Staiger.

Auch sonst sieht er, dass das Thema Nachverdichtung Fahrt aufnimmt, beispielsweise beim Wohnungsbau in ­Berlin, speziell bei Dachausbauten, die einen vergleichsweise einfachen Weg darstellen, rasch mehr Wohnraum zu schaffen. „Lange Zeit gab es in Berlin ideologische Vorbehalte ­gegen den Ausbau von Dachgeschosswohnungen. Man ­befürchtete Gentrifizierung, und außerdem wollte man in vielen Bezirken keinen weiteren Zuzug. Der Ausbau von Dachgeschosswohnungen wurde daher unterbunden, beispielsweise indem keine Baumfällungen für Anleiterungen genehmigt wurden, um einen zweiten Fluchtweg zu ermöglichen. Durch die starke Wohnungsnot in Berlin hat man jetzt aber begriffen, dass etwas getan werden muss, und dreht an allen Stellschrauben“, stellt Staiger fest. Hier werde die Höhe künftig verstärkt genutzt.

Dazu machen sich verschiedene Stellen, darunter der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) und der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) Gedanken um neue nachhaltigere Bebauungskonzepte. Ein Vorschlag des NABU war, den Neubau von Einfamilienhäusern einzustellen, den die Partei Die Grünen 2021 als Forderung übernommen haben. Einfamilienhäuser verbrauchten viel Fläche, verursachten Zersiedelung und seien nicht energieeffizient. Damit löste die Partei einen Sturm der Empörung aus. „Verbote sind meist nicht zielführend. Um langfristige Lösungen zu finden, sind kreative und zukunftsfähige Planungen und ­Gedanken erforderlich. In Ballungszentren ist der Wohnraum heute schon knapp, ein Verbot ist hier der falsche ­Ansatz. Auf dem Land wären solche Verbote Planwirtschaft“, meint Patrick Brinker. Er ist Gründer und Head of Real ­Estate Investment Management (REIM) von Hauck Aufhäuser Lampe.

Zusätzliche Nutzungen erschließen

Während in den Segmenten Einzelhandel und Wohnungsbau bereits eine gewisse Tendenz zum Höherbauen erkennbar ist, sieht Kassner bei Logistikimmobilien nur beschränkte Möglichkeiten, in die Höhe zu gehen: „Bei Logistikgebäuden steigen die Baukosten extrem, wenn mehrgeschossig gebaut wird. Hinzu kommt, dass die Nutzung in den oberen Etagen eingeschränkt ist. Außerdem ist die Zuwegung zu den oberen Etagen – beispielsweise eine Spindel wie bei einem Parkhaus – schwierig. Sie muss im Winter, wenn es glatt ist, beheizt sein.“ Daher sei es in Europa noch nicht ­gelebte Realität, Logistikgebäude mehrgeschossig zu bauen. Er verweist darauf, dass es in Hongkong 15-geschossige ­Logistikhallen gibt. „Baulich ist das machbar, aber dafür ist bei uns der Preisdruck noch nicht groß genug!“, so Kassner.

In Europa sieht Kassner mehr Potenzial darin, Logistik­immobilien mit weiteren Nutzungen zu versehen, indem man die Dächer für Photovoltaik nutzt, mit kleinen Windturbinen ergänzt und auch die Fassaden verwendet. „Logistikimmobilien werden dadurch zu kleinen Energiekraftwerken. Die Energie kann vor Ort zu Wasserstoff verarbeitet oder in Wärme umgewandelt werden. Letztlich entwickelt sich die Logistikimmobilie zur Infrastrukturimmobilie weiter.“ Die geschickte Kombination von verschiedenen Nutzungsarten spart Flächen und verhindert unnötige Versiegelung. „Wenn man die Energiewende wirklich umsetzen will, ließe sich das zu einem großen Faktor entwickeln. Auf ­Industrie- und Logistikhallen ab einer wirtschaftlich attraktiven Größe von 5.000 Quadratmetern besteht ein Dachflächenpotenzial von 362,7 Millionen Quadratmetern. Darauf ließen sich theoretisch 36,2 GW Solarstrom erzeugen“, so Kassner. Bisher sind aber nur etwa zehn Prozent der Logistikhallen in Deutschland mit PV-Anlagen bestückt. Als Gründe, weshalb man hier noch nicht weiter ist, nennt er den mangelhaften Netzausbau und die Steuergesetzgebung. „Aktuell werden die Einnahmen aus der PV-Anlage anders besteuert als die Einnahmen aus der Vermietung der Halle.“ Stichwort Gewerbesteuer. „Aber nicht nur die Gewerbe­steuer macht die Sache komplexer, sondern auch die Finanzierung, beispielsweise wenn beide Finanzierungen – für die Immobilie und für die PV-Anlage – im Grundbuch stehen müssen und miteinander kollidieren“, so Kassner.

Auch der zu schwache Netzausbau stellt sich hier noch als Hemmschuh dar. „Wir bauen neue Hallen heutzutage immer PV-ready. Ob die PV-Anlage dann aber tatsächlich ­installiert wird, hängt davon ab, ob das Netz in der Region den Strom aufnehmen kann“, so Kassner. Er bemängelt, dass Bauherren oft monatelang auf die Abnahme der PV-Anlage warten müssen, auch wenn diese schon lang installiert und anschlussbereit ist. „Hier wäre mehr Pragmatismus gefragt! Die Investoren sind durchaus bereit, aber die Umstände in der Praxis lassen es oft nicht zu.“

Einstöckige Schuhschachteln

Auch Patrick Brinker kann über solche Fälle berichten. „Wir haben in unserem Immobilien-Spezialfonds mehrere großflächige Einzelhandelsobjekte. Diese sogenannten Schuhkartons sind eingeschossig und haben beträchtliche Flächen mit großen Dächern. Sie sind prädestiniert dafür, dass eine PV-Anlage draufgesetzt wird. Aber als vermögensverwaltender Fonds haben wir steuerrechtlich derzeit nicht die Chance, das zu tun.“ Die gelegentlich genutzte Lösung, die Dachflächen an einen gewerblichen Partner zu vermieten, hält er nur bedingt für sinnvoll. „Es wird schließlich ein Eingriff an der Dachhaut vorgenommen, und man bindet sich langfristig an einen Partner. Wenn man dann für die Vermietung des Dachs nur drei Cent fixe Miete erhält, macht das wenig Sinn. Dann machen wir es lieber nicht!“ Wer A sagt, müsse auch B sagen und das Steuerrecht ent­sprechend anpassen. „Vieles ist aber nicht zu Ende gedacht“, bemängelt er.

Er ist aber froh, dass seine Fonds mehrere großflächige Einzelhandelsobjekte besitzen. „Dafür benötigt man häufig eine Sondergebietsausweisung, und man muss eine Bedarfsanalyse für den Standort vorlegen. In der Praxis erhalten Sie heutzutage kaum mehr neue Flächenausweisungen für großflächigen Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten, denn in der Regel werden nur noch kleinere Lebensmittelhandelsflächen neu genehmigt. Alles oberhalb einer Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern wird damit wert­voller im Sinne des Baurechts“, freut sich Brinker, „und wir fragen uns immer häufiger: Gibt es Potenzial für eine Nach­verdichtung?“ Das gelte insbesondere beim großflächigen Einzelhandel.

Repositionierung von Objekten

Brinker bringt auch das Thema Umwidmungen ins Spiel. „Es gibt in Deutschland noch ziemlich viele Flächen, die nachverdichtet oder revitalisiert werden können. Wir sollten nicht überall neu bauen. Das wäre nicht sinnvoll, denn schließlich wächst ja die Bevölkerung hierzulande nicht in jeder Region“, argumentiert er. Vor einiger Zeit hat er ein ­altes Verwaltungsgebäude des ehemaligen Krupp-Stahlwerks in Duisburg in ein Gesundheitszentrum umgebaut und ­dabei die Bestandsgebäude, die teilweise aus dem 19. Jahrhundert stammten, erhalten. „So etwas machen wir gern. Nichts ist nachhaltiger, als den Bestand zu erhalten.“ Gesundheitszentren zählen zur Grundversorgung, und Kommunen haben ein Interesse daran, um sowohl für älteres als auch für jüngeres Publikum attraktiv zu sein.

Regulierungswut zügeln

Brinker hat aber auch Wünsche an die Regulatoren, damit solche Repositionierungen klappen. „Man sollte von Seiten der Regierungen nicht versuchen, alles zu regeln, was man regeln kann. Das führt letztlich zu weniger Investitionen. Was wir brauchen, ist Planbarkeit und dass es in der Praxis läuft“, so Brinker. Nur so lässt sich seiner Meinung nach vernünftig und nachhaltig bauen. Manchmal gingen Bauten einfach nicht voran, weil in den Stadt- und Gemeinderäten Laien sitzen, die gelegentlich auch ganz persönliche Inter­essen verfolgten. „Es ist zu hinterfragen, ob es richtig ist, dass teilweise Personen mit anderen beruflichen Hintergründen über Bauvorhaben und Baugenehmigungen entscheiden. Wenn es da nicht professionell zugeht, kann eine ganze Stadt darunter leiden“, so Brinker. Er verweist auf ver­nachlässigte Shoppingcenter, die es in vielen Städten gibt, weil es ­eine Zeit lang en vogue war, ein eigenes Shoppingcenter zu bauen. „Es wäre besser, ein professionelles Gre­mium ­einzurichten, das ein Bauvorhaben fachlich besser beurteilen kann und auch übergeordnete Ziele im Blick hat“, so ­Brinker.

Anke Dembowski

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